(wS/red) Netphen 11.11.2024 | Depression – eine Krankheit, die leider noch immer zu wenig Beachtung findet und oft mit Scham und Stigmatisierung behaftet ist. Doch Depression kann jeden treffen, und das schneller, als man denkt. Thorsten Görg, ein engagierter Mann mit vielen beruflichen und gesellschaftlichen Aufgaben, möchte Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, Mut machen und ihnen zeigen, dass ein Weg zurück ins Leben möglich ist. Sein persönlicher Weg ist eine Geschichte von Tiefschlägen, aber auch von Hoffnung, Rückhalt und einem offenen Umgang mit seiner Erkrankung.
„Im Jahr 2018 habe ich zum ersten Mal Erfahrungen mit der Depression gemacht“, erzählt Thorsten Görg. Zu dieser Zeit erlebte er eine schwere Phase in seinem Leben, geprägt von Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und einer völligen Leere im Kopf. „Es war ein Gefühl der Ausweglosigkeit“, erinnert er sich. Doch mit der richtigen medikamentösen Behandlung und etwas Geduld konnte er sich damals wieder fangen und das normale Leben weiterführen. Die nächsten vier Jahre waren zunächst von einer Stabilität geprägt, doch 2022 trat der Rückschlag ein, der seine Welt erneut ins Wanken brachte.
„Es war das Jahr 2022 – mehrere plötzliche Trauerfälle im Freundeskreis, die anhaltende Krise durch die Pandemie und der damit verbundene Stress“ – all das nahm ihm die Energie. Thorsten Görg zog sich immer weiter aus seinem aktiven Leben zurück. Als Betriebsratsvorsitzender der Utsch AG, Vorsitzender des Heimatvereins, Stadtratsmitglied der UWG im Rat der Stadt Netphen und Mitglied der örtlichen Feuerwehr in Grissenbach hatte er viele Verpflichtungen, doch plötzlich war die Lust, sich weiterhin aktiv zu engagieren, verschwunden. Müdigkeit, trübe Gedanken und das Gefühl, von allem überfordert zu sein, übernahmen zunehmend seinen Alltag.
Ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung und eine medikamentöse Behandlung brachten zunächst nur eine kurzfristige Besserung. Die Situation verschlechterte sich weiter. „Ich hatte einfach keine Lust mehr, aktiv zu sein“, sagt Görg. Selbst seine Familie, seine Frau Anja, seine Stiefkinder, seine Schwester und sein Bruder, die stets an seiner Seite standen, konnten nicht mehr zu ihm durchdringen. Der Rückzug war total. „Es war, als ob ich in einer dunklen Wolke lebte, aus der ich keinen Ausweg mehr sah“, beschreibt er seine Gedanken zu dieser Zeit.
Der Punkt, an dem es für ihn fast zu spät war, kam schließlich im Mai 2023. Die Last der Krankheit, der sozialen Isolation und der Gedanken, dass es keinen Ausweg mehr gebe, führte zu einem verzweifelten Suizidversuch. „Ich dachte, wenn ich mir die Tabletten einwerfe, ist endlich Ruhe. Einfach einschlafen, und alles wäre vorbei“, erklärt Görg. Doch zum Glück fand seine Frau Anja ihn noch rechtzeitig, und er kam auf die Intensivstation des Kreisklinikums Siegen. „Ich empfand es damals als feige, den Weg so gewählt zu haben“, gibt er heute offen zu. „Aber die Krankheit ließ mich glauben, dass es keinen anderen Ausweg gäbe.“
Nach dem Aufenthalt auf der Intensivstation trat eine Wendung in seinem Leben ein. Er entschloss sich freiwillig, in die psychiatrische Station des Kreisklinikums zu gehen, wo er nach und nach wieder Hoffnung schöpfte. „Ich fühlte mich plötzlich verstanden“, sagt er. Mit der Hilfe von Medikamenten und einer speziellen Elektrokrampftherapie (EKT) unter der Leitung von Dr. Peter Plum sowie einem insgesamt dreimonatigen Krankenhausaufenthalt begann er, sich langsam aus dem dunklen Loch zu befreien. „Es war ein langer Weg, aber ich begann zu verstehen, dass es einen Weg zurück ins Leben gibt.“
Thorsten Görg erzählt, wie die Angst, wie sein Umfeld reagieren würde, ihn anfangs lähmte. Doch er war überrascht, wie positiv die Reaktionen waren. „Die Menschen haben mich unglaublich unterstützt, und das hat mir Kraft gegeben. Das hat mich dazu bewogen, offen über meine Depression zu sprechen. Ich wollte anderen zeigen, dass es trotz der Dunkelheit immer einen Lichtblick gibt und das Leben nicht vorbei ist.“

Thorsten Görg
Um noch mehr Menschen zu helfen, gründete Thorsten Görg im Januar 2024 mit Unterstützung der Diakonie Siegen die Selbsthilfegruppe „Zurück ins Leben“. Die Gruppe ist ein Raum für Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und sich in einer zwanglosen Atmosphäre austauschen können. „Wir treffen uns einmal im Monat, am letzten Dienstag des Monats, im Hotel Fünf10 in Netphen-Deuz“, erklärt Görg. „Es ist eine Gruppe von Betroffenen für Betroffene, wo sich jeder einbringen kann, aber auch einfach nur zuhören kann, wenn einem danach ist. Im Moment sind wir 6 bis 8 Personen, und für weitere Teilnehmer wäre noch Platz.“ Interessierte können sich per E-Mail unter gorgthorsten@gmail.com melden.
„Ich habe durch die offene Auseinandersetzung mit meiner Depression viel über mich selbst gelernt. Und besonders die Unterstützung meiner Familie – meiner Frau Anja, die mich jeden Tag im Krankenhaus besuchte – war für mich von unschätzbarem Wert. Solche Rückhalt ist nicht selbstverständlich, und ich weiß, wie wichtig dieser Rückhalt für Betroffene ist“, sagt Görg. Denn nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch ihre Familien sind mit der Krankheit konfrontiert. „Die Krankheit Depression ist auch für die Angehörigen schwer. Oft zerbrechen Beziehungen, wenn der Betroffene sich zurückzieht oder die Depression nicht erkannt wird. Es ist von großer Bedeutung, dass man sich als Familie gegenseitig unterstützt.“
Görg möchte mit seiner Geschichte vor allem eines: „Ich hoffe, dass ich anderen Betroffenen Mut machen kann, ebenfalls offen mit ihrer Krankheit umzugehen. Es ist wichtig, sich Hilfe zu suchen, sei es durch professionelle Unterstützung oder durch den Austausch mit anderen Betroffenen.“ Er möchte zeigen, dass es trotz der dunklen Zeiten möglich ist, wieder Hoffnung zu finden und das Leben neu zu entdecken.
„Krank werden ist nicht schlimm“, sagt Görg, „schlimm sind die, die negativ über Betroffene sprechen, ohne jemals mit der Krankheit in Kontakt gekommen zu sein. Diese Vorurteile müssen überwunden werden. Depression ist eine Krankheit, und darüber zu sprechen, ist der erste Schritt, um zu heilen.“
Abschließend sagt Thorsten Görg: „Wenn dieser Bericht nur einem Menschen hilft, dann hat er seinen Sinn erfüllt. Depression ist nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas, das man gemeinsam überwinden kann. Es gibt immer einen Weg zurück ins Leben.“