Mit den Augen eines Pflegekindes sehen

Buchautorin und Expertin Dr. Bettina Bonus referierte vor Pflegekinderdiensten aus Siegen und Olpe

(wS/red) Siegen 11.06.2018 | Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern können – müssen aber nicht – seelische Probleme und Ängste bei diesen Kindern verschlimmern. Wie wichtig es ist, Besuchskontakte aus den Augen der Pflegekinder zu sehen und zu bewerten, hat Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Bettina Bonus in einer Infoveranstaltung für Mitarbeiter von Pflegekinderdiensten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Siegen und Olpe erläutert. Zu dem Vortrag geladen hatte der Pflegekinderdienst der Diakonie Sozialen Dienste und des Sozialdienstes Katholischer Frauen. 30 Interessierte nutzten die Chance, die Konzepte der Ärztin und Buchautorin kennen zu lernen. Vertreten waren dabei der Pflegekinderdienst des Kreises Siegen-Wittgenstein, die Vormundschaft und der Allgemeine Soziale Dienst der Stadt Siegen, die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle des Evangelischen Kirchenkreises Siegen sowie die Pflegekinderdienste Mogli, Familiennetzwerk Siegen, die Integrierende Familien-Kinder- und Jugendhilfe INFA und Viento Olpe.

Dr. Bettina Bonus, Beraterin und Begleiterin für hochproblematische Pflege- und Adoptivkinder, sprach vor Mitarbeitern verschiedener Pflegekinderdienste und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe aus Siegen und Olpe über Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern. (Fotos: Diakonie)

Der Pflegekinderdienst im Verbund der Diakonie Sozialen Dienste und des Sozialdienstes Katholischer Frauen „ Villa Fuchs“ sucht im Auftrag des Jugendamtes, Pflegefamilien für Kinder, die für kurze Zeit oder auf Dauer nicht in ihrer eigene Familie leben können, begleitet diese in ihrem Alltag und ist ständiger Ansprechpartner. „Eine gute und entwicklungsfördernde Regelung des Umgangs zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern ist ein sensibles Thema in Bezug auf eine notwendige Biografiearbeit der Kinder“, erklärt Daniela Herling, Sozialpädagogin und systemische Familientherapeutin vom Pflegekinderdienst der Diakonie. „Die Ratgeber von Dr. Bettina Bonus werden von zahlreichen Pflegeeltern, die wir betreuen gelesen“, ergänzte Friedegund Läpple, Sozialpädagogin beim Sozialdienst Katholischer Frauen.

Freuten sich über den Gastvortrag von Buchautorin Dr. Bettina Bonus (4. von links) zum Thema Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern (von links): Christina Bugge, Patricia Streckbein, Katharina Peter, Daniela Herling und Friedegund Läpple.

Dr. Bettina Bonus, Beraterin und Begleiterin für hochproblematische Pflege- und Adoptivkinder und deren Familien, ist seit mehr als 30 Jahren in dem Bereich tätig, hat selbst eigene Pflegekinder aufgenommen. In ihrem Vortrag erklärte die Ärztin, wie Erlebnisse und Traumata auf die Gefühlswelt von Pflegekindern einwirken und ihre spätere Persönlichkeitsentwicklung und Psyche beeinflussen – und das bereits im Mutterleib. Kinder, die von ihren leiblichen Eltern vernachlässigt, allein gelassen, misshandelt oder nicht ausreichend mit körperlicher und seelischer Nähe versorgt wurden, sind stark traumatisiert. Die Folgen sind individuell und facettenreich – nicht immer sind die Erlebnisse für Pflegeeltern, Betreuer, Psychologen und Gerichte nachvollziehbar. „Besuchskontakte mit den leiblichen Eltern können bei Pflegekindern große Unsicherheit und Angst auslösen“, so Bonus. Für die Bonnerin sind Besuchskontakte ein heikles Thema, bei dem häufig nicht die Bedürfnisse der Kinder, sondern vor allem auch die Bedürfnisse der leiblichen Eltern im Vordergrund stehen würden. Sie erklärte: „Traumatisierte Pflegekinder brauchen viel Ruhe und Sicherheit. Sie dürfen bei Dauerpflegefamilien in keinster Weise das Gefühl haben, dass sie ihre Pflegefamilie wieder verlassen müssen.“ Die Expertin fordert ein Pflegekindergesetz. Dieses „sollte zum Schutz dieser Pflegekinder beschreiben, dass ein Besuchskontakt mit der Herkunftsfamilie nur dann vorgesehen sind, wenn das Kind andernfalls – also bei einem ausgesetzten Besuchskontakt – in seiner Entwicklung stehen bliebe oder rückwärts ginge.“ Das neue Gesetz müsste verlangen, die möglichen Auswirkungen im Einzelfall zu prüfen. „Wir sollten mit den Augen eines Kindes sehen und mit seinem Herzen fühlen lernen und uns im Hinblick auf Besuchskontakte bewusst machen, was einzelne Kinder durchgemacht haben“, appellierte Bonus.

.

Anzeige/WerbungJetzt clever werben bei wirSiegen.de – Infos hier

[plista widgetname=plista_widget_slide]