Von Fake-News bis postfaktisch

Jahrestagung des SFB „Medien der Kooperation“ an der Uni Siegen verdeutlichte, wie dringlich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Veränderungen durch digitale Medien ist

(wS/red) Siegen 13.12.2016 | Wer sich aktuelle „Herausforderungen an Infrastrukturen und Öffentlichkeiten“ als Diskussions-Thema setzt, der muss mitunter zur Kettensäge greifen. Der Soziologe Prof. Wolf-D. Bukow von der Universität Siegen hat es getan. Gemeinsam mit seinen Siegener Kollegen Prof. Dr. Sigrid Baringhorst, Prof. Dr. Volker Wulff und dem Publikum diskutierte Bukow zum Abschluss der ersten Jahrestagung des neuen Sonderforschungsbereichs (SFB) „Medien der Kooperation“ an der Universität Siegen. An drei Tagen haben sich die Siegener Mitglieder des Sonderforschungsbereichs zusammen mit internationalen Gastforschern über ihre Forschungsfelder im Siegener Artur-Woll-Haus ausgetauscht.

Prof. Dr. Sigrid Baringhorst (v.l.), Prof. Dr. Volker Wulff und Prof. Dr. Wolf-D. Bukow von der Universität Siegen. (Foto: Uni)

Prof. Dr. Sigrid Baringhorst (v.l.), Prof. Dr. Volker Wulff und Prof. Dr. Wolf-D. Bukow von der Universität Siegen. (Foto: Uni)

Kettensägen, die hat Bukow in einem Museum in Neuseeland gesehen. Die Relevanz von Kettensägen für Infrastrukturen und Öffentlichkeiten erschließt sich erst aus dem historischen Kontext. Laut Bukow stehe die Kettensäge für die Geschichte der Besiedlung Neuseelands und gleichzeitig für die systematische Dezimierung der dort heimischen Kauri-Bäume. Die Kauri-Bäume gehören zum natur-kulturellen Erbe der Ureinwohner Neuseelands, der Maori. Für die Maori haben die Bäume mythische und spirituelle Bedeutung und für die neuseeländischen Siedler lieferten sie ideales Holz zum Schiffbau. Das Kettensägen-Museum ist daher weniger ein Anziehungspunkt für Technik-Fans und Holzfäller als ein Ort der kulturellen Erinnerung. „Ein Phänomen wird erst im Kontext spannend“, sagte Bukow.

Nicht anders verhält es sich mit aktuellen Phänomenen. Sie werden spätestens dann spannend und sichtbar, wenn sie das gesellschaftliche Zusammenleben gefährden: Wenn „Fake-News“, gefälschte Nachrichten, sich über soziale Netzwerke verbreiten und, wie just in den USA geschehen, zu einer realen Schießerei führen, wird offensichtlich, wie unzureichend das Wissen über digitale Medien und mediale Infrastrukturen noch immer ist. Dies gilt nicht nur für aktuelle Phänomene. Mit dem Web 2.0 sind auch Strukturen und Öffentlichkeiten entstanden, die eine Kontrollfunktion gegenüber staatlicher Gewalt ausüben, die zuvor Massenmedien vorbehalten war. Plattformen wie Lobbywatch, Abgeordnetenwatch, Foodwatch etc. ermöglichen Bürgern eine Kontrolle von Wirtschaft und politischer Gewalt. Für die Politikwissenschaftlerin Sigrid Baringhorst ist noch unsicher, ob diese Plattformen die repräsentative Demokratie stärken oder ihr schaden. Disziplinübergreifend müssen sich Wissenschaftler der aktuellen Herausforderung des „postfaktischen Zeitalters stellen“. Wie reagiert die Forschung, wenn Fakten nicht mehr anerkannt werden?

Antworten auf diese und weitere Forschungsfragen zu finden, ist Aufgabe des Sonderforschungsbereichs „Medien der Kooperation“ in den kommenden vier Jahren. Mehr als 60 Wissenschaftlern aus allen vier Fakultäten der Universität Siegen forschen über digitale Medien und deren Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Abschlussdiskussion der ersten Jahrestagung des SFB vom 8. bis 10. Dezember 2016 lieferte einen kleinen aber bedeutenden Ausblick auf dieses Vorhaben.

Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich „Medien der Kooperation“ unter www.mediacoop.uni-siegen.de

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