170 Teilnehmer informierten sich über Alternativen zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen

wS/ksw   Siegen – Wittgenstein  –   Die Reduzierung oder Vermeidung von Freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) in der Pflege ist möglich! Das war die gemeinsame Erkenntnis der Teilnehmer einer Fachtagung, die kürzlich in Siegen stattfand. Über 170 Teilnehmer aus allen Fachrichtungen der sozialen und pflegerischen Arbeit waren der Einladung gefolgt. Das Amtsgericht Siegen und der Kreis Siegen-Wittgenstein, vertreten durch Betreuungsbehörde, Heimaufsicht und Zukunftsinitiative 2020, hatten hochkarätige Referenten geladen, um sich ganz bewusst dieser Problematik der pflegerischen Versorgung zu stellen.

Freiheitsentziehende Maßnahmen wie Fixierungsgurte, Bettgitter, Stecktische und Psychopharmaka stellen einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte, die Würde und die Lebensqualität von hilfsbedürftigen Menschen dar. Im Spannungsfeld zwischen pflegefachlicher Fürsorge und einer sich verselbstständigenden Fixierungsroutine gab die Fachtagung allen Beteiligten Anstoß, erneut jede dieser Maßnahmen kritisch zu hinterfragen und Alternativen genauestens zu prüfen.

Fakt ist, dass immer noch eine Vielzahl von Freiheitsentziehenden Maßnahmen zum Arbeitsalltag von Heimen und Krankenhäusern gehören und letztlich auch im häuslichen Bereich eingesetzt werden. Der am häufigsten genannte Grund dafür ist die Befürchtung, dass hilflose Personen stürzen und sich verletzen könnten.

Der Einsatz von Freiheitsentziehenden Maßnahmen muss bei fehlender Einsichtsfähigkeit der Betroffenen durch das Betreuungsgericht genehmigt werden. Unser Nachbarland, die Niederlande, hat FEM zum Zwecke der Sturzprophylaxe seit 2011 gänzlich verboten. Aus aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass diese Maßnahmen nicht geeignet sind, Stürze wirklich zu vermeiden. Fixierungen oder ähnliches werden zudem nicht nur vom Betroffenen, sondern auch von Angehörigen oder Betreuern als sehr belastend erlebt. Interessant ist, dass schon heute einige Einrichtungen ganz ohne Freiheitsentziehende Maßnahmen auskommen, während in anderen Einrichtungen – bei gleicher Risikolage der Bewohner – die Maßnahmen noch zum Alltag gehören.

Mit Prof. Dr. Doris Bredthauer erläuterte eine ausgewiesene Spezialistin sehr anschaulich die Alternativen zu FEM. Praxisorientierte Hinweise gab Peter Dürrmann, Heimleiter von Haus Holle, einer Pflegeeinrichtung in Niedersachsen, in der seit über 10 Jahren gänzlich auf FEM verzichtet wird. Dr. Paul Springer als Referent und Mitveranstalter klärte über die rechtlichen Grundlagen auf und gab Verfahrenshinweise für den Fall, dass ein FEM trotzdem notwendig wird. Die Rechtsassessorin und Berufsbetreuerin Christiane Schrodt referierte sehr praxisbezogen zum Thema Haftungsfragen.

Eine ausführliche Dokumentation der Fachtagung mit vielen hilfreichen Tipps und Links ist für alle Interessierten auf der Homepage des Kreises Siegen-Wittgenstein in der Rubrik Bürgerservice, Gesundheit und Verbraucherschutz – Betreuungsbehörde nachzulesen.

Prof. Dr. Doris Bredthauer demonstrierte anschaulich, welche Gefahren bei einer Fixierung entstehen können.

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