Zeckenalarm! Wie groß ist die Gefahr im Wald?

Försterin Christa Vitt-Lechtenberg vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen gibt Tipps, wie man Zeckenstiche vermeidet.

(wS/red) Siegen-Wittgenstein 21.06.2016 | Im Sommer passieren zwei Dinge gleichzeitig, die schlecht zusammenpassen: Viele Menschen suchen im Wald Erholung und die Zecken vermehren sich rasant, stets hungrig auf das Blut von Säugetieren und Menschen. Wir haben Försterin Christa Vitt-Lechtenberg um Auskunft über die kleinen, nicht ungefährlichen Quälgeister gebeten.

Zecken leben meist an Waldrändern, Wegrändern, in Waldlichtungen mit hohem Gras und warten oft monatelang auf Wirte. Sie lassen sich vom Gras oder von Gebüschen abstreifen. (Foto: luise  / pixelio.de)

Zecken leben meist an Waldrändern, Wegrändern, in Waldlichtungen mit hohem Gras und warten oft monatelang auf Wirte. Sie lassen sich vom Gras oder von Gebüschen abstreifen. (Foto: luise / pixelio.de)

Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 60.000-70.000 Menschen an der sog. Lyme-Borreliose. Das ist eine der häufigsten Zoonosen, also von Tieren auf Menschen übertragenen Krankheiten in Mitteleuropa. In Nordrhein-Westfalen sind etwa 10 Prozent der Zecken Überträger von Borrelien. Diese Bakterien lösen die Lyme-Borreliose aus. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder zehnte Zeckenstich zu einer Borreliose-Erkrankung führt. Die Infektionsgefahr hängt auch davon ab, wie lange die Zecke in der Haut bleibt. Wenn die Gestochenen die Zecke schnell bemerken und entfernen, ist die Infektionsgefahr gering. Bleibt eine Überträgerzecke aber mehrere Stunden in der Haut, steigt die Infektionsgefahr.

Foto: Thorben Wengert  / pixelio.de

Vollgesaugt mit Blut nehmen Zecken mitunter sehr große Ausmaße an. (Foto: Thorben Wengert / pixelio.de)

Zecken können auch FSME übertragen, die Frühsommer Meningoenzephalitis. Das ist eine Viruserkrankung, die schlimmstenfalls tödlich verlaufen oder schwere Hirnschäden verursachen kann. Sie ist viel seltener als die Borreliose; es gibt etwa 550 Infektionen pro Jahr. FSME-Viren treten fast nur in bestimmten Risikogebieten auf: vor allem in Österreich, der nördlichen Schweiz, BadenWürttemberg, Bayern und einzelnen Kreisen in Hessen und Rheinland-Pfalz. Der hessische Kreis Marburg-Biedenkopf ist das einzige Risikogebiet, das an Nordrhein-Westfalen angrenzt. NRW zählt nicht zu den FSME Risikogebieten. In den Risikogebieten wird die FSME-Schutzimpfung empfohlen. Sie schützt gut vor FSME, aber nicht vor Borreliose.

Wann und wo die Gefahr am größten ist

Früher waren vor allem Mai, Juni und Juli betroffen. Doch inzwischen geht die Zeckensaison bei uns fast das ganze Jahr lang. Das liegt an den milden Wintern, die uns wohl der Klimawandel beschert hat. Sobald es wärmer ist als 8 °C und feucht genug, lauern die Zecken auf Wirte.
Försterin Vitt-Lechtenberg nimmt zur Frage Stellung, ob die Zeckengefahr gestiegen ist: „Ja, die Zahl der Borreliose-Infektionen hat in den 2000er Jahren stetig zugenommen. Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass die Leute häufiger in den Wald gehen, durch Sportarten wie Mountain-Biking oder Geocaching oder zum Brennholzsammeln.“ Am ehesten lauern Zecken in hohem Gras und kleinen Gebüschen, wie man sie häufig an Waldrändern, Wegrändern im Wald, Bachufern und Waldlichtungen findet.

Wie man sich vor Zecken schützen kann

Am besten schützen sich Spaziergänger und Wanderer, indem sie auf den Wegen bleiben. Die Zecken lauern vor allem im hohen Gras und in niedrigen Gebüschen. Von Bäumen droht keine Zeckengefahr. Und wenn der Förster mal ins Gelände muss?
Vitt-Lechtenberg: „Im Gelände trage ich immer lange Hosen und lange Ärmel und empfehle die Strümpfe über die Hosenbeine zu ziehen, damit die Zecken nirgendwo reinkommen. Es hilft auch, nach einem Ausflug ins Gras Hosenbeine und Schuhe abzusuchen oder mit einer Kleiderbürste abzubürsten. Helle Kleidung ist besser als dunkle, weil man darauf die dunklen Zecken gut erkennen kann.“ Nach dem Ausflug ins Gelände sollten Kniekehlen, Achselhöhlen, Leistengegend, der Schritt und der Haaransatz nach Zecken abgesucht werden. Wird eine gefunden, die sich bereits festgesetzt hat, kommen Werkzeuge zum Einsatz: die Pinzette, die Zeckenzange oder die Zeckenkarte. Eins davon sollte man jetzt dabei haben. Die Pinzette sollte aus Edelstahl, spitz und am Ende etwas gebogen sein. Damit greift man die Zecke direkt über der Haut und zieht sie langsam mit leichter Drehung heraus. Ähnlich geht es mit der Zeckenzange, die aber meist bei Hunden und Katzen verwendet wird. Die Zeckenkarte aus Plastik hat eine Art Mund mit schlitzförmigem Spalt. Man schiebt sie so unter der Zecke durch, dass sie am Ende des Spalts hängen bleibt, und zieht sie langsam, leicht drehend, heraus. Manche Leute schaffen es auch, die Zecke mit den Fingernägeln zu packen.
Zum Töten hat sich die Methode bewährt, sie in ein gefaltetes Stück Papier zu legen und mit dem Rand eines Trinkglases darüber zugehen, um sie zu zerquetschen. Sie einfach ins Klo zu werfen, ist nicht sicher, weil sie da wieder herauskommen kann. In FSMERisikogebieten soll man die toten Zecken für Diagnosezwecke aufheben und das Datum des Zeckenstichs notieren. Und was tun, wenn der Kopf drinnen bleibt?
Vitt-Lechtenberg „Es bleibt nicht wirklich der Kopf zurück, sondern manchmal ein Teil der Mundwerkzeuge. Das ist kein Grund zur Panik. Das verschwindet normalerweise nach ein paar Tagen. Nur wenn der Stich tagelang gerötet bleibt und juckt, oder wenn sich eine ringförmige oder kreisförmige Hautrötung um den Stich herum bildet, die sog. Wanderröte, sollten Sie zum Arzt gehen.“
Auch können bei einer Borreliose-Infektion erkältungsähnliche Symptome auftreten wie Kopfschmerzen, Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen.

Zecken – was sind das für Tiere?

Die Zecken gehören zu den Milben, sind also mit den Spinnen verwandt. Der Holzbock – nicht zu verwechseln mit dem Hausbock, einem Käfer, der das Holz alter Häuser schädigt – durchläuft in seinem zwei- bis dreijährigen Leben drei Entwicklungsphasen: die mikroskopisch kleine Larve, die etwas größere Nymphe und das geschlechtsfähige, 2,5 bis 4,5 mm lange Tier. Nach der Blutmahlzeit schwillt der Hinterleib fast erbsengroß an. In jeder Phase fällt sie andere Tiere an, als Larve z. B. Reptilien und Vögel, als Nymphe Nagetiere oder Igel, als ausgewachsenes Tier Hunde, Katzen oder Menschen. Sie saugt sich mit Blut voll und wandelt sich dann in die nächste Phase um. Das Warten auf einen neuen Wirt kann Monate dauern; meist muss die Zecke, wenn sie die Entwicklungsphase gewechselt hat, zunächst überwintern.
Zecken können nicht springen, aber gut laufen. Sie riechen, wenn ein Säugetier oder Mensch in der Nähe ist, und lassen sich dann von Grashalmen oder Ästen eines Busches herunterfallen oder abstreifen. Wenn sie dabei zum Beispiel auf die Hose eines Menschen fallen, können sie von dort unters Hosenbein krabbeln, wenn das unten offen ist. Für den Stich suchen sie eine feuchte Stelle mit dünner Haut auf; etwa die Kniekehle, den Schritt, die Leistengegend, die Achselhöhle oder den Haaransatz. Zecken beißen nicht, sondern stechen: Sie schlitzen die Haut auf und bohren dann ihre Mundwerkzeuge hinein. Obwohl die viel dicker sind als bei einer Mücke, bemerken wir das zunächst kaum, weil der Speichel der Zecke betäubend wirkt.

Abschlussfrage: Soll man lieber gar nicht mehr in den Wald gehen? Vitt-Lechtenberg: „Nein, das wäre übertrieben. Es gibt ja viele Möglichkeiten, sich vor Zecken und vor der Infizierung zu schützen. Sie sollten nur ein wenig aufpassen.“

Daten und Fakten

Über 800 Zeckenarten gibt es weltweit, in Deutschland fünf. Am häufigsten: der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus). Er sticht auch am häufigsten Menschen und überträgt die Borreliose.

Zecken leben meist an Waldrändern, Wegrändern, in Waldlichtungen mit hohem Gras und warten oft monatelang auf Wirte. Sie lassen sich vom Gras oder von Gebüschen abstreifen.

Im Labor überlebten Zecken bis zu 10 Jahre ohne Nahrung.

60.000-70.000 Menschen pro Jahr erkranken in Deutschland nach Schätzungen an Lyme-Borreliose.

420 Erkrankungen mit FSME wurden 2013 gemeldet.

142 Kreise in Deutschland gelten derzeit als FSME-Risikogebiete; 72 davon in Bayern, 43 in Baden-Württemberg, weitere in Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

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