Pflegefamilien: „Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können!“

wS/ksw      Siegen-Wittgenstein –  Den 22. Mai 1989 wird Iris H. wohl niemals vergessen. Dieser Tag, ab dem sie in einer Pflegefamilie lebte, ist ein Wendepunkt im Leben der 37-Jährigen gewesen. „Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können“, so ihr Fazit heute. Anfangs hat sie das nicht immer so gesehen. Heute will sie nun selbst Pflegekinder aufnehmen.

Als Iris drei Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern. Danach lebte sie viele Jahre bei ihrer Mutter, die an Krebs erkrankt war. Dadurch musste das kleine Mädchen früh Verantwortung übernehmen. Als sie nach dem Tod der Mutter bei ihrem Vater lebt, erfährt sie keine familiäre Geborgenheit. Im Gegenteil: Der berufstätige Vater war mit der Erziehung seiner Kinder vollkommen überfordert und nicht in der Lage, seinen Aufgaben als Vater nachzukommen, warum auch nie eine Bindung und Beziehung zwischen Vater und Tochter entstanden ist. Und wieder stand eine neue Station an: Iris zog zur ihrer Schwester, bis sich herausstellt, dass auch die eine Familie nicht ersetzen kann.

Mit 14 Jahren erlebt Iris zum ersten Mal in ihrem Leben das Geborgensein in einer Familie. Sie erlebt, was es heißt, dass für sie gesorgt wird, dass ihr Rückhalt gegeben und Verantwortung abgenommen wird und dass es Regeln gibt, an die sie sich halten kann und muss. „Gemeinsam zu Abend zu essen, zu einer bestimmten Uhrzeit zuhause sein oder gefragt werden, ob ich meine Hausaufgaben gemacht habe, um nur einige Beispiele zu nennen – all das kannte ich vorher überhaupt nicht“, so Iris. Natürlich verlief das Leben der Pflegefamilie nicht konfliktfrei. „Ich war damals mitten in der Pubertät, wollte meine Freiheiten nicht aufgeben. Deshalb habe ich gegen diese neuen Erfahrungen und Regeln rebelliert“, sagt sie. Dass sie in ihre neue Familie, ihre „Ersatzfamilie“, so gut hineingewachsen ist, ist dem Engagement ihrer Pflegemutter zu verdanken, die sehr einfühlsam und geduldig war sowie durch die vorherige Betreuung mehrerer Pflegekinder über vielfältige Erfahrungen und Kenntnisse verfügte. Deshalb waren auch nicht wie sonst üblich regelmäßige Gespräche mit einer Fachkraft vom Jugendamt erforderlich, in denen besondere Situationen des Alltags mit Pflegemutter und Pflegekind besprochen werden. „Das Pflegeverhältnis verlief mit allen Höhen und Tiefen positiv.“ Mit diesen Worten resümiert Iris H. heute das Aufwachsen in ihrer Pflegefamilie.

Die positiven Erfahrungen in ihrer Pflegefamilie haben die heute 37-Jährige motiviert, nun selbst Kinder aufzunehmen, die aus verschiedensten Gründen nicht bei ihren Eltern leben können. Aus eigenem Erleben weiß die engagierte Frau, dass der Grundsatz „Blut ist dicker als Wasser“ nicht funktioniert. „Obwohl ich meine ‚neuen’ Geschwister erst sehr viel später kennen gelernt habe, habe ich zu einigen von ihnen ein sehr viel engeres Verhältnis, weil nur die mit Leben gefüllten Beziehungen zählen.“

Der erste Schritt für Iris und ihren Mann, nun selbst Pflegeeltern zu werden, ist getan: Gemeinsam haben sie an einem Vorbereitungskurs für Pflegeeltern beim Fachservice „Jugend und Familie“ des Kreises Siegen-Wittgenstein teilgenommen und u.a. dadurch die Voraussetzung für die Aufnahme eines Pflegekindes geschaffen.

 

Familiäre Geborgenheit und Sicherheit – das brauchen Pflegekinder aus verschiedensten Gründen.

 

Hintergrund:

Im Zuständigkeitsbereich des Kreises Siegen-Wittgenstein leben derzeit 166 junge Menschen im Alter von 0 bis 21 Jahren in Pflegefamilien.

Aufgrund bestimmter Lebensumstände ist es nicht allen Kindern möglich, in ihrer Herkunftsfamilie zu leben. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig, wie z.B. psychische Krankheit eines oder beider Elternteile oder eine Suchterkrankung. Dies führt häufig zu Lebenskrisen, was Kindern wenig Sicherheit und Geborgenheit für ein gelingendes Aufwachsen ermöglicht.

Der Fachservice „Jugend und Familie“ des Kreises und seine Partner beraten und begleiten Pflegefamilien in allen Phasen, angefangen von der Vorbereitung auf ein Pflegeverhältnis über plötzlich auftretende Fragen und Probleme bis hin zu Verselbständigung älterer Pflegekinder. Darüber hinaus gehören Weiterbildungsangebote und der Austausch mit anderen Pflegeeltern zu den Serviceangeboten.

Partner des Kreises sind der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Siegen, Häutebachweg 5 in Siegen, Telefon: 0271 23252-21, das Diakonische Werk im Kirchenkreis Siegen, Friedrichstraße 27, Telefon: 0271 5003-250, sowie das Diakonische Werk Wittgenstein gGmbH, Schützenstraße 4 in Bad Berleburg, Telefon: 02751 921-426.

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