(wS/Red) Ferndorf 12.04.2025 | Die epische Schlacht unter dem Kindelsberg
TuS Ferndorf gegen Dessau-Roßlauer HV 26:26 (13:12)
1325 Fans, 12 Trommler, eine Choreo zum Niederknien – und ein Spiel, das alles hatte.
Freundschaft pausiert, Leidenschaft regiert.
Es ist ja irgendwie das Highlight einer Saison, denn es gibt in der Liga wohl kaum eine größere Fanfreundschaft als die der Ferndorfer „Brigade C“ und der aktiven Fanszene des Dessau-Roßlauer HV. Sie besteht schon sehr viele Jahre und zeigt sich in Besuchen, Gegenbesuchen, gemeinsame Feiern und und und und.
So waren sie auch als Tabellenneunter am gestrigen, ungewohnten Freitagabend zu Gast in der Stählerwiese um das Ligaspiel gegen den Tabellenzwölften TuS Ferndorf zu absolvieren.

Collage: Peter Bleil (Ferndorfer Füchse)
Die Botschaft war klar: „Heute brennt die Hütte – aber fair!“ Und so wurde die innige Fanfreundschaft zur Seite geschoben, eingelagert in eine „metaphorische Kühlkammer“, damit auf dem Feld Platz war für das, was folgen sollte, ein heiß umkämpftes Handball-Feuerwerk.
So war es dann auch am gestrigen Abend, die „Brigade C“ hat sich dazu auch wieder mächtig ins Zeug gelegt und eine MEGA-Choreo inszeniert, die der Wichtigkeit dieses Spiels eine passende Untermalung gab.
Was dann den 1378 Zuschauern präsentiert wurde, war Werbung für spannenden Handball, war ein starkes, von beiden Seiten emotional geprägtes Spiel, in dem letztlich keiner als Sieger hervorging. Beide Trainer, Ceven Klatt auf Ferndorfer Seite und Uwe Jungandreas (seit 2014 Trainer beim DRHV) auf Dessau-Roßlauer Seite, werden sich schon ein erfolgversprechendes Süppchen angerührt haben, denn Dessau ist als Drittbestes Auswärtsteam zum bisher in diesem Jahr ungeschlagenen TuS angereist und diese Konstellation versprach schon im Vorfeld Spannung pur.
Eine proppenvolle Halle mit 12 Trommlern der „Ferndorfer Füchse“ hatten ihr „Werkzeug“ gut eingeölt und dem Spiel den akustischen Hochglanz verliehen.
Für einen Freitagabend war es eine sehr gut gefüllte Halle, unser Hallensprecher Kai Brückmann hatte schon akustisch für die richtige Stimmung gesorgt. Bevor das harzige Spielgerät zum Anwurfpunkt getragen wurde, sahen alle eine MEGA-Choreo der „Brigade C“, die ihren Freunden der Dessau-Roßlauer Fanszene gewidmet war. Auf Bannern quer über die gesamte Tribünenbreite war in großen Lettern zu lesen „Solange unsere Fahnen wehen, werden wir zusammenstehen“. Und das Remis zum Schluss unterstrich diese Behauptung und mit dem Ergebnis ließ es sich für beide Fanclubs hinterher gut feiern.
Es war ein Match auf Augenhöhe, aber man hatte ja nicht wirklich etwas anderes erwartet. Nachdem beide Teams ihren ersten Ball nicht unterbringen konnten, markierte Valentino Duvancic das 1:0. Nach einem technischen Fehler der Gäste bekam Gabriel Viana den Ball, konnte ihn aber nicht im Tor unterbringen, und so kam Dessau in der 5. Minute zum Ausgleich. Janko Kevic, heute übrigens bester Ferndorfer Torschütze, hielt den TuS immer wieder im Rennen und sorgte für das 2:1 und auch für das 3:2. Gabriel Viana, kurz danach nach Assist von Janko Kevic, auch für das 4:3, und Marvin Mundus für das 5:3.
Lief doch, aber so einfach war es dann doch nicht. Das Spiel war über die gesamte Länge geprägt von Fehlwürfen, das traf allerdings auf beide Mannschaften zu. Es war wohl auch der Wichtigkeit des Spiels geschuldet, denn in solchen Partien versucht man, möglichst wenig Fehler zu machen und das misslingt dann auch oft.
Das führte aber auch dazu, dass sich keiner wirklich absetzen konnte. Nach dem 5:5 der Gäste verwarf der sonst sichere Josip Eres einen Siebenmeter. Es folgte ein Fehlwurf des DRHV, und die Chance nutzte Can Adanir im Ferndorfer Kasten, um den Ball ins leere Tor zum 6:5 zu werfen. So plätscherte das Spiel vor sich hin – spannend, keine Frage, aber niemand konnte sich wirklich absetzen. Der TuS lag mal mit zwei Toren in Front (10. Minute), die Gäste machten es mit dem 7:9 und 8:10 etwas besser.
Dazwischen gab es sehenswerte Szenen: Janko knallt den Ball im Fallen in die Maschen, Mattis Michel macht mehrfach Bekanntschaft mit dem Hallenboden und beschäftigt gleich zwei Abwehrspieler, er war nicht zu halten. Fabian Hecker steht gut in der Abwehr, umklammerte in einer Szene gleich zwei Dessauer. Nachdem Josip Eres einen Siebenmeter verworfen hatte, tat es ihm in der 25. Minute Hampus Dahlgren gleich und konnte ebenfalls einen Siebenmeter nicht verwandeln, es wäre das 11:11 gewesen. Das machte dann in der 26. Minute Mattis Michel, und Uwe Jungandreas, der Dessauer Coach, nahm danach seine Auszeit. Wer ihn mal beobachtet, wird sich wundern, was dieser Mann für eine Ruhe ausstrahlt und das macht er in Dessau schon im elften Jahr. Beide Teams erzielten in der Folge noch je ein Tor (für den TuS Fabian Hecker), und Valentino Duvancic holte sich eine diskutierfähige Zeitstrafe ab. Das brachte Ferndorf aber nicht aus der Ruhe, denn wiederum Mattis Michel war es, der den Pausenstand von 13:12 markierte.
Das entsprach durchaus dem Spielverlauf, denn vieles wurde durch Fehler vergeben. Nach den 60 Minuten mussten beide Trainer konstatieren, dass ihnen die Fehlerquote doch zu hoch war. Ferndorf kam auf 18 Fehlwürfe und das war definitiv zu viel. Dazu gesellten sich auch noch 10 technische Fehler. Der DRHV präsentierte aber ebenfalls 17 Fehlwürfe und 5 technische Fehler. Ohne diese wären beide Teams wohl auf über 30 Tore gekommen.
Noch in dieser ersten Halbzeit wurde auch Jonas Wilde eingewechselt, nachdem Can Adanir mit nur einer Parade keinen guten Tag hatte, aber dafür haben wir ja auch zwei Torhüter. Zehn Sekunden vor Schluss lag der Ball nach einer Szene neben Jonas Wilde auf dem Boden. Die Mannschaft stürmte nach vorne, und Jonas hatte wohl die Zeit nicht beachtet und nahm ihn nicht sofort auf, um ihn für ein mögliches weiteres Tor nach vorne zu werfen. Das tat er dann – aber zu spät: Die Pausensirene überholte den Ball noch im Flug.
Die zweite Halbzeit war eine „Blaupause“ der ersten: Die beidseitigen Fehlerquoten ließen keinem Team die Möglichkeit, sich weiter abzusetzen. Überragender Spieler dieser zweiten Halbzeit war sicherlich Hampus Dahlgren. Er, der in den letzten Matches weniger Einsatzzeit hatte, wirbelte auf Linksaußen und erzielte vier tolle Treffer. Er kam schon früh für Gabriel Viana ins Spiel, der sich bei einer Aktion verletzte, er fiel wohl auf die Hüfte oder wurde gefoult und hat sich vermutlich eine Hüftprellung zugezogen.
Wieder voll einsatzbereit schien auch Daniel Hideg, den Ceven Klatt noch vor Spielbeginn bei 80 % sah. Er knallte dem Gegner in seiner für ihn typischen Spielweise drei unhaltbare Kracher zwischen die Maschen. Janko Kevic, der schon in der ersten Halbzeit mit vier Treffern brillierte, zeigte auch heute wieder sein Können, glänzte durch traumhafte Pässe und kam über 60 Minuten auf sechs Tore – was ihn gleichzeitig zum besten Ferndorfer Schützen machte.
In dieser zweiten Halbzeit gab es für unsere Jungs Chancen, sich abzusetzen. Möglichkeiten dazu hatten sie beim 18:15 in der 38. Minute, dem 20:17 in der 41. Minute und dem 24:21 in der 47. Minute. Da machte der TuS zu viele Fehler am Stück: Aus dem 20:17 wurde ein 20:20, und aus dem 24:21 ein 24:24. Solche Chancen bekommt man nicht oft und darüber wird sich Ceven Klatt sicher geärgert haben. Da waren Dinger dabei, die muss man einfach reinmachen. Aber dann kommen auch die Nerven ins Spiel – und was sonst meist klappt, gelingt dann einfach nicht.
Nach dem 24:24 haute Ceven Klatt auf den Buzzer, denn in der nun begonnenen Crunchtime wollte man vielleicht doch den doppelten Punktgewinn eintüten. Doch das klappte nicht ganz: Hampus Dahlgren erzielte das 25:24 (53. Minute), den Gegenzug der Gäste eliminierte Jonas Wilde unter tosendem Beifall der Fans. Vogelwilde Szenen sollten noch folgen: Julius Fangers Pass zu Fabian Hecker war zu ungenau, Dessau schnappte sich den Ball noch in der Luft, stürmte auf Jonas Wilde zu (55. Minute) und dieser Teufelskerl hält das Ding schon wieder. Unglaublich.
Nach einem Traum-Assist von Janko Kevic haut Mattis Michel das Ding zum 26:25 ins Gebälk, die Tribüne gleicht einem Tollhaus. Dann ist Dessau wieder am Zug, und Tillmann Leu bringt 50 Dessauer Fans ins Schwärmen, als er das 26:26 erzielt. Es waren gespielte 56:42 Minuten, in denen noch so viel hätte geschehen können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Es folgte ein Finale-Kuriosum, wie es Edgar Wallace nicht besser hätte schreiben können.
Eins mal vorweg: Nach Ferndorfs letztem Tor von Mattis Michel (55:35) und Tillmann Leus 26:26 (56:42) war Schicht im Schacht. Janko Kevic holte eine Zeitstrafe gegen Dessau heraus (57:22), doch Josip Eres verfehlt das Tor, die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt. Fritz-Leon Haake von Dessau macht es nicht besser, auch er produziert einen Fehlwurf. Die TuS-Fans halten den Atem an, jetzt sollte doch was gehen. Dachten alle. Dachte auch Josip Eres, knallt das Ding aber an die Querlatte (58:56). Vogelwilde Aktionen prägten diese Crunchtime: Auszeit Dessau (59:18), dann wirft Haake den Ball ans Ferndorfer Außennetz (59:42), wieder nichts. Ceven Klatt nimmt noch eine Auszeit, und fast mit der Sirene kommt Daniel Hideg noch einmal zu einem Wurf aus dem Rückraum, doch es wird der Fehlwurf Nummer 18 für Ferndorf. Aus. Schluss. Vorbei. Dieser Handballkrimi endet, wie schon das Hinspiel, mit einem Remis.
Hat Daniel Hideg den Sieg verschenkt? Oder war es Josip Eres? Oder, oder, oder? Wir denken, das haben die Ferndorfer nach dem 20:17 oder dem 24:21 aus der Hand gegeben – da hatte man die Möglichkeit. War es nun für Ferndorf ein gewonnener oder ein verlorener Punkt? Das möge jeder für sich selbst entscheiden. Wir finden: Es war ein gerechtes Unentschieden, und beide Mannschaften können damit leben. An der Tabellensituation ändert sich nichts: Der Abstand zu den Abstiegsplätzen ist geblieben, und wir haben einen weiteren Punkt gegen den Abstieg geholt.
Ein weiteres Spiel ist absolviert – gut, einen Schönheitspreis könnte man damit nicht erzielen, aber dafür ist die aktuelle Tabellensituation auch nicht geeignet. Anders wird das Uwe Jungandreas von Dessau wohl auch nicht sehen. Kann ein Spieltag verrückter sein als der gestrige? Wir glauben nicht. Ein Remis im Fußball gehört zum Standard, aber ein Tag mit sieben Handballspielen, wovon vier mit einem Remis enden, ist etwas für die Geschichtsbücher. Man kann nur schmunzelnd den Kopf schütteln.
Nächstes Ziel heißt nun Ludwigshafen und dort erwarten den TuS am kommenden Mittwoch um 20:00 Uhr die Eulen Ludwigshafen.
Statistik:
Tor: Can Adanir 1 Parade, Jonas Wilde 7 Paraden
Torschützen: Janko Kevic, 6/1, Hampus Dahlgren 5/1, Daniel Hideg und Mattis Michel je 3, Josip Eres 2/1, Marvin Mundus und Valentino Duvancic je 2, Fabian Hecker, Gabriel da Rocha Viana und CAN ADANIR je 1.
Zeitstrafen: 2 (Daniel Hideg und Valentino Duvancic
Assits : 9, davon alleine 5 von Daniel Hideg
CEVEN KLATT: Jeder, der mich kennt, der weiß, dass ich damit nicht zufrieden bin. Es war aber auch eine unglaubliche Atmosphäre, es hat richtig Spaß gemacht. Als erstes möchte ich mal ein Kompliment an beide Fanlager und an beide Mannschaften loswerden, für den Fight, den sie heute Abend geliefert haben. Keiner hat dem anderen irgendetwas geschenkt, es war ein knappes Spiel. Ich trauere 2 Phasen nach, das waren die beim 20:17 und beim 24:21, da haben wir es in der Hand und lassen einige freie Bälle liegen. Aber so ist der Sport, Dessau gibt sich nie auf, kämpft bis zum Schluss und erkämpft sich halt diesen 1 Punkt hier. Ich glaube aber, dass für beide Mannschaften am Ende der Saison viel wert sein wird. Deswegen bin ich heute unzufrieden, kann aber damit leben.
UWE JUNGANDREAS (Coach DRHV): Jeder in dieser Liga tritt an, um 2 Punkte zu holen. Wenn man das Spiel so sieht, natürlich hätte man es auch gewinnen können. Wir haben auch in Führung gehen können, haben das aber auch nicht getan. Aber unter dem Strich bin ich natürlich mit der kämpferischen Leistung zufrieden. Ferndorf ist hier in den letzten Spielen überragend aufgetreten, sowohl von ihrer Körpersprache, von ihrer Einstellung, von ihrer Intensität und von ihrer Spielqualität. Das haben sie heute auch gemacht, wir konnten dagegenhalten, haben spielerisch aber nicht so gut ausgesehen wie Ferndorf. Zumindest ist zum Schluss der Punkt herausgekommen und das war hier eine tolle Atmosphäre. Kompliment auch an die Ferndorfer Fans und auch an unsere Zuschauer, die den weiten Weg nach hier gefahren sind.
VALENTINO DUVANCIC: Es war ein schwieriges Spiel, aber ich denke, der Punkt kann am Ende noch sehr wichtig für uns sein. Wenn man sich die Ergebnisse von heute anschaut, die halbe Liga hat unentschieden gespielt. Die Dessauer kommen dann wieder ran, gleichen aus, und ab da kann das Spiel in beide Richtungen kippen. In den letzten drei Minuten lassen wir dann noch zwei richtig gute Chancen liegen. Aber so ist Handball eben. Hätten wir am Ende noch ein Gegentor kassiert, würden wir uns jetzt darüber ärgern, dass wir mit einem Tor verloren haben. Klar wäre es schöner gewesen, zwei Punkte mitzunehmen, aber einer ist immer noch besser als keiner. Und Dessau ist nun mal eine Mannschaft, die bis zur letzten Sekunde kämpft.
JONAS WILDE: Ceven hat in der Kabine gesagt, dass es zwar besser ist, überhaupt einen Punkt mitzunehmen, aber vom Gefühl her ist das natürlich Schei…. Vor allem, wenn man am Ende nochmal die Chance hat, ein Tor zu machen und das Spiel zu gewinnen. Das ist dann einfach ärgerlich. Es war ein bisschen wie im Hinspiel: Auch da haben wir am Ende unentschieden gespielt, obwohl wir nochmal rankamen. So etwas fühlt sich einfach nicht gut an. Natürlich ist ein Punkt besser als gar keiner, keine Frage. Aber wir hatten eben auch unsere Möglichkeiten, ein, zwei Chancen hätten vielleicht noch reingemusst. Beim Stand von 24:21 hätten wir vielleicht den Sack zumachen können. Aber im Nachhinein ist das natürlich leicht gesagt.
Bericht/Video: Peter Trojak
Fotos: Andreas Domian (wirSiegen)
Anzeige – Günstig Werbung schalten auf wirSiegen.de – Infos hier