Nach dem Ende der Notunterkunft auf dem Haardter Berg setzt sich die Universität Siegen weiter für geflüchtete Menschen ein. Das Projekt „Geflüchtete helfen Geflüchteten“ unterstützt sie dabei, ein Studium an der Uni zu absolvieren.
(wS/red) Siegen 25.08.2016 | Mohammed Ali Anis stammt aus dem syrischen Aleppo und ist vergangenen Oktober nach Deutschland gekommen. Seine erste Station damals: Die ehemalige Notunterkunft für Flüchtlinge in der Turnhalle der Universität Siegen. Ein Dreivierteljahr später hat der 22-Jährige das Feldbett in der Turnhalle gegen ein Zimmer im Studentenwohnheim eingetauscht. Die Zulassung zum Informatikstudium an der Uni hat er in der Tasche. Gerade absolviert er den dafür notwendigen Deutschkurs. Dass er so schnell „angekommen“ ist, verdankt Mohammed Ali Anis auch dem Projekt „Geflüchtete helfen Geflüchteten“.
Angesiedelt bei der Abteilung „Deutsch als Fremdsprache“ unterstützt dieses Projekt Geflüchtete dabei, ein Studium an der Uni Siegen aufzunehmen – und es erfolgreich abzuschließen. Das Besondere: Die Mitarbeiter haben selbst eine Fluchtgeschichte, kennen die Sorgen ihrer „Klienten“ also genau. Majdi Bido zum Beispiel: Der 30-Jährige kommt ebenfalls aus Syrien, lebt aber schon seit zwei Jahren in Deutschland. Mittlerweile spricht er fließend Deutsch und studiert an der Uni Siegen Wirtschaftsinformatik. Als studentische Hilfskraft unterstützt er die Projekt-Verantwortlichen dabei, andere Geflüchtete bei allen Fragen rund um das Studium zu beraten.
Was kann und will ich überhaupt studieren? Wie funktioniert die Zulassung? Wie bekomme ich einen Wohnheimplatz und eine Krankenversicherung? Und wie kann ich mein Studium finanzieren? In all diesen Fragen ist Majdi Bido längst Experte, kennt sich mit allen notwendigen Formularen aus. „Die Amtssprache darin ist teilweise wirklich schwer zu verstehen“, sagt er. „Viele können mit bestimmten Begriffen gar nichts anfangen. Sie wissen zum Beispiel nicht, was eine Meldebescheinigung oder eine beglaubigte Kopie ist – und wo man diese herbekommt.“ Majdi Bido und seine Kolleg*innen unterstützen bei Behördengängen, organisieren Informationsveranstaltungen und klären über kulturelle Unterschiede auf.
„Gerade die kulturelle Dimension ist enorm wichtig“, sagt der Projektverantwortliche der Abteilung „Deutsch als Fremdsprache“, Christian Gerhus. Wer aus demselben Land kommt, wie die Geflüchteten und ihre Kultur teilt, könne die Spielregeln in Deutschland einfach besser vermitteln: „Hier ist ein ,Nein‘ bei bürokratischen Vorgängen zum Beispiel ein klares ,Nein‘ – und keine Verhandlungsbasis. Solche Unterschiede können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz anders erklären und rüberbringen, als ich das könnte.“ Die studentischen Hilfskräfte haben die Herausforderungen einer erfolgreichen Integration in Deutschland schließlich schon selbst gemeistert. „Für ihre Landsleute erfüllen sie damit auch eine Vorbildfunktion“, sagt Gerhus.
In der Vorbildrolle fühlt sich Majdi Bido nicht ganz wohl. Er möchte einfach helfen. Das hat er in seinem alten Leben in Syrien auch beruflich getan: Dort war er sechs Jahre lang in der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen beschäftigt. Dass er jetzt auch in Deutschland Menschen helfen kann, ist für Bido „eine große Befriedigung“. Schon in der Notunterkunft für Flüchtlinge in der Uni-Turnhalle war er als ehrenamtlicher Dolmetscher tätig.
Seit Juli 2015 hatte die Universität Siegen gemeinsam mit der Stadt in dieser Notunterkunft Geflüchtete aufgenommen: Insgesamt 2.393 Menschen aus 33 Ländern. Im Rahmen verschiedener Projekte haben Studierende die Geflüchteten in fast allen Bereichen des alltäglichen Lebens unterstützt, 50 Stellen für studentische Hilfskräfte hatte die Universität dafür insgesamt geschaffen. Das Projekt „Geflüchtete helfen Geflüchteten“ ist aus diesem Engagement hervorgegangen. Finanziert wird es vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).
Mohammed Ali Anis ist einer von insgesamt etwa 60 Geflüchteten, die aktuell an der Uni Siegen eingeschrieben sind. Über die Chance, hier sein Informatik-Studium fortsetzen zu können, ist er „mehr als glücklich.“ Seine Zukunft sieht der 22-Jährige in Deutschland: „Nach dem Abschluss werde ich mir hier eine Arbeit suchen. In Syrien habe ich zu viele schlimme Dinge erlebt.“
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