„Es gibt noch viel zu tun“
(wS/red) Siegen 11.08.2016 | Dr. Elisabeth Heinrich kümmert sich für weitere vier Jahre um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern an der Universität Siegen. Am 20. August tritt sie ihre neue Amtszeit als Gleichstellungsbeauftragte an – mit großen Zielen.
„Wenn es hier in Siegen endlich eine Physik-Professorin gäbe, das wäre toll!“ Dr. Elisabeth Heinrich, alte und neue Gleichstellungsbeauftragte der Universität, hat sich für die kommenden Jahre viel vorgenommen: Zum Beispiel, den Frauen-Anteil bei den Professoren weiter zu steigern. Aktuell liegt er an der Uni Siegen bei rund 25 Prozent. Im bundesweiten Vergleich sei das nicht schlecht, meint Heinrich, sagt aber: „Vor allem der naturwissenschaftlich-technische Bereich ist immer noch größtenteils eine Männerdomäne.“ Auch um das zu ändern, habe sie sich entschieden, noch einmal für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten zu kandidieren. Am 15. Juni 2016 hat der Senat der Universität sie und ihre vier Stellvertreterinnen offiziell gewählt. Elisabeth Heinrich ist damit nun schon seit zehn Jahren hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Uni Siegen.
Die Situation der Frauen habe sich in dieser Zeit enorm verändert, berichtet sie – vor allem was die Vereinbarkeit von Beruf oder Studium und Familie betrifft: „In meiner Anfangszeit war das Thema ‚Familie‘ für Frauen an der Hochschule noch mehr oder weniger ein Tabu – und zwar nicht nur hier in Siegen. Wenn zum Beispiel eine wissenschaftliche Mitarbeiterin mitgeteilt hat, dass sie ein Kind bekommt, kamen gleich Fragen wie: ‚Macht die jetzt überhaupt weiter?‘ und ‚Schafft die das?‘ Das ist heute zum Glück anders.“ Es sei inzwischen selbstverständlicher geworden, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen auch Kinder bekommen, sagt Heinrich: „Die Lehrstühle kommen dann oft mit konkreten Fragen zu uns ins Gleichstellungsbüro, um zu klären, wie sich der Mutterschutz, die Elternzeit und die Rückkehr in den Job am besten organisieren lassen. Da hat sich die Denkweise sehr verändert.“
Die Denkweise ist das eine – ebenso wichtig ist aber der Aufbau einer familiengerechten Infrastruktur. Diesen Aufbau hat Elisabeth Heinrich, selbst Mutter von drei Kindern, an der Uni Siegen maßgeblich vorangetrieben. Geschaffen wurde zum Beispiel das Familienservicebüro, das Eltern zu Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie berät. An allen Uni-Standorten gibt es mittlerweile Eltern-Kind-Räume mit Wickelmöglichkeiten und Breiwärmern. In der Kinderbetreuungseinrichtung „Flexi“ können Kinder auch über kürzere Zeiträume flexibel betreut werden, dazu kommt die Ferienbetreuung für Kinder von Beschäftigten und Studierenden. Maßnahmen, für die die Universität Siegen seit 2006 das Zertifikat „familiengerechte Hochschule“ trägt. 2016 hat die Uni es zum vierten Mal in Folge erhalten.
Elisabeth Heinrich war und ist es außerdem wichtig, Nachwuchswissenschaftlerinnen gezielt zu fördern. Dafür gibt es seit 2009 das Mentoring-Programm FraMeS, in dem Frauen von Mentor*innen bei der Karriereplanung unterstützt werden. Außerdem bietet FraMeS regelmäßig spezielle Workshops an, ebenso wie die schon länger bestehende Reihe „Women Career Service“. „Die Karrierenachteile von Frauen sind meist struktureller Art“, erklärt Heinrich. „Das Potenzial und die Leistungsbereitschaft wird bei Frauen weniger wahrgenommen, als bei Männern.“ In den Programmen gehe es deshalb darum, die Frauen zu stärken: „Sie müssen sich an den Lehrstühlen besser positionieren, auf eigene Leistungen hinweisen und Wünsche formulieren – zum Beispiel: ‚Ich möchte zu der Tagung fahren‘ oder: ‚Ich möchte bei dem Drittmittelantrag mitarbeiten‘.
Damit sich die Karrieremöglichkeiten für Frauen an der Universität verbessern, müssen aber auch die Chefs ins Boot geholt werden, betont die Gleichstellungsbeauftragte. Für die Zukunft plant sie Workshops speziell für Führungskräfte und Professoren – zum Beispiel zu Themen wie „gender- und familiengerechte Personalführung“. Insgesamt möchte Heinrich die Aufmerksamkeit für Gender-Themen erhöhen. So hat sie an der Gründung des Siegener Zentrums für Genderstudies (Gestu_S) mitgewirkt, um Gender-Forscher stärker miteinander zu vernetzen. Für Studierende bietet das Zentrum schon länger Zertifikate im Bereich Gender-Studies an. Künftig soll es solche Gender-Zertifikate auch für Beschäftigte der Uni geben.
Auf der Agenda von Heinrich und ihrem Team steht außerdem das Thema „Sprache“: Sie soll an der Universität möglichst frei sein von Benachteiligung und Diskriminierung. Dazu erarbeitet das Gleichstellungsbüro aktuell einen „Leitfaden geschlechtergerechte Sprache“: „Die Sprache ist wichtig, in ihr zeigt sich die Kultur einer Institution“, sagt Heinrich: „Der kulturelle Wandel hier an der Uni ist harte Arbeit, der kommt nicht von selbst.
Auch die Erhöhung des Frauenanteils bei den Professuren sei kein Selbstläufer, sagt die Gleichstellungsbeauftragte. Dafür soll in Zukunft für jedes einzelne Fach mit einer spezifischen Frauenquote gearbeitet werden: „Wir haben geschaut, wie viele berufungsfähige Frauen es zum Beispiel im Bereich ‚Bauingenieurwesen‘ oder ‚Elektrotechnik‘ bundesweit gibt. Daraus haben wir für jedes Fach eine Quote errechnet – und werden uns bemühen, sie bei Berufungsverfahren einzuhalten.“ Geeignete Bewerberinnen sollen gezielt auf Ausschreibungen hingewiesen werden. Eine Art Head-Hunting für Professorinnen, erklärt Heinrich: „Der Aufwand ist natürlich hoch. Aber wenn wir das Quorum geeigneter Bewerberinnen erhöhen, steigt die Chance, dass wir am Ende tatsächlich eine Frau berufen können.“ Vielleicht ja auch eines Tages eine Physik-Professorin.
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