Gastspieltheater Apollo in Siegen mit „Willkommenskulturen“

Schöne Sonntage für Flüchtlinge

(wS/ap) Siegen | Seit über einem Jahr engagiert sich das Siegener Apollo-Theater, ein Haus überwiegend mit Gastspielen, das allerdings auch einige Eigenproduktionen zeigt, für „Menschen mit und ohne Heimat“. So heißen bei den Theatermachern die neue angekommenen Flüchtlinge und ihre deutschen Unterstützer. Das Apollo fährt dabei eine Linie, die sich unterscheidet von der an Ensemble-Bühnen.„Integration bedeutet ja nicht nur, auf der Bühne das Thema Flucht zu verhandeln“, meint Apollo-Intendant Magnus Reitschuster. „Integration heißt doch auch, Neuankömmlinge selbstverständlich mit hineinzunehmen in unsere Theaterhäuser, unsere Sprache, unsere Gemeinschaft, unsere Musik, unsere Kultur.“

Zum Beispiel mit dem aktuellen Apollo-Angebot „Der schöne Sonntag“: Dabei werden Menschen aus heimischen Flüchtlingseinrichtungen mit Ehrenkarten, die das Theater aus seinem Bildungsfonds finanziert, eingeladen. Vor dem Theaterbesuch steht jeweils eine Aktionzusammen mit der dazu gehörenden Patengruppe. So wird beispielsweise die Eichener Hauptschule, die mit ihren Integrationsklassen und ihren deutschen Schulpaten zur Apollo-Eigenproduktion „Ziemlich beste Freunde“ ins Theater kommt, zuvor einen Rap-Workshop im städtischen Jugendzentrum BlueBoxerleben. Den leitet der aus dem Libanon stammende Rapper B. E. alias Mohamed El-Chartouni, der zur Zeit in seinem eigenen Stück auf der Apollo-Bühne steht, einer Rap-Revue zum Thema Integration mit dem Titel „Fahr‘ deinen Film“. Und die abendliche „Ziemlich beste Freunde“-Vorstellung wird erstmalig – eigens für die Flüchtlinge – mit arabischen Untertiteln laufen.

Im Theater gibt es zuerst ein spezielles „Apollo begrüßt“ für die Gäste mit einer kurzen gedolmetschten Stück-Einführung – und nach der Vorstellung ein „Cometogether“ bei Orangensaft und Keksen. „Der schöne Sonntag“ soll helfen, Schwellenängste abzubauen, Kontakte zu stärkenund den Neuankömmlingen die kulturellen Infrastrukturen im Siegerland näherzubringen.

Angefangen hatte das alles im Herbst 2014, als Misshandlungen in der Flüchtlingsübergangseinrichtung Burbach, nahe bei Siegen, bekannt wurden. Das Apollo-Theater lud daraufhin spontan 100 Burbacher und Siegener Flüchtlinge als Ehrengäste in die Vorstellung „Ich habe einen Traum“ ein, wobei Martin Luther Kings berühmte „I have a dream“-Rede an diesem Abend auf Arabisch rezitiert wurde. Die Reaktionen des Publikums, auch der muslimischen Zuhörer, waren überwältigend. „Wir wollten damals auch ein klares Signal gegen Pegida setzen“, betonte Intendant Reitschuster. Die gesellschaftliche Resonanz in ganz Südwestfalen war stark und positiv.
Im Dezember gab es dann – finanziert durch Welcome-Gutscheine, die das Apollo-Publikum an der Theaterkasse gekauft hatte – eine „Ronja Räubertochter“-Vorstellung mit anschließender Bescherung für eine große Zahl von Flüchtlingskindern. Das Siegener Theaterpublikum hatte dafür hunderte von Geschenkpäckchen mitgebracht.

Das Publikum schätzt diesen ebenso pragmatischen wie nachhaltigen Apollo-Ansatz – und zwar so sehr, dass auch spontane Aktionen innerhalb weniger Tage zum Erfolg werden.

Ein Theaterfoyer voller Schlafsäcke, Zelte und Iso-Matten (Foto: Apollo-Theater Siegen)

Ein Theaterfoyer voller Schlafsäcke, Zelte und Iso-Matten (Fotos: Apollo-Theater Siegen)

Als Moritz Reitschuster, der 28-jährige Sohn des Apollo-Intendanten, Anfang Oktober von einem Einsatz an der serbisch/kroatischen Grenze zurückkam, wo Tausende aus Syrien und Afghanistan gestrandet waren, brachte ein kurzfristiger Aufruf hunderte von Iso-Matten, Zelten und Decken, die sich im Theaterfoyer türmten, sowie Geldspenden, mit denen 5.000 Regen-Capes finanziert werden konnten. Inzwischen hat der Junior Fotos von der Verteilung der Apollo-Spenden in Tovarnik getwittert und dazu drei Worte: „Thankyou, Siegen!“

Moritz (l.) und Magnus Reitschuster, Intendant des Apollo-Theaters Siegen.

Moritz (l.) und Magnus Reitschuster, Intendant des Apollo-Theaters Siegen.

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