6. Salon auf Hohenroth: „LebensMittel – wie wollen wir leben?“

Pater Reinald Rickert zu artgerechter Tierhaltung, Essverhalten und Gottes Segen

(wS/red) Netphen | Wie wollen wir leben?“ –Dieser elementaren Frage gingen beim diesjährigen Salon im übervollen Auditorium auf Hohenroth die beiden Protagonisten Pater Reinald und WDR-Moderation Anne Willmes in einer angeregten Diskussion nach. Das diesjährige heiß diskutierte Schwerpunktthema: LebensMittel.

Pater Reinald und WDR-Moderation Anne Willmes. (Foto: Landesbetrieb)

Pater Reinald und WDR-Moderation Anne Willmes. (Foto: Landesbetrieb)

Wie wollen wir leben? – Welche Kultur haben wir, wenn es um unsere Ernährung, unseren Genuss geht? Wie fair denken und handeln wir, wenn es um Nahrungsmittel, um Lebensmittel geht? Fragen, die nicht nur den beiden bekannten Impulsgebern auf dem Podium unter den Nägeln brannten, sondern auch den über hundert Gästen, die engagiert mitdiskutierten. Schon die Begrüßung durch Jan Gatermann, Vorsitzender des Vereins Waldland Hohenroth, und Thomas Vehoff von der Arbeitsgruppe „Salon auf Hohenroth“, machte die Dringlichkeit des Themas deutlich. Denn, so Thomas Vehoff: „In unserer „Immer-Alles-Kultur“ muss jeder tagtäglich selbst entscheiden, wie er ein gelingendes, gutes Leben führen will.“

Beim sechsten Salon auf Hohenroth kam besonders er zu Wort: Pater Reinald, ehemalige Tierwirtschaftsmeister der Abtei Königsmünster aus Meschede. Gekleidet in die schwarzer Sultane der Benediktiner ließ der bekannte Pater seine streitbare Haltung zum Thema artgerechte Tierhaltung, Fleischkonsum und veganer Lebensweise schnell erkennen. Anne Willmes, bekannte Moderatorin der WDR-Lokalzeit und versierte Journalistin, traf mit ihren Fragen punktgenau den Nerv ihres Interviewpartners, aber auch der vielen Gäste im Auditorium auf Hohenroth. Humorvoll und ehrlich gab sich der ehemalige Leiter der Abtei-Ökonomie, der vor fünf Jahren gesundheitsbedingt seine Tätigkeit als Bauer aufgab: „Ich esse gerne – das sieht man mir ja auch an!“

Als „Landwirtschaftsmeister mit parallelen Kenntnissen in der katholischen Kirche“ galt sein ersten Statement dem Fleischkonsum: „Extremes Verhalten ist nie gut. Ich persönlich kann einer veganer Lebensweise nichts abgewinnen, auch weil viele Veganer anderen ihre Lebensweise aufdrängen. Aber: Veganer rotten wir nicht mehr aus! Gottes Segen liegt über unserem Essen, auch beim Fleischverzehr. Jeder Landwirt, aber auch jeder Konsument ist für seinen Umgang mit unserer Schöpfungsordnung verantwortlich und muss selbst Maß halten. Die Bibel spricht vom guten Hirten, der für seine Herde verantwortlich ist – ich bezweifele aber, dass viele Verbraucher sich ernsthaft Gedanken über ihr Essverhalten machen. Auch in der Landwirtschaft fehlen oft Besonnenheit und Sachlichkeit in der Diskussion.

An seinen Einblicken in die Landwirtschaft ließ Pater Reinald die Diskussionsrunde gerne teilhaben. Als gelernter Landwirtschaftsmeister und studierter Theologe kann er auf reiche persönliche, 30.-jährige Erfahrung in der Rinder-, Hühner- und Putenzucht zurückblicken. „Da war keine Zeit für Hochmut“, so der Melkmeister, „wer täglich um vier Uhr aufsteht und im Kuhstall ständig die Kuhschwänze ins Gesicht bekommt, wird demütig und bodenständig. Ich bin sehr tierlieb – und doch ist ein Tier ein Tier. Es dient den Menschen als Lebensmittel – daran ist nichts falsch.“ Die Vermenschlichung der Tiere ist dem gebürtigen Rheinländer mit dem handfesten Humor ein Dorn im Auge: „Tiere fühlen nicht wie Menschen. Sie haben zwar auch Lebenswillen, Seele und Angst, aber sie haben keine Persönlichkeit. Tiere brauchen artgerechte Haltung und gute Rahmenbedingungen – dann ist es der Pute egal, ob sie mit 7 oder 2000 Tieren im Stall lebt.“

Bio – ein großes Thema in der heutigen Landwirtschaft. Pater Reinald dazu: „Mit diesem Label wird viel Schindluder getrieben. Aber ich bin kein Grüner: Jeder muss selbst entscheiden! Ich kann nur empfehlen: Essen Sie nur zwei bis drei Mal pro Woche Fleisch, wenn möglich aus regionaler Zucht. Kaufen Sie bewusst ein. Und lassen Sie sich nicht täuschen – das Biosiegel heißt nicht: Die Welt ist in Ordnung!“ Überhaupt: Als Benediktiner fühlt sich Pater Reinald nicht als lautstarker Revoluzzer, der mit erhobenem Zeigefinger auf andere zeigt. Sein Motto: Vorleben. Aber nicht missionieren. Zum Leben im Kloster sagte er lachend: „Hier herrscht versöhnende Vielfalt unter den rund 50 bis 60 Mönchen – auch wenn wir uns nicht immer alle grün sind!“

Seit fünf Jahren ist der Bauernhof der Abtei Königsmünster geschlossen – die Tiere nicht mehr da. „Klar fehlt mir der Umgang mit meinen Tieren“, bekannte der eloquente, lebensfrohe Pater, der drei Jahrzehnte lang für rund 2000 Puten, zahlreiche Rinder, Schweine und Hühner verantwortlich war. „Ich habe die vier- gegen die zweibeinigen Rindviecher eingetauscht und bin jetzt als Seelsorger tätig. So kommt richtig Schotter in unsere Gemeinschaftskasse – wir sind nämlich die letzten Kommunisten NRWs.“ Seine Hoffnung: Einen Nachfolger finden für die Abtei-Ökonomie. „Unser Kloster ist ein geschützter Kosmos. Landwirte im Wirtschaftsland Deutschland führen dagegen derzeit einen harten Überlebenskampf. Landwirtschaft ist heute nur noch durch hohe Bestandszahlen existenzfähig – dabei kommt die Würde des einzelnen Tieres meist zu kurz. Artgerechte Haltung muss aber von Verbrauchern honoriert und bezahlt werden. Dieser Verantwortung kann sich niemand entziehen!“

Viele Punkte wurden in der anschließenden Diskussion mit den Zuhörern aufgerollt, nachgefragt und durchaus kontrovers hinterfragt. Und selbst Papst Franziskus war plötzlich Thema mit seiner aufrüttelnden Rede beim Welternährungskongress der FAO zur Lebensmittelverteilung auf der Welt und seinem Appell „endlich unseren Lebensstil“ zu ändern. Nicht alle Fragen konnten beantwortet werden und so war man nach dem offiziellen Teil beim kleinen Imbiss noch lange miteinander im Gespräch.

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