Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Südwestfalen feiert Jubiläum

25 Jahre Tagesaufenthalt, Beratungsstelle und Dezentrales Teilstationäres Wohnen (DTW) – Klientel verändert sich und wird mehr  

(wS/red) Siegen 29.09.2017 | Fabian (23) ist regelmäßig Gast im Café Patchwork. Auch heute sitzt er wieder an einem der Tische, das Handy in der Hand. Seit wann er hierherkommt? Fabian zuckt mit den Achseln. Er wisse gar nicht mehr, wann sein Leben so richtig aus den Fugen geraten sei – „normal war es eigentlich noch nie“, sagt er. Ein Elternhaus habe er nicht wirklich gehabt, seit seinem 13. Lebensjahr habe er in verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe gewohnt, sei mehrmals ausgerissen. Einen regelmäßigen Schulbesuch habe es nicht gegeben. Was er denn macht, wenn er nicht hier ist? So ein Tag sei lang, meint Fabian nach einigem Nachdenken, zu tun gäbe es nicht viel. Fabian ist nur einer von vielen Klienten, denen die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Südwestfalen seit 25 Jahren helfen.

Seit 25 Jahren gibt es den Tagesaufenthalt, die Beratungsstelle und das Dezentrale Teilstationäre Wohnen der Diakonischen Wohnungslosenhilfe in Siegen. Die Mitarbeiter Birgit Starke, Matthias Risse, Frank Kutschke und Dirk Strauchmann (von links) organisierten einen Tag der offenen Tür, um das Jubiläum zu feiern. (Foto: Diakonie)

„Unser Klientel hat sich verändert“, schildert Koordinator Frank Kutschke die Entwicklung. „Viele denken beim Begriff Wohnungslosenhilfe klischeehaft an Obdachlose, die auf Parkbänken übernachten. Die wenigsten unserer Klienten passen in dieses Klischee.“ Vielmehr sind es häufig jüngere Menschen wie Fabian, die aus schwierigen Verhältnissen kommend es nicht schaffen, sich ein normales Leben aufzubauen. Sie sind kaum zu motivieren, resignieren schnell und geben bei Problemen frühzeitig auf. Kutschke: „Wenn da aufgrund nicht bezahlter Rechnungen der Strom zu Hause gesperrt wird, stecken sie den Kopf in den Sand statt das Problem anzugehen.“ Diese Haltung führt dann früher oder später unweigerlich in die Wohnungslosigkeit. Wer Glück hat, hat Freunde, bei denen er unterkommen kann und wird nicht gleich obdachlos. Aber genauso kommen auch Haftentlassene, Suchtkranke oder in die Altersarmut geratene Rentner hierher.

Seit 1992 existieren bereits Beratungsstelle und Tagesaufenthalt in Siegen – zunächst in der St. Johann-Straße 2, seit 1998 am jetzigen Standort in der Herrenwiese 5. „In den vergangenen 25 Jahren ist die Zahl unserer Klienten stetig gewachsen“, weiß Sozialarbeiterin Birgit Starke, eine Frau der ersten Stunde. Waren es zu Beginn 162 Klienten (11 davon weiblich), nutzten in den vergangenen Jahren durchschnittlich 550 Personen das Beratungsangebot, im Jahr 2016 waren es sogar 827, allerdings bedingt durch den Zuzug von Flüchtlingen und arbeitsuchenden EU-Bürgern. Neben der  Beratung leisten die Mitarbeiterinnen in der Beratungsstelle auch ganz praktische Hilfeleistung. Sie begleiten Ratsuchende zu Behörden, beraten in finanziellen Angelegenheiten, bei der Wohnungssuche und unterstützen Strafgefangene bzw. Haftentlassene und deren Angehörige. Montags bis freitags sowie nach Vereinbarung hat die Beratungsstelle geöffnet, die zugleich die Postadresse für wohnungslose Menschen ist, ohne die sie existenzsichernde Leistungen nicht beziehen können.

Die Beratungsstelle und das Café sind feste Anlaufpunkte für eine höchst vielschichtige Klientel, die meist kumulierte Problemlagen aufweist. Allen gemeinsam ist ein schmales Budget und der Bedarf an schneller, möglichst unkomplizierter Hilfe. Die bekommen sie im Café Patchwork ganz praktisch: eine erschwingliche warme Mahlzeit, aber auch die Möglichkeit, sich tagsüber einige Stunden aufzuhalten, zu duschen, Wäsche zu waschen oder Gespräche zu führen. Sogar das Lagern eigener Lebensmittel im Kühlschrank sowie das selbstständige Kochen sind hier möglich. Für viele ist die 365 Tage im Jahr geöffnete Einrichtung ein Zuhause geworden. Täglich nutzen ungefähr 50 Personen dieses Angebot – pro Jahr werden hier knapp 5500 Essen herausgegeben, Waschmaschine und Trockner werden etwa 3000 Mal genutzt.

Fabian ist mittlerweile nur noch einmal pro Woche im Café Patchwork. Er hat einen Platz im Dezentralen Teilstationären Wohnen (DTW) gefunden. Das DTW unterstützt Menschen (mit und ohne Wohnung) bei der Sicherung der Existenz, der Beantragung von Leistungen, der Wohnungssuche, dem Wohnungserhalt sowie bei persönlichen Terminen, beispielsweise beim Arzt oder in der Schuldnerberatung. „Wer es bis hierhin geschafft hat, hat bereits den ersten wichtigen Schritt in ein besseres Leben getan“, beschreibt DTW-Koordinator Matthias Risse.

„Wir blicken auf 25 Jahre zurück, in denen sich die Beratungsstelle, das Café Patchwork und das teilstationäre Wohnen in Siegen zu einer festen Institution entwickelt haben“, betont Dirk Strauchmann, Geschäftsbereichsleiter bei den Sozialen Diensten der Diakonie in Südwestfalen. „Besonderer Dank gilt natürlich den Mitarbeitern, die Großartiges leisten, aber auch unseren Unterstützern, die uns finanziell oder durch ehrenamtliche Mithilfe seit Jahren begleiten. Ohne dieses freiwillige Engagement und die regelmäßigen Spenden wäre die Arbeit in dieser Form nicht möglich. Wir sind stolz, mit dem, was wir hier tun, eine feste Größe in der Stadt zu sein, besonders für die Menschen, die uns aufsuchen.“

Gefeiert wurde das Jubiläum mit einem Tag der offenen Tür. Vertreter aus Politik und Gesellschaft erhielten gemeinsam mit anderen Besuchern einen Einblick in die Arbeit der Wohnungslosenhilfe. Für den richtigen Ton sorgte die Band „Kaffeepott“ mit teils nachdenklich machenden, aber auch fröhlichen und satirischen Songs. Etwas Besonderes war neben der Bilderausstellung von Julia Donis und Ulrich Dörr, einem bereits verstorbenen Klienten der Wohnungslosenhilfe, der Auftritt von Robin Langenbach, der einen selbstgeschriebenen Rap über Veränderungen in seinem Leben präsentierte. Unter den Gästen war an diesem Tag auch Fabian. „Für mich ist das fast so, als hätte ich selbst Geburtstag“, freut er sich und nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

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