Bodenwischen für die Wissenschaft

Wissenschaftler der Universität Siegen analysieren neue Produkte, um sie für Kunden so ergonomisch wie möglich zu gestalten.

(wS/red) Siegen 26.06.2018 | 40 Testpersonen wischen nacheinander einen Laborboden mit einem Bodenreinigungssystem, insgesamt 140 Stunden lang. Alle Testpersonen sind mit Sensoren verkabelt, die die muskuläre Aktivität einzelner Muskeln aufzeichnen. Zusätzlich wird der gesamte Mensch über ein Bewegungsanalysesystem als 3D-Modell abgebildet, sodass jede Bewegung und Körperhaltung analysiert werden kann. Forscherin Sandra Groos vom Department Maschinenbau der Universität Siegen sitzt vor ihrem Computer und verfolgt live die Daten, die die Sensoren übermitteln. Wie stark fällt die Beanspruchung einzelner Muskeln aus, wie weit wird der Oberkörper nach unten gebeugt oder wie stark das Handgelenk ausgelenkt? Groos arbeitet am Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft/Ergonomie und analysiert das Produkt. Regelmäßig fragen renommierte Unternehmen aus der ganzen Welt am Lehrstuhl an, ob die Wissenschaftler der Uni Siegen ihre Produkte testen, bewerten und Tipps für Verbesserungen geben können.

Die Forscher wollen mit den Labortests körperliche Fehlhaltungen dokumentieren und messen, wie anstrengend die Arbeit ist. (Fotos: Uni)

Das Bodenwischsystem mit langem Stiel und einem Tank für Reinigungsflüssigkeit kommt von einem Unternehmen aus den USA. Dieses ist Marktführer für Fensterputzsysteme und möchte mit dem Bodenwischer jetzt einen neuen Markt erschließen. Das Gerät wird von Putzunternehmen eingesetzt, zum Beispiel in der Gastronomie, um nicht nur Staub und Dreck, sondern auch Flüssigkeiten und Scherben wegzuwischen. Für die Produkttests suchte Prof. Dr. Karsten Kluth, Leiter des Lehrstuhls Arbeitswissenschaft/Ergonomie, über Facebook Probanden. „Uns war wichtig, dass die Testpersonen keine professionelle Putzerfahrung haben“, erklärt er.

Alle Testpersonen sind mit Sensoren verkabelt, die die muskuläre Aktivität einzelner Muskeln aufzeichnen.

Professor Kluth und Groos wollen mit den Labortests körperliche Fehlhaltungen dokumentieren und messen, wie anstrengend die Arbeit ist. Elektromyographie heißt die Methode zur Datenerhebung der körperlichen Beanspruchung mittels auf die Haut aufgeklebter Sensoren. „In diesem Fall geht es uns vor allem um die kleinen Details, die verbessert werden können, um die Arbeit mit dem handgeführten Bodenreiniger zu erleichtern und die ein gutes Produkt zu einem sehr guten Produkt werden lassen“, sagt Kluth. Die WissenschaftlerInnen prüfen zum Beispiel, ob der Griff ergonomisch gestaltet ist und dokumentieren wie am Ende das empfohlene Design des Reinigers die Putzkräfte weiter entlasten könnte. Etwa 100 Personen wollten an den Tests teilnehmen, 40 wurden schließlich ausgewählt, die meisten von ihnen Studierende.

Die Wissenschaftler sitzen vor ihrem Computer und verfolgen live die Daten, die die Sensoren übermitteln.

Der Ablauf sieht so aus: Jeder Testdurchlauf dauert dreieinhalb Stunden und es werden pro Testperson insgesamt 360m² Boden gewischt. Vorher wurde dieser mit eingefärbter Flüssigkeit eingesprüht. „Eine definierte Menge Dreck auf einer definierten Fläche muss möglichst gut entfernt werden“, erläutert Kluth. Neben der Ergonomie des Bodenreinigers testen die WissenschaftlerInnen auch dessen Reinigungsfähigkeit. Wie leistungsstark ist das Produkt, wie schnell und gut wischt es die Flüssigkeit weg, auch im Vergleich mit anderen handgeführten Reinigern? Nach dem Putzen werden alle Personen zu ihrer Meinung befragt. Zu den objektiven Daten kommen die subjektiven Eindrücke der Probanden.

Alle Produktempfehlungen zusammengefasst, geben die ForscherInnen in einem Bericht an das Unternehmen zurück. Darin bewerten sie die Qualität und unterstützen damit die Entwicklung des Produkts. Solche Produkttests haben die Wissenschaftler zuvor zum Beispiel schon für verschiedene Handwerkzeuge, innovative Computer-Mäuse und – ganz aktuell – für einen im Nachgang sogar mit einem Ergonomiepreis ausgezeichneten Paketbandabroller gemacht. Ihre Tests sind nicht nur im Labor, sondern auch im Industrie-, Handels- und Dienstleistungsbetrieb möglich. Damit können die Forscher mithilfe von High-Tech-Sensoren auch Arbeitsplatzanalysen vor Ort anfertigen, was unter anderem den Dienstplan der Siegener Feuerwehrhauptwache schon mehrfach bereicherte. „Auch Feuerwehrleute sollen bei ihrer anstrengenden Arbeit die bestmöglichen Arbeitsmittel nutzen können. Am Ende haben beide Seiten einen Gewinn erzielt, der von der Arbeitsgruppe beratene Produktentwickler und die Arbeitsgruppe selbst, die mit dem erwirtschafteten Gewinn aus dem Drittmittelprojekt die technische Ausstattung auf einem hohen Niveau hält“, sagt Kluth Das freut dann auch die Studierenden, wenn sie in Laborübungen und bei Abschlussarbeiten diese Ausstattung selbst anwenden dürfen.

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