Experten der DRK-Kinderklinik Siegen nehmen Rare Disease Day am 28. Februar zum Anlass, auf seltene Krankheiten und deren Behandlungsmöglichkeiten hinzuweisen

(wS/drk) Siegen 21.02.2023 | Am 28.02.2023 ist Rare Disease Day, der internationale Tag der Seltenen Erkrankungen.

Menschen mit Seltenen Erkrankungen kämpfen wieder geballt um mehr Sichtbarkeit, obwohl rund 300 Millionen Menschen weltweit betroffen sind. „SELTEN SIND VIELE“ lautet daher erneut das Motto zum Aktionstag 2023.

In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung dann als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Da es zudem mehr als 6.000 unterschiedliche „Seltene Erkrankungen“ gibt, ist die Gesamtzahl der Betroffenen trotz der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen hoch.

„Unter den rund 300 Millionen Betroffenen sind auch eine Vielzahl an Kindern und Jugendlichen“ erklärt Chefarzt Dr. Burkhard Stüve, Neuropädiater an der DRK-Kinderklinik Siegen. „Daher möchten wir den Aktionstag nutzen und anhand einiger Beispiele auf diese ganz besondere Patientengruppe hinweisen.

Denn nicht nur die Therapie ist bei den Betroffenen schwierig, schon die Diagnostik gestaltet sich gerade im Kinder- und Jugendalter enorm herausfordernd“, ergänzt Oberärztin Dr. Larissa Seemann, ebenfalls Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit der Zusatzbezeichnung Neuropädiatrie.

Am einfachsten lässt sich die Problematik im Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen aus Sicht der Spezialisten der Abteilung Neuropädiatrie an der Siegener Kinderklinik anhand eines aktuellen Fallbeispiels erläutern. „Bei einem 14- jährigen Jugendlichen war der Mutter ein sich langsam unspezifisch verändertes Gangbild aufgefallen. Dies wurde zunächst auf die Pubertät und mangelnde sportliche Betätigung zurückgeführt. Zusätzlich klagte der Jugendliche über gelegentliche Rückenschmerzen. Während eines Wanderurlaubes bemerkten die Eltern dann deutlicher ein unsicheres und unflüssiges Gangbild, auch die Belastbarkeit war reduziert, der Jugendliche gab an, diese Veränderungen kaum zu bemerken“, beschreibt Frau Dr. Seemann die erste Beschreibung der Symptomatik des Patienten in der Ambulanz.

Nachdem diese Symptomatik insgesamt 15 Monate angedauert und noch an Intensität zugenommen hat, erfolgte zunächst eine Vorstellung beim Facharzt für Orthopädie, dem eine Gangunsicherheit und eine veränderte Fußform auffielen. Eine zügige kinderneurologische Untersuchung wurde umgehend veranlasst.

Bei der Fachärztin in der Klinik zeigte sich dann neben Hohlfüßen ebenfalls ein auffällig schwankendes Gangbild, die Feinmotorik war ungenau und ebenfalls unflüssig. Mental bestanden keinerlei Defizite, die Beschulung an der Realschule war mit guten Leistungen vor allem im Bereich Physik und Mathematik unproblematisch Das Team führte eine ausführliche Diagnostik mittels MRT, Laborwertbestimmung und Stoffwechseluntersuchungen durch, es ergaben sich aber keine pathologischen Befunde. Bei weiterhin sehr auffälliger Symptomatik wurden weitere diagnostische Schritte überlegt, auch in Richtung genetisch bedingter Bewegungsstörungen.

Die sich im Verlauf ergebende Verdachtsdiagnose einer Friedreich-Ataxie wurde nach gezielter Untersuchung des FXN Gens in einem genetischen Labor bestätigt“, erläutert Frau Dr. Seemann die weitere Spezialdiagnostik der neuropädiatrischen Abteilung.

Bei der Friedeich-Ataxie handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch Mutationen in FXN Gen auf Chromosom 9 verursacht wird. Dieses Krankheitsbild zeigt sich meistens vor dem 25. Lebensjahr vor allem durch eine zunehmende Gangunsicherheit (Ataxie) und neu auftretende Hohlfüße. Im Verlauf kann es zu einer Herzmuskelschwäche sowie anderen orthopädischen Probleme wie etwa einer Skoliose kommen.

Auch Sprachstörungen und Schluckbeschwerden können im Verlauf auftreten. Bei einer Häufigkeit von 3-4 auf 100.000 Einwohner zählt sie damit also zu den seltenen Erkrankungen, Männer wie Frauen sind gleichermaßen betroffen. Bezüglich des Verlaufs zeigt sich ein sehr individuelles, langsames Voranschreiten der Symptome.

Laut Frau Dr. Seemann ist aktuell eine spezifische Therapie nicht möglich: „Es ist vielmehr eine multidisziplinäre Betreuung mit pädiatrischen Neurologen, Kardiologen und Orthopäden sinnvoll, um Symptome rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln, die passenden Schlüsse daraus zu ziehen und anschließend symptomatisch dagegen zu steuern.
Dies erfolgt bei dem Patienten mittels Physiotherapie, Ergotherapie, eventuell auch mit passender Logopädie symptomorientiert.“

„Anhand dieses seltenen Falles zeigt sich die für Betroffene sowie Behandler schwierige Lage im Hinblick auf „Seltene Erkrankungen“. Zunächst gestaltet sich die klare Diagnostik aufwendig und herausfordernd, die entsprechende Therapie erfordert zudem eine breite Aufstellung über die verschiedenen Fachbereiche, um optimale Behandlungserfolge erzielen zu können“, so Dr. Stüve abschließend. Dennoch ist man sich im Team der Neuropädiatrie von Chefarzt Dr. Burkhard Stüve an der DRK Kinderklinik Siegen sicher, in vielen Fällen eine gute Anlaufstelle für Betroffene im Kindes- und Jugendalter zu sein. Und dies nicht nur zum Rare Disease Day am 28. Februar eines jeden Jahres.

hefarzt Dr. Burkhard Stüve beim Betrachten eines EEGs.

Oberärztin Dr. Larissa Seeman bei der Ableitung in der Abteilung Neuropädiatrie

 

Fotos:  DRK-Kinderklinik Siegen gGmbH

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