Wisent-„Sensation“ in Bad Berleburg: Kälbchen kam völlig unerwartet auf die Welt

ws/wi  Bad Berleburg   –  Die Wisent-Herde in Bad Berleburg hat erneut Nachwuchs bekommen. Völlig unerwartet hat Gutelaune am 7. Dezember ein weibliches Kälbchen geboren. Der Vater ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Bulle Egnar. Egnar ist auch der Erzeuger der Queen vom Rothaarsteig, die am 16. August das Licht der Welt erblickte. „Das ist eine Sensation“, unterstreicht der erste Vorsitzende des Trägervereins, Bernd Fuhrmann.

Bisher waren Tierärzte und Wissenschaftler davon ausgegangen, dass Gutelaune keinen Nachwuchs zur Welt bringen kann. Denn das Tier war bei seiner Ankunft in Bad Berleburg im vergangenen Jahr in keinem guten Gesundheitszustand. In der Zwischenzeit hat es sicher aber prächtig erholt und fühlt sich im Rothaargebirge sichtlich wohl. Das von Gutelaune geborene neue Kälbchen hat bislang noch keinen Namen. Aber auch so wurde es von der Verwandtschaft schon in Augenschein und gut in der Herde aufgenommen. Insbesondere die Queen vom Rothaarsteig hat sich schon mit ihrer Halbschwester angefreundet und gespielt.

Am Mittwoch dieser Woche waren mit Faye und Fasel die ersten beiden Wisent-Kühe für die neue „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ eingetroffen. Sie kamen aus dem Wildpark Alte Fasanerie in Hanau. Sie bilden künftig mit weiteren Artgenossen den Grundstock für die Wisent-Herde in der gerade entstehenden „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“. Die „Wisent-Wildnis“ ist das „Guckloch“ in das Artenschutzprojekt zur Wiederansiedlung der Wisente im Rothaargebirge. Sie wird 2012 eröffnet.

In Bad Berleburg gibt es jetzt also zwei Wisent-Herden. Die eine wird seit März 2010 im Auswilderungsareal auf die Freisetzung in einem 4.300 Hektar großen bewirtschafteten Wald vorbereitet. Dies soll Ende 2012 geschehen. Die zweite Herde mit Fasel, Faye und anderen ist dagegen in der „Wisent- Wildnis am Rothaarsteig“ zuhause. Diese zweite Herde ist praktisch der „touristische Arm“ des für Westeuropa bisher einzigartigen Artenschutzprojektes. Denn Wanderer werden die „Ursprungs-Herde“ im 4.300 Hektar großen Wald wegen der geringen Anzahl und dem menschenscheuen Verhalten praktisch nicht zu Gesicht bekommen.

Zu Fasel und Faye haben sich nun bereits am Freitag Gutelaune und ihr Kälbchen gesellt. Während das Kälbchen einfach eingefangen werden konnte, musste Gutelaune für den Umzug narkotisiert werden. Das galt auch für Bulle Horno, der ebenfalls am Freitag in die „Wisent-Wildnis“ umgezogen ist. Dort leben jetzt also schon fünf Tiere. Zwei weitere Wisent-Kühe werden zu Beginn des kommenden Jahres die Herde komplettieren. Sie soll sich dann in dem rund 20 Hektar großen wildromantischen und naturbelassenen Areal natürlich bis auf maximal zwölf Tiere vermehren.

Allerdings, unterstrich Bernd Fuhrmann, befindet sich das neugeborene Kälbchen in keinem guten Gesundheitszustand. In der Auswilderungsherde hätte es aber kaum Chancen auf ein Überleben gehabt, so die Einschätzung der begleitenden Wissenschaftler und des Kreisveterinärs Dr. Wilhelm Pelger, da das Kälbchen ungewöhnlich spät im Jahr und in Schnee und Kälte unter widrigen Bedingungen geboren wurde. Außerdem ist es nicht sicher, dass Mutter Gutelaune ausreichend Milch geben kann. Da die Auswilderungs- Herde Teil des Artenschutzprojektes ist, wird der Mensch dort auch grundsätzlich nicht eingreifen. Dies ist in der „Wisent-Wildnis“ anders. „Wir hoffen deshalb alle zusammen, dass das Kälbchen überleben wird“, sagt Bernd Fuhrmann.

 

Der Umzug von Gutelaune und Horno aus dem Auswilderungsareal in die „Wisent-Wildnis“ war ursprünglich für den 28. Dezember geplant. Dieser wurde aber einerseits jetzt wegen der Geburt des Kälbchens vorgezogen. Andererseits trägt der mehrfache Neuzugang in der Wildnis auch dazu bei, schnell eine stabile Herdenstruktur zu etablieren.

Das ist gerade für Fasel und Faye wichtig, die aus Hanau gekommen waren. Denn die neugierige Faye hatte sich am Donnerstag zu einem Spaziergang außerhalb des Außenzauns aufgemacht. Sie nutzte dafür eine menschliche Unachtsamkeit. Denn ein Tor im Außenzaun war statt mit einem Schloss, nur mit einem Holzpfropf geschlossen, der dann aber vom Sturm gelöst worden war. „Und ausgerechnet diese einzige Lücke hat Faye entdeckt“, berichtet der zweite Vorsitzende des Vereins, Paul Breuer. Da derzeit Bauarbeiten im Gelände stattfinden und noch keine Besucher in das Gelände dürfen, ist auch der Innenzaun noch nicht komplett geschlossen. Die Tiere können sich also noch zwischen Innen- und Außenzaun bewegen.

Für Mensch und Tier besteht aufgrund des Spaziergangs von Faye aber kein Anlass zur Sorge. „Denn wir wissen genau, wo sich das Tier befindet“, betont Paul Breuer. Es habe sich erwartungsgemäß nicht auf Wanderschaft begeben, denn Wisente seien ortstreu und herdenbezogen. So marschiert Faye auf der Außenseite des Zauns entlang, auf der Suche nach dem Weg zurück in die „Wildnis“ zu ihren Artgenossen. Mit einer Futterspur wird sie nun auf den rechten Weg gelockt.

Grundsätzlich hätte es die Möglichkeit gegeben, Faye mit einem Narkosepfeil zu betäuben und dann in die Wildnis zu bringen. Da die Kuh aber schon am Mittwoch für den Transport aus Hanau betäubt worden war, wurde diese Möglichkeit ausgeschlossen. Faye soll deshalb nun in Ruhe und entspannt ihren Weg zurück in die neue Heimat finden.

Gleichzeitig wird nun auch der Innenzaun geschlossen, um künftig solch ungeplante Ausflüge zu unterbinden. Das Artenschutzprojekt in einem bewirtschafteten Wald im Eigentum von Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein Berleburg wird vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein- Westfalen sowie vom Kreis Siegen-Wittgenstein, der Stadt Bad Berleburg und zahlreichen privaten Sponsoren gefördert.

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