(wS/bilt) Siegen 20.10.2023 | Mit Überraschung hat die Bürgerinitiative Leimbachtal die Stellungnahme der Verwaltung zur baurechtlichen Einordnung des Bauprojektes Obdachlosencontainer direkt am Leimbachstadion zur Kenntnis genommen. War bislang gegenüber den Anwohnern stets argumentiert worden, dass man sich bei der Baugenehmigung auf eine Bebauung im Außenbereich mit Sonderbefugnissen, die in NRW für Flüchtlingsunterkünfte geschaffen wurde, beruft, macht man nun während einer Ratssitzung eine Kehrtwende und argumentiert, dass es sich bei der Freifläche um einen unbeplanten Innenbereich handelt.
„Was gilt denn nun?“, fragt Guido Müller verwundert für die BI. „Es muss ja bei der Prüfung festgestellt worden sein, dass man hier im Außenbereich bauen will. Ein Blick ins Geo-System der Stadt oder des Kreises reicht da aus. Und genau so wurde bei der Akteneinsicht auch argumentiert. Ich vermute, dass man sich juristisch beraten hat lassen und deshalb von der ursprünglichen Rechtsauffassung Abstand genommen hat – und ich kann den Bürgermeister und sein hektisches Agieren verstehen. Wenn er die Containersiedlung hier im Leimbachtal nicht hinbekommt, wird das nirgendwo in Siegen mehr funktionieren, dann steht er mit dem Rücken an der Wand.“ Für die Menschen, die dort einziehen sollen, wäre es die beste Lösung, nicht in Container einziehen zu müssen, ist sich Gabriele Cülter sicher. Sie wohnt direkt gegenüber der geplanten Containersiedlung und kritisiert die Abschiebung der derzeit aufgrund ihrer Psyche nicht in eine Gemeinschaftsunterkunft unterzubringenden Obdachlosen in eine Containerunterbringung energisch.
„Nicht nur die Angst in der Nachbarschaft ist groß, dass die Situation hier eskaliert. Auch die Stadt hat mittlerweile mit einem 24-Stunden-Sicherheitskonzept auf die Ängste der Menschen an der Leimbachstraße und am Rosterberg reagiert. Was im Grunde auch ein Signal ist, dass die Situation am Stadion doch gefährlicher ist, als ursprünglich vom Sozialdezernent Andree Schmidt vor drei Wochen auf einer ersten Informationsveranstaltung vollmundig erklärt wurde.“ Gabriele Cülter macht deutlich, dass es keine gute Lösung ist, dass man acht Menschen mit schweren seelischen Problemen direkt nebeneinander Tür an Tür in einem Container unterbringen will. „Müssen erst die Anwohner hier im Leimbachtal den Sozialdezernenten darauf hinweisen, dass das fahrlässig ist?“
Juristische Prüfung unabdingbar
Die Bürgerinitiative war allerdings darauf vorbereitet, dass der Bürgermeister versuchen wird, ein juristisches Schlupfloch zu finden, um die Baugenehmigung zu rechtfertigen. Thomas Drößler, Architekt und selbst direkter Anwohner macht deutlich: „Es ist aus unserer Sicht abenteuerlich zu glauben, dass man das Gelände nach den Kriterien des „unbeplanten Innenbereichs“ beurteilen kann. Das schafft man vielleicht bei kleinen Baulücken, aber nicht bei einem Gebiet mit mehreren tausend Quadratmetern. Ein Gebiet dieser Größe ist ohne eine Bauleitplanung, die es nicht gibt, bauplanerisch überhaupt nicht definiert, es liegt eine sogenannte Außenbereichsinsel im Innenbereich vor. Die genehmigte Wohnnutzung widerspricht völlig der Eigenart der näheren Umgebung und der städtebaulichen Nutzung des Gebietes als Freifläche mit städtebaulicher Funktion. Nach Klarstellungssatzung der Stadt Siegen, die sich diese selbst gegeben hat, liegt das Gebiet im Außenbereich und der Flächennutzungsplan setzt eine Grünfläche fest.“
Die Bürgerinitiative war auf diese Winkelzüge der Stadt vorbereitet und kann deshalb auch flexibel juristisch handeln. Eine Eingabe nach Arnsberg wird auf den Weg gebracht. Nun heißt es abwarten. „Uns ist klar, dass Recht haben und Recht bekommen nicht das Gleiche ist. Aber wir haben unser Anliegen gründlich geprüft und von verschiedenen Anwälten beraten lassen. Da die Politik ihre Wähler im Leimbachtal vergisst, bleibt uns nur der juristische Weg.“
„Wir werden nicht vergessen, wer uns in Stich gelassen hat“
Entgegen der im Rat der Stadt Siegen vertretenen Parteien hat die BI sogar der Stadt Alternativen genannt, an denen die betroffenen Obdachlosen besser und zentraler untergebracht werden können, im Idealfall sogar in Häusern. Sandstraße, das Gelände von Eisenmuscheid, der Parkplatz beim ehemaligen Betramsgelände oder das leerstehende Betriebsgelände bei Flender Rohre Richtung Eiserfeld, eine städtische Fläche in der Nähe von der Tafel und dem Obdachlosencafé „Patchwork“ in Weidenau oder auch eine seit Jahren nicht angegangene Baulücke am Marbuger Tor.
Die Stadt hat also Alternativen, natürlich brauchen alle diese Standorte Zeit zur Entwicklung. Zeit, die die Stadt gehabt hätte, wenn sie frühzeitig aktiv geworden wäre. Die Nachbarschaft ist erzürnt, dass man nach dem politischen Einknicken in Geisweid nun das Baueropfer sein soll. Jürgen Blumentrath, Anlieger der Leimbachstraße, ist sich sicher: „Wir werden nicht vergessen, wer uns bei diesem Projekt im Stich gelassen hat.
Von den Wahlkreiskandidaten haben nur FDP und der ehemalige CDU-Chef und mittlerweile aus der Partei ausgetretene Rüdiger Heupel das Projekt verhindern wollen.“ Sarah Ricken, die den Grill am Stadion in der dritten Generation führt, fürchtet um ihre Existenz. „Die Stadt weiß nicht, was sie diesem Stadtteil antut.
Allerdings fühlt es sich gut an, wie sich die Menschen im Leimbachtal solidarisieren. Von Bürgermeister Mues bin ich menschlich enttäuscht.“ Die Bürgerinitiative wird nun die Ergebnisse der Prüfung abwarten. Parallel wird man gegenüber dem Petitionsausschuss des Landtages NRW den Sachverhalt darlegen und um Prüfung bitten.
SI GIS-Material Leimbachtal: Ein schneller Blick ins GEO-System der Stadt zeigt deutlich, dass es sich bei dem geplanten Bauprojekt um eine Fläche im Außenbereich handelt. Genau das lassen die Nachbarn der Leimbachstraße jetzt prüfen.