Keine Langeweile! Jobportrait Luftlageoffizier

Ein Tag mit Oberleutnant Andre Landwehr, der seit drei Jahren als Luftlageoffizier und Crewführer im Control and Reporting Center Erndtebrück eingesetzt wird

(wS/red) Erndtebrück 20.07.2016 | „TP full manning, Emergency in the system“. Diese Durchsage, im gesamten Bereich des Einsatzgebäudes zu hören, ist Befehl und Information zugleich: “Sofort alle erforderlichen Arbeitspositionen besetzen, Notfall im Luftraum“. Sekunden später hat das Personal der C-Crew die in einem solchen Fall zusätzlich notwendigen Plätze besetzt und beginnt mit den kontinuierlich geübten Abläufen. Die Flugspur des betroffenen Flugzeuges erscheint auf den Bildschirmen der Luftraumüberwachungszentrale nun mit einem deutlichen roten Kringel. Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Während die Soldaten an der Identifikationsposition mit dem Wachleiter der zivilen Flugsicherungsstelle telefonieren und versuchen, schnellstmöglich Informationen über die Art des Notfalls und die Absichten der Piloten zu erfahren, sorgt der Track Production Supervisor (TPS) dafür, dass der Datenaustausch zu benachbarten Stellungen und der vorgesetzten NATO-Dienststelle (CAOC- Combined Air Operations Center) reibungslos funktioniert, so dass der Luftnotfall auch hier einwandfrei dargestellt wird. Ein weiterer Assistent übermittelt zwischenzeitlich alle verfügbaren Informationen über ein spezielles Programm und dokumentiert alle Zeiten und Ereignisse in einem Logbuch.

Oberleutnant Andre Landwehr gehört der Einsatzführungsstaffel 21 des Einsatzführungsbereich 2 an. (Foto: Daniel Heinen)

Oberleutnant Andre Landwehr gehört der Einsatzführungsstaffel 21 des Einsatzführungsbereich 2 an. (Foto: Daniel Heinen)

Stets Herr der Lage

Herr der Lage ist Oberleutnant Andre Landwehr, der als zuständiger Luftlageoffizier (engl. Track Production Officer – TPO) auch in angespannten Situationen einen kühlen Kopf und vor allem den Überblick über die Tätigkeiten seiner Crew behalten muss. Bereits nach wenigen Minuten kommt von Seiten der Identifikationsposition Entwarnung. Der Pilot der Zivilmaschine konnte das Problem lösen, militärische Unterstützung wird nicht benötigt. Während die meisten Soldaten der C-Crew aufatmen können, ist für Oberleutnant Landwehr der „Emergency“ noch nicht abgeschlossen, denn das CAOC hat einen detaillierten Bericht über den Zwischenfall gefordert, der nun umgehend erstellt werden muss.

Oberleutnant Landwehr überprüft die ordnungsgemäße Dokumentation eines Luftnotfalls an der TPS-Position. (Foto: Daniel Heinen)

Oberleutnant Landwehr überprüft die ordnungsgemäße Dokumentation eines Luftnotfalls an der TPS-Position. (Foto: Daniel Heinen)

Was zunächst nach einer Ausnahmesituation klingt, ist für die Soldatinnen und Soldaten des CRC Erndtebrück Alltag. „Luftnotfälle, aber auch andere besondere Ereignisse in unserem Zuständigkeitsbereich kommen immer wieder vor und werden zudem regelmäßig geübt“ erläutert Oberleutnant Landwehr. Wenn er von „Zuständigkeitsbereich“ spricht, meint er damit die sogenannte „Track Production Area“ (TPA), also den Bereich, für den das CRC Erndtebrück und damit auch seine Crew verantwortlich ist. Das kann – je nach Befehlslage – ein bestimmter Luftraum der Bundesrepublik Deutschland, in Ausnahmefällen auch der gesamte deutsche Luftraum sein.

Der Auftrag: Kontinuierliche Luftraumüberwachung

Oberleutnant Landwehr und seine Crew arbeiten im Schichtbetrieb, denn die Luftraumüberwachung ist eine sogenannte „Dauereinsatzaufgabe“ des Einsatzführungsdienstes der Luftwaffe und muss 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr sichergestellt werden. Insgesamt vier Luftlagecrews bestreiten diese verantwortungsvolle Aufgabe im Wechsel. Zusätzlich ist auch immer Personal der Waffeneinsatzcrew (E-Crew) im Dienst, welches die Führung von Kampfflugzeugen übernimmt und Übungen der fliegenden Geschwader und der Flugabwehrraketentruppe unterstützt. Die Soldaten aller Crews sind Angehörige der Einsatzführungsstaffel 21, die im Einsatzführungsbereich 2 das Einsatzpersonal für das CRC stellt.

Das Luftlagebild und die technischen Systeme müssen ständig im Auge behalten werden. (Foto: Daniel Heinen)

Das Luftlagebild und die technischen Systeme müssen ständig im Auge behalten werden. (Foto: Daniel Heinen)

Eine typische Schicht beginnt mit der Übernahme aller Arbeitspositionen von der Vorgängercrew. Bei den Übergabegesprächen werden nicht nur die Besonderheiten des aktuellen Luftlagebildes besprochen, sondern auch anstehende Wartungen, Systemeinschränkungen oder geplante Übungen erörtert. Nach der Ablösung beginnt auch für Oberleutnant Landwehr die eigentliche Arbeit. Als Luftlageoffizier ist er dafür verantwortlich, dass alle Flugobjekte, welche von den zahlreichen militärischen und zivilen Radargeräten aufgefasst werden, in ein voll identifiziertes Luftlagebild, das sogenannte „Recognized Air Picture“ (RAP) überführt werden. Dies bedeutet nicht weniger, als dass alle Flugobjekte lückenlos erfasst, fehlerfrei ins System gebracht und anhand von eigenen elektronischen Identifizierungshilfen sowie mittels Flugplänen zweifelsfrei identifiziert werden müssen. Das so ständig aktualisierte Luftlagebild wird in Echtzeit über Datenkanäle auch an Nachbarstellungen und das CAOC weiterverteilt. Doch nicht nur hier ist das Luftlagebild die Grundlage für weitere Entscheidungen: „Auch die Waffeneinsatzsektion ist auf unsere Arbeit angewiesen. Wenn das Luftlagebild nicht einwandfrei ist und alle Systeme wie geplant laufen, kann es auch im Bereich der Jägerleitung schnell zu Beeinträchtigungen kommen“, kommentiert Oberleutnant Landwehr.

Blick in die hochmoderne Operationszentrale des „Control and Reporting Centre“ (CRC) Erndtebrück. (Foto: Andreas Haßler)

Blick in die hochmoderne Operationszentrale des „Control and Reporting Centre“ (CRC) Erndtebrück. (Foto: Andreas Haßler)

Ein echtes Multitalent

Aufgrund dieser zentralen Aufgabe ist der Luftlageoffizier auch einer der wichtigsten Offiziere in der Einsatzzentrale. Er muss nicht nur seinen direkten Vorgesetzten, den Master Controller, ständig auf dem Laufenden halten, sondern auch schnell auf technische Probleme und unvorhergesehene Situationen im Luftraum reagieren. „Man ist nicht nur Luftlageoffizier, sondern darüber hinaus auch zentraler Ansprechpartner im CRC, der immer dort zum Einsatz kommt, wo es gerade brennt“, erklärt Landwehr. Damit meint er z. B. Szenarien wie den Luftnotfall, mit dessen Bericht er gerade fertig geworden ist. Zeit, sich wieder voll und ganz dem Luftlagebild zu widmen, dargestellt auf dem großen Bildschirm vor ihm. Doch schon wieder erkennt der junge Offizier eine „Baustelle“. Da sich das Wetter im Osten des Zuständigkeitsbereichs verschlechtert hat, müssen die Einstellungen einiger Radargeräte neu angepasst werden, damit sie auch weiterhin Daten in einwandfreier Qualität liefern. Oberleutnant Landwehr erteilt seinem Sensor Coordinator (SCO), einem weiteren Spezialisten der Crew, kurz einige Anweisungen und wechselt dann selbst an die Radarkonsolen, um dem Oberfeldwebel bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen.

Als Luftlageoffizier ist Landwehr nämlich auch für die Aus- und Weiterbildung seiner 23-köpfigen Crew zuständig. Auch dies ist keine nebensächliche Aufgabe, denn vom Mannschaftsdienstgrad bis zum Oberstabsfeldwebel sind alle Soldatinnen und Soldaten gründlich ausgebildete Spezialisten in ihren jeweiligen Bereichen. Da Landwehr als Wachführer den Soldaten auch truppendienstlich vorgesetzt ist, muss er ebenfalls für eine ausgewogene Urlaubsplanung sorgen, Lehrgänge für die einzelnen Crewmitglieder planen und zudem Beurteilungsbeiträge verfassen. Unterstützt wird er dabei von einem erfahrenen Unteroffizier, dem Crewfeldwebel.

Anspruchsvolle und gründliche Ausbildung

Während man in die Aufgaben des Crewführers vom Vorgänger und dem Crewfeldwebel eingearbeitet wird, werden die notwendigen Qualifikationen für den Dienst als Luftlageoffizier auf dem Lehrgang „Einsatzführungsoffizier Luftlage“ vermittelt, der aktuell 95 Ausbildungstage umfasst. Für Andre Landwehr waren die Wege vom CRC und seiner Stammeinheit kurz, da der Lehrgang von der Einsatzführungsausbildungsinspektion 23 durchgeführt wird, die ebenso wie das CRC zum Einsatzführungsbereich 2 Erndtebrück gehört. Zudem kannte er die Ausbildungsinspektion bereits, da die Grundlage für die Luftlagelizenz eine bereits erfolgreich abgeschlossene Grundlagen-Ausbildung ist, die ebenfalls in Erndtebrück, dem „Mutterhaus des Einsatzführungsdienst“ erworben wird. Für Landwehr war der Lehrgang eine anspruchsvolle, aber auch hochinteressante Erfahrung: „Das Wissen, das auf dem Luftlageoffizier-Lehrgang vermittelt wird, ist wirklich sehr umfangreich und tiefgreifend. Besonders reizvoll fand ich jedoch, dass man das Gelernte im Simulator und anschließend in der Live-Phase direkt im CRC praktisch anwenden konnte“.

Während man auf dem Lehrgang das Rüstzeug für die eigentliche Verwendung erhält, müssen einige andere Fähigkeiten zu diesem Zeitpunkt bereits voll ausgeprägt sein. Da wären z. B. gute Sprachkenntnisse, da die gesamte Koordination in den vernetzten CRCs der NATO auf Englisch durchgeführt wird. Auch ein hohes Maß an Flexibilität, Multi-Tasking-Fähigkeit und Stressresistenz ist gefordert, denn neben ständigen Neuerungen bei den Vorschriften und in der technischen Ausrüstung treten auch gelegentlich Situationen ein, die nicht geübt werden können. „Im Prinzip weiß ich bei der Schichtübernahme nie, ob es ein ruhiger oder hektischer Tag wird und welche Herausforderungen mich genau erwarten. Aber genau das macht den Job als Luftlageoffizier auch so spannend und einzigartig“, sagt Oberleutnant Andre Landwehr noch, bevor er wieder zum Telefon greift und sich seinen zahlreichen Aufgaben widmet.

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