Materialien von Grund auf verstehen

Prof. Dr. Benjamin Butz ist seit dem Wintersemester Lehrstuhlinhaber für Mikro- und Nanoanalytik an der Universität Siegen. Mit seinem Team untersucht er Materialien bis auf die atomare Ebene.

(wS/red) Siegen 25.01.2018 | Die Büros des neuen Lehrstuhls am Paul-Bonatz-Campus füllen sich nach und nach mit Möbeln und neuen MitarbeiterInnen. Auf dem Flur hängen bereits Poster, die die Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Benjamin Butz thematisieren. „Die Poster habe ich gleich aufgehängt, damit Studierendende und Kollegen erfahren, was ich eigentlich mache“, sagt er. Was er schwerpunktmäßig macht, das ist Mikro- und Nanoanalytik mit schnellen Elektronen – Prof. Butz untersucht Materialien in sogenannten Elektronenmikroskopen bis in ihre kleinsten Strukturen und atomaren Bestandteile, um angewandte Werkstoffe besser zu verstehen und zur Entwicklung neuer Materialien beizutragen. Zuletzt hatte er 19 Monate als Gastwissenschaftler an der renommierten Stanford Universität in Kalifornien geforscht. „Da scheint oft die Sonne“, schwärmt er, während sich vor dem Fenster ein Schneeschauer über das Siegerland ergießt. Seit dem Wintersemester 2017/18 ist Butz Professor für Mikro- und Nanoanalytik im Department Maschinenbau der Universität Siegen und wohnt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in der Krönchenstadt.

Prof. Dr. Benjamin Butz arbeitet an der Uni Siegen mit Elektronenmikroskopen. (Foto: Uni)

„Ich habe schon immer gerne handwerklich gearbeitet und an Knöpfen gedreht“, beschreibt sich der 39 Jahre alte Wissenschaftler selbst. Schon während seines Grundstudiums in Physik in Karlsruhe hat er im Nebenfach Werkstoffkunde belegt und damit einen eher anwendungsorientierten Ansatz gewählt. „Wir brauchen die Theorie, um unsere Ergebnisse zu verstehen“, räumt Prof. Butz ein, „ich arbeite aber gerne auf der experimentellen Seite.“ Ihn habe schon immer das Verborgene in unserer Welt fasziniert. So wurde die Elektronenmikroskopie zu seinem Schwerpunkt.

„In konventionellen Lichtmikroskopen ist die Auflösung durch die Wellenlänge des Lichts auf etwa einen Mikrometer beschränkt“, erklärt er. „Das ist 1/50 der Dicke eines menschlichen Haares. Um zu kleineren Details auf der Nanometerskala oder sogar der atomaren Ebene vorzudringen – Größenskalen, auf denen die Funktion vieler Materialien begründet liegt –, bedarf es viel kleinerer Wellenlängen.“ Und hier spielen schnelle Elektronen eine wichtige Rolle, da sie, auf bis zu 75 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, solche kleinen Wellenlängen aufweisen und es daher ermöglichen, atomare Strukturen in Materialien aufzulösen.

„Die Elektronenmikroskopie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant weiterentwickelt. Es gab viele Meilensteine, die nicht nur die Auflösung erheblich verbessert haben, sondern noch nie dagewesene experimentelle Möglichkeiten schaffen, um Materialien zum Beispiel in ihrer natürlichen Umgebung zu untersuchen, Proben im Mikroskop thermisch, elektrisch oder mechanisch zu belasten oder aber völlig neue Materialien im Mikroskop direkt zu synthetisieren“, schwärmt er. Die Entwicklung der Kryo-Mikroskopie, mit der einzelne Biomoleküle, wie zum Beispiel Proteine, in gefrorenem Zustand bis auf die atomare Ebene untersucht werden können, wurde 2017 als einer dieser Meilensteine durch den Chemie-Nobelpreises gewürdigt. Einer der drei Preisträger, Joachim Frank, ist in Siegen geboren und aufgewachsen.

Den Ruf an die Universität Siegen hat Prof. Butz gerne angenommen: „Ich habe mich sehr über das attraktive Angebot gefreut. Die Lehrstuhlprofessur ermöglicht es mir, meine Erfahrungen mit unterschiedlichsten Materialien in die interdisziplinäre Forschung der Fakultät einzubringen und auf vielen Ebenen Einfluss zu nehmen.“ So ist Prof. Butz inzwischen Vorsitzender des zentralen Gerätezentrums für Mikro- und Nanoanalytik (MNaF) der Universität und bereits an der Planung und am Aufbau neuer Labore maßgeblich beteiligt. Für die neuen Labore möchte Prof. Butz ein neues High-End-Transmissionselektronenmikroskop anschaffen, das für die Wettbewerbsfähigkeit der Materialforschung in Siegen unerlässlich sein wird.

Elektronenmikroskopische Untersuchungen erfordern Präzision und Geduld. Die Proben sind winzig, nur wenige Nanometer dünn und schwer herzustellen. „Es gab schon Proben, für deren Herstellung ich Wochen gebraucht habe“, erinnert sich Butz, der sich jetzt auf die Suche nach entsprechenden Fachkräften für sein Labor begibt. „Es gibt wenig spezialisierte Ausbildung in diesem Bereich. Meine Studierenden und DoktorandInnen sollen aber lernen, Proben nicht nur zu mikroskopieren, sondern auch selbst herzustellen.“ Daher wird Prof. Butz im kommenden Sommersemester die ersten Fachvorlesungen in der Mikro- und Nanoanalytik für Master-Studierende verschiedener Studiengänge anbieten.

Neben der Charakterisierung von Materialien wird sich der Lehrstuhl zukünftig verstärkt der Entwicklung von Materialien widmen. „Die Entdeckung neuer Materialien ist maßgeblich für die Entwicklung besserer Produkte für wichtige gesellschaftsrelevante Bereiche wie der Energieversorgung und der Medizintechnik verantwortlich; Themen, die uns alle betreffen und die uns in unserer Forschung antreiben.“

Obwohl Prof. Butz erst seit drei Monaten an der Uni Siegen ist, hat er schon viele Kontakte geknüpft. Er hält Vorlesungen für MitarbeiterInnen und hat erste Kooperationen mit KollegInnen aus anderen Fachbereichen geplant. Das ist für ihn selbstverständlich: „Die Expertisen sind ja verteilt, also muss man interdisziplinär zusammenarbeiten, um wettbewerbsfähig zu sein. Und wenn man hier durch die Flure läuft, erkennt man, wie vielseitig die Forschungsaktivitäten sind. Das ist beeindruckend und macht sehr viel Spaß.“

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