Bewährungsstrafe für dreiste Tankstellenräuber?

Gericht (4)

(wS/jk) Siegen – Um ihre Spielsucht zu befriedigen, haben zwei junge Männer Ende letzten Jahres sowie Mitte Januar insgesamt fünf Raubüberfälle auf Tankstellen geplant und in vier erfolgreichen Fällen unter Vorhalt einer Pistole rund 3.800 Euro erbeutet. Das Geld gaben sie dann größtenteils wieder in Spielhallen aus. Derzeit müssen sie sich vor dem Landgericht Siegen wegen diesen Straftaten verantworten. Hinzu kommt ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

Eine Freiheitsstrafe von vier Jahren fordert die Staatsanwaltschaft Siegen für Haupttäter Aytekin K. Der 20-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Drei Jahre und sechs Monate Haft soll die Strafe für seinen Komplizen Jakup Ö. lauten. Schwere räuberische Erpressung in minder schweren Fällen sowie der illegale Waffengebrauch des 19-jährigen Mittäters wird den Angeklagten vorgeworfen. Die Beute wurde geteilt.

„Bei der Vielzahl der Überfälle und deren Folgen insbesondere für die geschädigten Tankstellen-Mitarbeiter sowie dem organisierten Vorgehen bei den Taten, ist dabei keine Bewährung möglich“, forderte Staatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss in seinem Plädoyer am Donnerstag. „Das hatte kein alltägliches Ausmaß mehr“, ergänzte er vor der großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Wolfgang Münker.

Mit 17 erstmals in der Spielhalle

Zu Gute hielt er den beiden Tankstellenräubern, dass sie vor Gericht jeweils geständig waren, keine scharfen Waffen benutzten und ihre Beute „nicht horrend hoch“ gewesen sei. Die Anwälte der beiden Siegener Jungs forderten unisono eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Sie plädierten dafür, das Jugendstrafrecht anzuwenden, da für beide eine günstige Sozialprognose abgegeben werden könne. „Ich hoffe auf eine zweite Chance“, bat Aytekin K.

Überfall auf die Tankstelle an der Marienborner Straße am 18. Januar. Archiv-Foto

Überfall auf die Tankstelle an der Marienborner Straße am 18. Januar. Archiv-Fotos (3)

Mit 17 Jahren betrat er erstmals eine Spielhalle. Die Besuche mit dem Freundeskreis wurden häufiger: Aytekin K. suchte nach Anerkennung und fand sie beim Zocken. Der Einsatz spielte keine Rolle. Durch die Spielsucht häuften sich Schulden an. „Ich habe nur das Nötigste abbezahlt, mir Geld bei Freunden geliehen und alles verspielt“, so der 20-Jährige zu Richter Münker.

Er war es, der in mindestens drei Fällen mit einer Schreckschusswaffe die Tankstellen ausraubte. Sein Kollege Jakup Ö., mit dem er seit acht Jahren eng befreundet war, stand meist Schmiere. Beim letzten Überfall auf eine Aral-Tankstelle an der Marienborner Straße in Kaan-Marienborn soll auch der 19-Jährige bewaffnet die Tageseinnahmen erpresst haben. Das behaupet Aytekin K. und hier unterscheiden sich die Aussagen der beiden Täter, den einstigen Freunden. Jakup Ö. bestreitet diese Version des Tatgeschehens – „ein krasser Gegensatz“, so Baron von Grotthuss.

Überfälle wie im Fernseh-Krimi

Aytekin K. hatte kurz vorher mit dem Spielen aufgehört. Der Staatsanwalt schenkt seinen Schilderungen deswegen mehr Glauben, während sich der Verteidiger von Ö. auf die Aussage eines Polizisten beruft, der von immer gleichen Abläufen der Überfälle berichtete. „Wie im TV-Krimi ‚Tatort’“ seien die Überfälle durchgeführt worden. Bewaffnet, maskiert und in Maleranzüge gehüllt sowie mit einem aufgespannten Regenschirm getarnt wurden die Kassierer bedroht und erpresst.

Überfall auf die Tankstelle am Effertsufer am 7. November 2013. Archiv-Foto

Gleich zweimal wurde die Tankstelle am Effertsufer am 7. November und 5. Dezember 2013 überfallen.

Gleich zweimal wurde ein Mitarbeiter der Esso-Tankstelle am Siegener Effertsufer zum Opfer, der Anfang November und Anfang Dezember überfallen wurde. „Nicht schon wieder“, habe er nach dem wiederholten Vorfall geäußert. „Man hat sich keine Gedanken gemacht, was es für einen Menschen heißt, innerhalb weniger Tage in den Lauf eines Revolvers blicken zu müssen“, sagte Patrick Baron von Grotthuss und fügte an: „Das ist besonders verwerflich!“

Als „starkes Stück“ bezeichnete der Siegener Staatsanwalt außerdem das Verhalten von Jakup Ö., der sich an jenem Dezember-Abend sogar noch als Zeuge bei der vor Ort eingetroffenen Polizei zur Verfügung stellte. „Das war eine schauspielerische Glanzleistung und ist eine gravierende Dreistigkeit“, so Baron von Grotthuss. Es sei für die Ermittler viel Arbeit und Einsatz notwendig gewesen, um die beiden Tankstellenräuber schließlich im März dingfest zu machen.

Mittäter erhielt Morddrohungen

Im Gegensatz zu seinem Kumpel zeigte sich Jakup Ö. bei den folgenden Vernehmungen kooperativ und packte aus. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. Bei seinen ehemaligen Freunden und dem Mitangeklagten kam das gar nicht gut an. Der 19-Jährige, der ebenfalls spielsüchtig war, aber keine Schulden machte, erhielt Morddrohungen via Telefon. Als „Verräter“ und „Strafttäter“ abgestempelt, brachen viele Kontakte ab.

Überfall auf die Avia-Tankstelle im November 2013 - wir berichten auführlich inklusive Fim-Beitrag. Archiv-Foto

Überfall auf die Avia-Tankstelle am 23. November 2013 – wir berichteten inklusive Film-Beitrag.

Dabei kam die Initialzündung zu der Idee durch Raub an Geld für die abendlichen Spielhallen-Besuche zu kommen (bis zu 1.500 Euro wurden pro Abend verzockt), von Jakup Ö., gegen den fünf Tage vor der ersten Tat ein Strafbefehl wegen Diebstahl und Computerbetrug erlassen wurde. Sogar die Überlegung die Firma seines Chefs auszurauben, stand für den Auszubildenden im Raum. Sein ehemals bester Freund Aytekin K., der sich bis zu seiner U-Haft ebenfalls in einer Ausbildung befand, fixierte sich jedoch auf die Tankstellen.

Der erste Versuch schlug fehl. Am 2. November letzten Jahres hatte man eine Tankstelle in der Fludersbach im Visier. Da die Türe aber bereits abgeschlossen war, blieb das Vorhaben erfolglos und die beiden Jungs flüchteten. Fünf Tage später hatte man am Effertsufer mehr Glück. Als die Löcher im Portmonaie wieder größer wurden, überfielen die Liebhaber der Spielautomaten die Avia-Tankstelle in Kreuztal-Buschhütten am 23. November.

Urteil am kommenden Montag

In einer Seitenstraße hatte man geparkt, kletterte über den Zaun und fuhr mit dem Pkw von Aytekin K., der in seinen jungen Jahren schon einen Verschleiß von vier Autos vorzuweisen hat und eines davon sogar für die Zockerei verjubelte, davon. Knapp zwei Wochen später war die Esso-Tankstelle am Effertsufer erneut eine sichere Geldquelle.

Ein letztes Mal schlugen die Räuber dann in Kaan-Marienborn am 18. Januar zu. „Ich weiß, dass ich Angst und Schrecken verbreitet habe“, sagte K. Die jungen Erwachsenen bereuen ihre Taten und wollen ihre Spielsucht therapieren lassen. Das Urteil wird am Montag verkündet.

Bericht: Jürgen Kirsch

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