Spiegel der Gesellschaft: „Was Kinder aus dem Leben vor der Schule mitbringen, leben sie auch in der Schule weiter“
(wS/siwi) Siegen – „Lehrer sein ist Beziehungsarbeit. Man muss erkennen, was die Schülerinnen und Schüler brauchen. Und man muss als Lehrer glaubhaft vermitteln können, dass man ernsthaft am Lernerfolg der Kinder interessiert ist. Wenn das ankommt, dann funktioniert Schule.“ In diesem Satz fasst Ingrid Walder die Erfahrungen ihres Berufslebens als Lehrerin, Schulleiterin und Schulrätin zusammen. 32 Jahre war sie im Schuldienst, seit 2008 ist sie als Schulrätin im Kreis Siegen-Wittgenstein tätig. Jetzt geht sie in den Ruhestand.
Vieles hat sich in den rund 40 Jahren ihrer Berufstätigkeit verändert: „Kinder sind Spiegel der Gesellschaft. Was sie aus dem Leben vor der Schule mitbringen, leben sie auch in der Schule weiter. Veränderungen in der Gesellschaft machen sich so auch immer in der Schule bemerkbar“, sagt Ingrid Walder.
1976 stand sie zum ersten Mal vor einer Klasse – in der Hauptschule in Kreuztal-Eichen: „Ich hatte damals gemischte Gefühle“, erinnert sie sich. „Ich habe mich darauf gefreut, mit den Kindern zu arbeiten. Gleichzeitig war ich aber auch unsicher: Gehe ich richtig auf die Kinder ein, reagiere ich richtig? Mache ich alles so, dass die Kinder auch wirklich etwas lernen?“
Die Hauptschule in Kreuztal-Ferndorf (ab August 1976) und die katholische Grundschule Kreuztal (ab August 1989) waren weitere Stationen für die Lehrerin Ingrid Walder. 1998 übernahm sie schließlich als Rektorin die Leitung der Stahlbergschule in Hilchenbach-Müsen. Bis zum Wechsel in das Schulamt hatte sie diese Stelle inne. Noch heute spricht sie gerne von „meiner Schule“, wenn sie an die Stahlbergschule denkt.
In den rund vier Jahrzehnten ihrer Tätigkeit hat sich im Unterricht vieles verändert. Immer wieder gab es neue Richtlinien und Lehrpläne. Am Anfang stand noch Mengenlehre auf dem Stundeplan. verschwand aber schnell. Mitte der 80er Jahre tauchte erstmals das neue Fach „GRIN“ auf – „Grundbildung Informatik“ – und damit hielten die Computer Einzug in die Schulen. „Ich habe mit der Programmiersprache Pascal ein Programm geschrieben, um Bruchrechenaufgaben zu üben“, erzählt Ingrid Walder. „Damals gab es eine Diskussion, ob die Kinder besser nur mit Papier und Stift oder doch mit dem Computer arbeiten sollten. Meine Erfahrung war: Die Computer waren für die Schülerinnen und Schüler hoch attraktiv und die Leistungen waren spürbar besser.“
Anfang der 90er wehte wieder ein neuer Wind durch die Schulen: „Handlungsorientierung im Unterricht“ war das Stichwort dazu. Ziel war, dass die Kinder im Unterricht selbsttätig arbeiten. Statt Frontalunterricht war nun „Freiarbeit“, „Werkstattunterricht“ oder „Arbeiten an Stationen“ gefragt.
Aber nicht nur im Unterricht hat sich im Laufe der Zeit vieles verändert: „Die Erwartungshaltung der Gesellschaft aber insbesondere auch der Eltern, was Schule mit ihren Kindern leisten und erreichen soll, sind gewaltig gestiegen“, stellt die Schulrätin fest.
Neben der Tätigkeit in der Schule war Ingrid Walder von 1992 bis 1999 Fachleiterin für Mathematik am Lehrerseminar in Siegen. „Mit erwachsenen Menschen zu arbeiten war ein schöner Kontrast zur Schule. Diese pädagogische Arbeit hat eine ganze andere Qualität. Gleichzeitig hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen von Unterrichtsbesuchen viele andere Schulen kennenzulernen. Dort habe ich dann ganz konkret erlebt, was woanders wie praktiziert wird. Und ich konnte mir gute Ideen für die Arbeit an der eigenen Schule mitnehmen.“
Im Schulamt für den Kreis Siegen-Wittgenstein war Ingrid Walder für die Grundschulen in Wittgenstein, Netphen und Siegen zuständig, zeitweise auch für Freudenberg. Hier war sie in den letzten Jahren auch immer wieder mit dem Thema „Schließung von Grundschulen“ konfrontiert – „keine schöne Entwicklung, aber den Gegebenheiten geschuldet“, sagt sie: „Wenn Grundschulen zu klein werden, ist es schwierig die notwendige Lehrerversorgung sicherzustellen, insbesondere mit Blick auf die fachlichen Anforderungen. Nicht jeder Lehrer kann alles. Gleichwohl möchten die Eltern eine optimale Ausbildung für ihre Kinder, damit sie im Idealfall dann aufs Gymnasium gehen können“ – ein nur schwer auflösbarer Widerspruch.
Auch für die Lehrer ist die Arbeit an diesen kleinen Schulen eine enorme Belastung, weil auf zwei oder drei Schultern die ganze Verantwortung lastet. „Wenn ein Lehrer Grippe hat und der zweite sich noch ein Bein bricht, stehen diese Schulen vor ganz großen Problemen“, weiß Ingrid Walder aus Erfahrung. „Gegen einzügige Grundschulen mit solider Schülerschaft ist gar nichts zu sagen“, unterstreicht sie: „Nur wenn die Zahlen immer kleiner werden, dann führt am Ende an einer Zusammenlegung oder Schließung kein Weg mehr vorbei.“
Neben der Aufsicht über die Grundschulen widmete sich Ingrid Walder als Schulrätin auch verschiedenen Schwerpunktthemen: Etwa dem Schulsport, der Offenen Ganztagsschule, der Gesundheitserziehung, katholischer Religion, Mathematik und den Schulkonzerten – um einige Beispiele zu nennen.
So hat sie im Schulsport im vergangenen Jahr die große Aktionswoche „Sport im Trend – Südwestfalen bewegt seine Jugend“ mit auf den Weg gebracht. Auch an der Entstehung des Schülerlaufs in Siegen war sie beteiligt. Sehr erfolgreich laufen nach wie vor auch die Nichtschwimmerkurse im Rahmen das Landesprogramms „NRW kann schwimmen“. Hunderte Schüler haben so in den Ferien schwimmen gelernt – „inzwischen ein Selbstläufer“, freut sich Ingrid Walder.
Im Rahmen der Offenen Ganztagsschule ist es ihr wichtig, die Qualität der Angebote zu stärken und Regelschule und OGS besser zu verzahnen. So finden derzeit vier Fortbildungsveranstaltungen im Jahr statt – für die Lehrkräfte und für die Mitarbeiter der Maßnahmenträger wie z.B. der Kreissportbund, der Verein „Betreuung an Netphener Schulen“ oder der Verein für Arbeit und Soziale Kultur Siegen.
Im Bereich der Gesundheitserziehung arbeitete Ingrid Walder u.a. im Arbeitskreis Zahngesundheit mit. Zudem lag ihr das integrative deutsch-türkische Gesundheitsprojekt an der Geisweider Grundschule und Hüttentalschule besonders am Herzen.
Ein spannendes und abwechslungsreiches Berufsleben geht für Ingrid Walder jetzt zu Ende: „Immer wenn ich das Gefühl hatte, die Aufgabe ist erfüllt, der Wagen ist gut in Fahrt, dann habe ich mich nach neuen Aufgaben umgesehen“, erzählt sie. Und so wird sie es auch im „Ruhestand“ halten. Mehr Zeit für ihre Enkelkinder wird sie sich nehmen – und für Hobbys: Tanzen und Reisen stehen ganz hoch im Kurs. Insbesondere die Berge hat sie im Visier. Und der Schule bleibt sie auch ein bisschen erhalten. Denn trotz Ruhestand sie hat direkt eine neue Aufgabe übernommen: als Jurymitglied im Landesprogramm „Kultur und Schule“.
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