Ein Nationalpark als Chance für die Region

(wS/ahk) Siegen 11.03.2024 | Das Für und Wider zur Errichtung eines Nationalparks am Rothaarkamm auf Grundlage von Fakten abzuwägen, dazu hatten die heimischen Naturschutzverbände BUND, Nabu, AG Rothaargebirge und LNU am Samstag in die Siegerlandhalle eingeladen. Zahlreiche Interessierte nutzten die Gelegenheit, mit ausgewiesenen Nationalparkexperten die Chancen und Risiken für die Region zu diskutieren.

Natur unabhängig von Nutzungsansprüchen Natur sein lassen, Prozessschutz zu bieten, dadurch Artenvielfalt zu fördern sowie zusätzlich Umweltbildung und Naturerholung zu ermöglichen, darin liegen die Ziele eines Nationalparks, wie die Nabu-Vorsitzende, Prof. Dr. Klaudia Witte, definierte. Sie beschrieb die mögliche Flächenkulisse des Rothaarkamms, seine schon heute bestehenden Schutzgebiete und die überregionale Bedeutung, etwa für Wildtierwanderungen.

Den Anfang der einleitenden Kurzreferate machte aber zunächst Dr. Benedikt Scholtissek, der im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW das für die Landschaftsplanung, die Eingriffsregelung sowie die Schutzgebiete zuständige Referat leitet, das den Findungsprozess für einen zweiten Nationalpark fachlich begleitet. Er schickte einen Gruß an den bisher einzigen NRW-Nationalpark in die Eifel, der zur gleichen Zeit sein 20-
jähriges Bestehen feierte, unter anderem mit politischen Akteuren jeglicher Couleur.

Dr. Scholtissek hob hervor, dass es der Landesregierung ein wichtiges Anliegen sei, keine bestimmte Fläche vorzugeben, sondern die Regionen einzuladen, sich aktiv und gestalterisch selbst für einen zweiten Nationalpark zu bewerben. Die Aufgabe des Landes bestehe in der Bereitstellung der Staatswaldflächen und der finanziellen und personellen Ausstattung des Parks.

Wie eine solche Ausgestaltung aussehen kann, legten Claus-Andreas Lessander, Förster und Mitentwickler des Nationalpark Hunsrück-Hochwald sowie der Biologe Ralf Kubosch dar, der am Nationalpark Kellerwald-Edersee Projekt mitgewirkt hat.
Beide betrachten ihren jeweiligen Nationalpark als enormen Gewinn sowohl für die Naturentwicklung als auch für die wirtschaftliche Prosperität der Region. Claus-Andreas Lessander betonte die mittlerweile starke Identifizierung der Bevölkerung mit ihrem Park in einer Gegend, die früher keinen solchen Zusammenhalt kannte. Im Hunsrück sei es früh durch das Zusammenspiel von Land, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gelungen, einen positiven Prozess in Gang zu bringen. So konnten Verordnungen im Konsens gestaltet werden – mit viel Freiraum für die Bevölkerung sich einzubringen. Dieser Entwicklungsprozess kann in seinem Buch „Der Ruf nach Wildnis, die Geburtsstunde eines Nationalparks“ sehr gut nachverfolgt werden.

Bedenken vor zu vielen Restriktionen beschäftigten erwartungsgemäß die anwesenden Zuhörer. Fragen zu möglichen Einschränkungen beim Wandern, Fahrradfahren oder der Pilz- und Beerensuche, wurden mit Beispielen aus der Praxis beantwortet. Für alle Aktivitäten können im Prozess der Nationalparkentwicklung naturverträgliche Lösungen gefunden und vereinbart werden.

Die Sorge vor verkehrlichen Einschränkungen entkräftete der bei Straßen NRW für die Planung von „57-verbinden“ zuständige Projektleiter Kevin Lass. Ein Nationalpark, so betonte er, steht dem Ausbau der B 62 nicht im Wege. Ein vorgesehener Korridor gibt genügend Raum für die gesetzlich festgelegten Planungen. Klaudia Witte strich mit Hinweis auf den künftigen Regionalplan hervor, dass die gewerblich-industrielle Entwicklung nicht beeinträchtigt ist, weil im betreffenden Gebiet weder Gewerbe- noch Baugebiete oder Windenenergiezonen liegen oder vorgesehen sind. Da es keine Pufferzonen außerhalb der Nationalparkgrenzen gibt, gelten jegliche Bestimmungen ohnehin nur innerhalb der Nationalparkgrenzen.


Wie die Region von einer Bewerbung profitieren kann, rückte der Geschäftsführer der Dieter Mennekes Umweltstiftung (DIMUS), Dipl. Biologe Peter Schauerte, in den Blick. Mit viel Erfahrung bei der Umsetzung internationaler Vereinbarungen zur Biodiversität und zum Klimawandel, warf er ein Schlaglicht darauf, dass sich Deutschland zu mehr Artenschutz auf mindestens 2 Prozent der Landesfläche verpflichtet hat – beispielsweise durch die Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention, die weltweit mehr als 190 Länder unterzeichnet haben. Die 16 in Deutschland bestehenden Nationalparks machen 0,6 Prozent der Landesfläche aus. Insofern werde es früher oder später weitere Schutzgebiete geben müssen. Jetzt habe Siegen-Wittgenstein die große Chance, sich aktiv in den Prozess einzubringen und sämtliche Vorteile, die durch eine Nationalparkausweisung entstehen, abzuschöpfen. Auch DIMUS könne sich vorstellen, ihr 338 ha großes Wildnisentwicklungsgebiet am Rothaarkamm bei Heilgenborn einzubringen. Wichtig sei, dass sich jede und jeder in den Prozess einbringen kann, um das Projekt gemeinsam zu gestalten und Konsens zu erzeugen.
Dazu haben die vier heimischen Naturschutzverbände mit der ersten Informationsveranstaltung für die Öffentlichkeit nun einen Anstoß gegeben. Alle Referentinnen und Referenten standen auch nach der Veranstaltung bei Snacks und Getränken noch für Gespräche zur Verfügung und sorgten für zufriedene Gesichter der rund 100 Besucherinnen und Besucher.

Unter https://nationalpark.nrw.de/dialoge/siegen-wittgenstein stehen weitere Informationen zur Verfügung.

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