wS/js Siegen, 18. Juni 2013. Als „etwas Mut machendes“ bezeichnet Chefarzt Dr. Peter Weib eine Operationsmethode, die derzeit in der Urologie des Ev. Jung-Stilling-Krankenhauses Siegen etabliert wird. Mit dem im Umkreis von 80 Kilometern einzigartigen Verfahren möchten die Urologen inkontinenten Männern helfen. Die sogenannte Advance Male Sling ist neben dem Argus Band ein weiteres Schlingenverfahren, das die Klinik in ihr Spektrum der operativen Inkontinenzbehandlung aufgenommen hat. Analog zu der bei inkontinenten Frauen bewährten Methode, setzt der Arzt ein netzartiges Band unterhalb des Schließmuskels ein, der so in seiner Funktion gestärkt wird.
Unterstützung erhält Weib von seinem italienischen Kollegen Professor Dr. Christian Gozzi. Dieser entwickelte die Operationsmethode gemeinsam mit Dr. Peter Rehder an der Universitätsklinik Innsbruck. „Damit der Eingriff erfolgreich ist, muss noch eine Restfunktion des Schließmuskels vorhanden ist“, erklärt Fachärztin Margot Kieruj, die den Schwerpunkt Kontinenz der Urologie leitet und die Methode seit einigen Jahren anwendet. „Die Schlingenoperation zählt neben dem artifiziellen Sphinkter (künstlicher Schließmuskel) zu den langfristig wirksamsten und sichersten Verfahren.“
Wie diese Schlingenoperation genau verläuft, demonstrierte Gozzi in einem Operationsaal des Ev. Jung-Stilling-Krankenhauses. „Viele Männer leiden nach einer Prostataentfernung unter Harninkontinenz“, erklärt Gozzi. Denn die Prostata habe eine stützende Funktion. „Wird sie entfernt, senkt sich bei ungefähr 15 Prozent der Operierten der Beckenboden ab.“ Die Inkontinenz sei ein seelisch sehr belastender Zustand. Doch auch mit modernen OP-Methoden zur Entfernung der Prostata könne man das Risiko nicht verkleinern. „Der Eingriff zur Behebung der Inkontinenz ist minimalinvasiv – also besonders schonend – und nach guter diagnostischer Vorbereitung sehr erfolgreich“, sagt Chefarzt Weib. „Deswegen ist das neue Verfahren eine besondere Chance für Betroffene.“ Es seien nur drei kleine Schnitte nötig und das eingesetzte Netz verwachse in den kommenden Wochen vollständig mit dem körpereigenen Gewebe. Schon nach wenigen Tagen könnten die Patienten ihren Harnfluss generell wieder kontrollieren. Eine weitere Besonderheit: Im Gegensatz zu anderen Operationsmethoden handelt es sich um einen wiederherstellenden Eingriff. Anders als bei einer Prothese, wie beispielsweise dem künstlichen Schließmuskel, funktioniert das Organ wieder eigenständig. „Statt mit einem Holzbein laufen die Betroffenen wieder mit ihrem eigenen Bein“, veranschaulicht Gozzi. Er beobachtet oft, dass die Patienten nach der Operation neue Lebenslust entwickeln. „Sie kommen mit einem anderen Gesichtsausdruck zur Nachuntersuchung und haben einen festeren Händedruck.“ Viele hätten sich zuvor vollständig aus dem sozialen Leben zurückgezogen und stark unter den Beeinträchtigungen gelitten.
Ein Patient erzählte ihm, dass er fünf Jahre lang inkontinent gewesen sei und in dieser Zeit 17.578 Windeln verbraucht habe. Nach der Operation konnte der Mann wieder ohne Hilfsmittel leben. Weib ist sich sicher: „Dieser Eingriff bedeutet für viele Patienten einen Weg aus der Isolation.“ Für den Chefarzt aus Siegen ist das ein besonderes Anliegen. „Ich wünsche mir, dass Betroffene offener mit ihrer Inkontinenzerkrankung umgehen.“ Es gebe fast immer eine Möglichkeit, das Leiden zu lindern.“ Um inkontinente Patienten bestmöglich behandeln zu können, hat sich das Krankenhaus die Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten und eine intensive Patientenbetreuung zum Ziel gesetzt. „Hierfür haben wir für den Schwerpunkt Kontinenz eigens eine zusätzliche ärztliche Stelle eingerichtet und in neue moderne Untersuchungsgeräte investiert“, sagt Krankenhaus-Geschäftsführer Hubert Becher. „Die Zusammenarbeit der betreffenden Fachabteilungen Urologie, Gynäkologie und Chirurgie ist verstärkt worden und die Einrichtung eines Kontinenzzentrums ist geplant.“
Interessierte können sich am 22. Juni ab 11 Uhr im Rahmen eines Arzt-Patienten-Forums im Siegener Medien- und Kulturhaus Lyz über das Thema Harn- und Stuhlinkontinenz informieren.
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