(wS/ne) Neunkirchen 05.07.2022 | Dinosaurier, Schildkröten und zum Schwimmen den Pelikan: Die kleine Ella hat nicht nur geschmackvolle Strampler, T-Shirts und Kleidchen – auch ihre Windeln sind schick und mit farbenfrohen Motiven bedruckt. Ein Modell sogar mit Blitz, Brille und dem Zauberstab von Harry-Potter! Nachdem sie drei Monate lang konventionell gewickelt wurde, beunruhigte ihre Eltern die sich rasant füllende Windeltonne. Seitdem trägt Ella Stoff auch untendrunter.
Für viele Eltern oder jene, die es noch werden möchten, mutet das Wickeln mit Stoffwindeln zunächst ungewöhnlich und aufwändig an. Wer sich informiert, im Internet gibt es zahllose Berichte und Videos erkennt jedoch schnell, wie viele Vorteile der Verzicht auf die „Wegwerfwindel“ hat vor allem für unsere Umwelt: 5000 Windeln benötigt ein Kind durchschnittlich während der Wickelzeit. In drei Jahren kommt so eine ganze Tonne Restmüll zusammen. Damit der Babypopo trocken bleibt, enthalten Einwegwindeln einen extrem saugfähigen Kern aus so genannten Superabsorbern. Das sind Kunststoffe, die ein Vielfaches ihrer eigenen Masse an Flüssigkeit aufnehmen können. Da ein Recycling nicht möglich ist, landet die Windel über die schwarze Tonne final in der Müllverbrennungsanlage. „Das war für uns keine Option“, erklärt Isabelle Diehl-Oppermann. Nachdem Ella zudem mit einer Windeldermatitis zu kämpfen hatte, kaufte die 27-Jährige ein Stoffwindelsystem und legte los. „Mit Stoffwindeln zu wickeln, ist ebenso unproblematisch als würde man Wegwerfwindeln nutzen“, ist sie überzeugt.
Auf dem Stoffwindelmarkt gibt es verschiedene Systeme. Die meisten sind aus Baumwolle, Hanf oder Wolle gearbeitet. Alle eint, dass sie über viele Jahre verwendet werden können. Es gibt sie in uni oder mit zahlreichen hübschen Motiven. Druckknöpfe ermöglichen das Mitwachsen. „Sechs bis acht Windeln reichen zum Wechseln“, rät Isabelle Diehl Oppermann. Das Procedere ist einfach und schnell vorzubereiten: Je nach Modell wird eine Saugeinlage in die Stoffwindel eingelegt, geknöpft oder ist schon Teil des Systems. Manchmal sind sie aus Frottee, man kann aber auch einfach ein Spucktuch nehmen. Auf die Saugeinlage legt Isabelle Diehl-Oppermann ein Papiervlies für das „große Geschäft“. Es ist angenehm weich und ähnelt einem festen Toilettenpapier. Ist die Windel voll, wird das Papiervlies entfernt. Ist auch „Pipi“ mit dabei, wird die Saugeinlage entnommen. Die eigentliche Windel kann meist mehrfach verwendet werden. Die kleine Ella wird dann ganz klassisch – mit Wasser und Waschlappen statt mit dem Feuchttuch saubergemacht und wieder neu „eingepackt“ fertig. Für die Nacht gibt es eine wollene Überhose, die mit Lanolin imprägniert wird. So lange die Imprägnierung hält, reicht es völlig aus, wenn die Überhose nach dem Gebrauch trocknet. Für unterwegs gibt es Wet-Bags, farbenfrohe Beutel, die die nassen Bestandteile oder die ganze feuchte Windel aufnehmen. Oder die Schwimmwindel. Denn auch fürs Schwimmbad hat Ella zwei nachhaltige Modelle.
Schon Ellas große Schwester Nele wurde mit Stoff gewickelt. Allerdings hatte ihre Mutter seinerzeit sämtliche Windeln verkauft. „Für eine Grundausstattung muss man schon tief in die Tasche greifen“, erklärt sie. Für jene, die noch Bett, Kommode, Kinderwagen und Kindersitz, also die ganze Babyausstattung anschaffen müssen, sind die etwa 500 Euro, die beim Neukauf der Windeln hinzukommen, kein Pappenstiel. Umso besser, dass die Gemeindeverwaltung nun einen Stoffwindelzuschuss beisteuert. Er geht auf einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zurück. 50 Prozent der Anschaffungskosten, maximal aber 250 Euro pro Kind, können beim Umwelt- und Klimaschutzberater geltend gemacht werden.
Isabelle Diehl-Oppermann und ihr Mann freuen sich über den Zuschuss. Und doch wickelt die junge Mutter nicht aus finanziellen Gründen mit Stoff, sondern aus ökologischen Gründen und aus Überzeugung. Der Komfort der Windeln ist groß, sie sind atmungsaktiv und es entsteht kein Hitzestau. Außerdem werden Kinder, die Stoffwindeln tragen meist schneller trocken. „Das liegt am Nässefeedback. Während die Wegwerfwindel den Kindern dauerhaft das Gefühl von Trockenheit vermittelt, merken sie bei den Stoffwindeln irgendwann, dass sie einen feuchten Po haben.“ Der Gang zum Töpfen wird nicht länger herausgeschoben.
Ihre Begeisterung teilt Isabelle Diehl-Oppermann mit Susanne Graf. Als Stoffwindelberaterin gibt Susanne Graf Workshops, vermittelt alles Wissenswerte rund ums Thema und repariert in ihrer Werkstatt in Burbach sogar schadhafte Windeln.
Für Familien, die in Neunkirchen auf die ökologische Wickelvariante umsteigen möchten, ist die Infrastruktur perfekt. Aber rechnet es sich überhaupt, Stoffwindeln anzuschaffen? Schließlich muss viel häufiger gewaschen werden. Geht man von drei Jahren Wickelzeit aus, liegen die Kosten für Einwegwindeln je nach Hersteller bei etwa 1000 bis 1500 Euro. Beim Windelsystem können die Kosten für Stoffwindeln, Zubehör sowie das Waschen und Trocknen bis zu 300 Euro geringer sein. Noch mehr kann man sparen, wenn man die Stoffwindeln gebraucht kauft. „Außerdem gibt es einmal im Jahr die Windelwochen.
Dann lässt sich bei den Stoffwindelsystemen der ein oder andere Euro sparen“, rät Isabelle Diehl-Oppermann. Und wenn man zwei oder mehr Kinder hat, lohnt sich die Anschaffung auf jeden Fall. Fürs Portmonee, für die Umwelt und somit auch für die Zukunft der Kinder.
Wer sich fürs Wickeln mit Stoffwindeln entscheidet, kann sich an den Umwelt- und Klimaschutzberater der Gemeinde, Matthias Jung, wenden. Er ist erreichbar unter 02735 7667-302 oder m.jung@neunkirchen-siegerland.de und gibt gern weitere Informationen zum Thema.
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