Fragen und Zweifel im Kriegsjahr 1917

(wS/red) Siegen 14.11.2017 | Im Siegerlandmuseum ist jetzt die Ausstellung „Weltkrieg – Kriegswelt(en)“ eröffnet worden. WissenschaftlerInnen der Universität Siegen haben die Schau zusammen mit Studierenden konzipiert – sie zeigt, was die Menschen in Siegen und Umgebung im Jahr 1917 bewegte.

Eine Stuhltrage, mit der Verwundete vom Schlachtfeld oder aus dem Schützengraben transportiert wurden. Ein Paar Holzschuhe, die als Ersatz für teure Lederschuhe dienten. Fotos von Menschen, die für Lebensmittel Schlange stehen – und Kriegsgedichte von Siegerländer Frontsoldaten: Die Ausstellung „Weltkrieg – Kriegswelt(en)“ dokumentiert die Lebenswirklichkeit der Menschen in Siegen und Umgebung im Kriegsjahr 1917. Sie wurde von WissenschaftlerInnen und Studierenden des Historischen Seminars der Uni Siegen konzipiert und ist noch bis zum 4. Februar 2018 im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss in Siegen zu sehen.

Das Ausstellungsteam der Uni Siegen: Co-Kurator Malte Niessing, Kurator Daniel Groth, Prof. Dr. Angela Schwarz und Prof. Dr. Bärbel Kuhn.

Das Jahr 1917 gilt rückblickend als „Wendejahr“ des Ersten Weltkrieges: Die Euphorie der ersten Kriegsjahre hatte spürbar nachgelassen, der Krieg war für die Menschen immer mehr zum Normalzustand geworden. Verluste, Entbehrungen und Mangel bestimmten den Alltag. „Mit der Ausstellung möchten wir zeigen, was dieses alltägliche Ringen mit dem Krieg für die Menschen in unserer Region bedeutete“, erklärt Prof. Dr. Angela Schwarz vom Lehrstuhl für Neuere und Neuste Geschichte der Uni Siegen. „Was bewegte die Siegerländer damals? Welche Zweifel trieben sie um und welche Fragen stellten sie sich?“ Dabei nimmt die Ausstellung zum einen die Situation an der „Heimatfront“ in den Blick. Gleichzeitig dokumentiert sie typische Erfahrungen von Siegerländer Soldaten an der Front.

„Der Mangel war 1917 nicht nur ein Zustand, sondern ein allgemeines Lebensgefühl“, sagt Daniel Groth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte und Kurator der Ausstellung. Mit dem Wort „Mangel“ ist auch der erste Ausstellungsraum überschrieben. Die BesucherInnen erfahren hier, auf welche Art und Weise der Mangel im Siegerland konkret zu spüren war: Sei es durch das ungewohnte Klappern der Holzschuhe in den Straßen, oder durch neue Bilder von Schlange stehenden und umherziehenden Menschen auf der Suche nach Lebensmitteln oder Kleidung. Eine Collage zeigt Lebensmittelkarten, mit denen Kaffee, Eier, Zucker und Wurst rationiert wurden. Auch Hunger gehörte für viele Menschen im Siegerland 1917 zum Alltag.

Holzschuhe dienten auch im Siegerland vielen Menschen in den Kriegsjahren als Ersatz für teure Lederschuhe.

Ein weiterer Raum widmet sich unter dem Titel „Front“ den Soldaten aus Siegen und Umgebung, die direkt in das Kriegsgeschehen involviert waren. Zu sehen ist neben der von einem Elsper Arzt konstruierten Stuhltrage für den Verletztentransport auch so genannte „Schützengrabenkunst“: Messer, Gabel und Löffel in Fisch Form, die ein Soldat aus Holz geschnitzt hat, um sich im Schützengraben die Zeit zu vertreiben. Eindrucksvoll sind außerdem zwei Gedichte von Siegerländer Frontsoldaten. Die in ihrer Anmutung sehr unterschiedlichen Texte von 1914 und 1917 wurden von Mitarbeitern des Campus-Radios eingesprochen und können über Kopfhörer angehört werden. Sie werden in der Ausstellung einem Propagandafilm der Deutschen Reiches gegenübergestellt, der 1917 unter anderem im Metropol-Kino in der Siegener Bahnhofsstraße lief.

Auch mit dem Gedenken an die Kriegsopfer und der Art und Weise, wie der Krieg in den Folgejahren verarbeitet wurde, hat sich das Ausstellungs-Team aus Studierenden und WissenschaftlerInnen der Uni beschäftigt. In den Räumen „Rückschau“ und „Danach“ werden unterschiedliche Kriegsdenkmäler und Umgangsweisen mit dem Geschehenen gegeneinandergestellt: von nachdenklich-kritisch bis patriotisch und kriegsverherrlichend. „Diese Multiperspektivität ist uns sehr wichtig. Die Menschen haben unterschiedlich über den Krieg gedacht und das soll in der Ausstellung auch zum Ausdruck kommen“, sagt Prof. Dr. Bärbel Kuhn vom Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Prof. Schwarz den Anstoß zu dem Projekt gegeben hatte. Gefördert wurde es vom Programm zu regionalen Forschungspartnerschaften der Universität.

Ein Arzt aus Elspe hatte eine Stuhltrage entwickelt, mit der Verwundete vom Schlachtfeld oder aus dem Schützengraben transportiert werden konnten.

Siegens Bürgermeister Steffen Mues lobte bei der feierlichen Ausstellungseröffnung die vertrauensvolle Kooperation zwischen Universität und Stadt Siegen, speziell zwischen dem Historischen Seminar und dem Siegerlandmuseum: „Gemeinsame Projekte wie diese Ausstellung zeigen unsere enge Partnerschaft. Durch die Aufarbeitung der Geschichte werden den Siegenern neue Erkenntnisse des Historischen Seminars zugänglich gemacht. So kommen immer wieder neue, interessante Aspekte über das Siegerland ans Licht, die uns helfen, unsere Vergangenheit zu verstehen.“ Er hoffe, dass viele Menschen – und auch viele Schulklassen – die Ausstellung „Weltkrieg – Kriegswelt(en)“ in den kommenden Wochen besuchen, so Mues.

Das Siegerlandmuseum hat dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 17 Uhr geöffnet, an Feiertagen bestehen gesonderte Öffnungszeiten. Weitere Informationen unter www.siegerlandmuseum.de.
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