(wS/red) Siegen 18.02.2020 | Pflegeeltern tauschen sich aus
Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen hilft bei Gründung einer neuen Gruppe
Leons Zimmer ist verwaist. Darauf, dass hier ein kleiner Junge gespielt, geschlafen und getobt hat, deutet nicht mehr viel hin. Nur die Tapete mit den blauen Lokomotiven ziert noch die Wand. In einer Ecke steht ein Kindersitz. Martha und Frank Lechner (Namen geändert) brauchen ihn nicht mehr. Sie waren Leons Pflegeeltern, wollten sich um den Jungen kümmern, bis er bereit gewesen wäre, auf eigenen Beinen zu stehen. Doch es kam anders. Die Lechners haben Leon verloren. Die leibliche Mutter klagte die Herausgabe ein. Ein Kampf vor Gericht, mit Anwälten und Verfahrenspflegern, der Nerven kostete und das Familienleben belastete. Über ihre Erlebnisse würde sich das Ehepaar gerne mit anderen Pflegefamilien austauschen. Unterstützt von der Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen möchte das Paar deshalb eine Selbsthilfegruppe gründen.
Die Lechners sind erfahrene Pflegeeltern. Ines (7) und Lea (5) kamen bereits als Säuglinge zu ihnen. Sie wurden im so genannten Dauerpflegeverhältnis aufgenommen, sprich: auf längere Zeit. „Bei Leon war das zunächst anders geplant“, berichtet Martha Lechner. Seiner Mutter ging es nach seiner Geburt psychisch nicht gut. Die Lechners wurden als Bereitschaftspflegefamilie angefragt. Sie sollten Leon für ein paar Wochen aufnehmen. Das Paar sagte gerne zu. Doch aus den Wochen wurden Monate. Es kam die Anfrage, ob Leon auf Dauer bleiben könne. Die Lechners waren auch damit einverstanden. So wurde Leon ein Teil der Familie. Die ersten Worte, die ersten Schritte, die ersten Zähne: All das begleiteten die Lechners.
Später dann gab es Besuchskontakte zur leiblichen Mutter, auf die der kleine Junge zunehmend verstört reagierte. „Es war schwierig, ihn trotzdem zu den Besuchen zu motivieren“, erinnert sich der Pflegevater. Und dann kam der Zeitpunkt, an dem das Gericht entschied, Leon zurück zur leiblichen Mutter zu geben. „Das war für die ganze Familie eine schwere Zeit“, resümiert Martha Lechner. All das liegt nun schon einige Zeit zurück, beschäftigt Eltern und Kinder aber bis heute. Die beiden Mädchen etwa treibt die Sorge um, ob ihnen nicht das Gleiche passieren kann.
In der Familie Lechner hat Leon bis heute einen Platz, obwohl es keine Treffen mehr mit ihm gibt. Beim Sonntagsfrühstück etwa kramt Ines den Eierbecher ihres „Brüderchens“ hervor. Und dann gibt es noch die Fotoalben, in denen die ersten knapp zwei Jahre dokumentiert sind. Die Aufarbeitung dauert an. Aber: „Es gibt halt keine Trauergruppe für Pflegeeltern wie uns“, beschreibt Frank Lechner die Motivation, eine Selbsthilfegruppe gründen zu wollen.
Schwierige Situationen in Zusammenhang mit Besuchskontakten zu den leiblichen Eltern, Rückführung aus Dauerpflege, Gefühle wie Wut und Trauer – solche Situationen kennen auch andere Pflegeeltern. Mit ihnen möchten die Lechners in Kontakt kommen, sich gegenseitig unterstützen. „Wir haben es in dieser Zeit vermisst, uns mit jemandem austauschen zu können, der ähnliche leidvolle Erfahrungen gemacht hat“, erklärt Martha Lechner. Und weiter: „Aber es soll nicht nur um gravierende Fälle gehen, sondern um alles, was Pflegeeltern belasten kann und wo es dann guttut, miteinander ins Gespräch zu kommen.“
Die Gründung der Gruppe begleitet Silke Sartor von der Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen. Wer Interesse an einem Austausch hat, kann sich unter Telefon 0271/500 3130 melden oder per E-Mail an selbsthilfe@diakonie-sw.de Kontakt aufnehmen.
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