Gewaltritt: Mit der Cessna „Caravan“ von Tansania nach Deutschland
(wS/jh) Burbach – Noch steht die Maschine, ihrer Verkleidung beraubt und die komplexen Innereien offenbarend, nackt in einem großen Werft-Hangar im Osten Deutschlands. Daselbst, bei Finsterwalde unweit von Dresden, wird das stattliche, momentan einem gerupften Huhn aber nicht unähnliche Flugzeug aufgehübscht, aufgerüstet und seiner künftigen Bestimmung entsprechend modifiziert. Läuft alles nach Plan, dürfte es am vorletzten Aprilwochenende erstmals über Westerwald und Siegerland seine Kreise ziehen. Auf dem Siegerlandflughafen wird der schnittige „Vogel“ ein zweites zu Hause finden und stationiert. Dort haben die Burbacher Fallschirmsportler ein trockenes Hangarplätzchen für ihr neues Flaggschiff angemietet, weil die Hallen im benachbarten Breitscheid, wo sie im Wechsel mit der „Lipper Höhe“ vom Himmel fallen, zu klein sind.
Mit dem Erwerb dieser Cessna 208 „Grand Caravan“ haben sich die hiesigen Skydiver einen langgehegten Wunsch erfüllt und dessen reale Manifestation in einem viertägigen „Gewaltritt“ nach Germanien überführt. Noch vor wenigen Tagen war die blau-weiße Ein-Mot auf dem vor Hitze flimmernden Asphalt des Mwalimu Julius K. Nyerere International Airport von Dar-es-Salam, der Hauptstadt Tansanias, herumgerollt.
Nach 28 Stunden am Himmel und 7429 zurückgelegten Flugkilometern hat auch der schmerzfreieste Aerofan erst einmal genug. So wie Chrissi Richter, als er wieder deutschen Boden erreichte und übermüdet und mit steifen aus der Kabine kletterte. Den beiden anderen Mitgliedern seiner Crew erging es ähnlich. Vier Tage vorher waren sie an der schwülen Ostküste Afrikas gestartet, um den „Vogel“ heim zu holen. Mit einer B 777 reist es sich sicherlich komfortabler.
Flug über endlose, monotone Weiten
Die endlosen Weiten des schwarzen Kontinentes, hohen Gebirgsketten, trostlosen, ermüdend braune Steppen, Savannen und Wüsten, die ihr monotones Erscheinungsbild auch nach Stunden nicht wesentlich verändern, Hitze, Anspannung, Ungewissheit – die Operation war schon eine fliegerische Herausforderung, auch in navigatorischer und logistischer Hinsicht. Ein Abenteuer. Auch mag es sicherlich Angenehmeres geben, als über dem bürgerkriegsgeschüttelt Sudan zu cruisen, wo sich die verfeindeten Parteien seit Jahren in einem blutigen Konflikt gegenseitig die Köpfe einschlagen. Weiß man denn, wie die vor Waffen starrenden Kämpfer da unten auf der Erde drauf sind? Ob sie, des kleinen Punktes am Himmel ansichtig werdend, nicht vielleicht auf dumme Einfälle kommen? Lieber nicht dran denken!
In solchen Situationen ist und war es für die Breitscheider auch gut zu wissen, dass auf dem linken Sitz als „Pilot in Command“ ein erfahrener Profi Platz genommen hatte. Der Niederländer Francis Driessen macht solche Ferryflüge nicht zum ersten Mal. Der Chefpiloteur der Fluggesellschaft „Tanzanair“, bei der die Hessischen Skydiver auf der Suche nach einem eigenen, geeigneten und finanzierbaren Absetzflugzeug fündig geworden waren, hatte sich spontan bereit erklärt, das gute Teil zu chauffieren. Die Maschine war in den vergangenen Jahren in Tansania für Touristenrundflüge und Passagiertransfers zu den Öl- und Gasfeldern eingesetzt worden.
Komplettiert wurde die Besatzung durch Thomas Reinke von den Fallschirmfreunden in Mecklenburg-Vorpommern. Der hatte bei diesem komplizierten Unternehmen für seine hiesigen Kameraden alle organisatorischen Weichen gestellt. Denn mal los! Kurs Nord mit 160 Knoten.DerRückflug nach einigen kleineren vor Ort vorgenommenen Umbauten am Flugzeug sollte in sieben Etappen erfolgen, wobei deren Länge, reichweitenbedingt, durch die Tankfüllung diktiert wurden. Fliegen ist zwar die schönste (und normalerweise auch schnellste) Art zu reisen, aber auch das kann, zumal unter solchen Voraussetzungen und bei derartigen Distanzen, zur Ochsentour werden.
Weißes Hemd und goldene Streifen
Und die zu entrichtenden Gebühren unterscheiden sich in Afrika von Land zu Land auch immens. So waren die Kenianer mitgerade mal 85 Dollar zufrieden, Spritkosten inklusive, während die Ägypter das Zwölffache kassierten. Backschisch kann, in solchen Gefilden operierende Luftfahrer wissen das, nie verkehrt sein. Braucht man eigentlich grundsätzlich. Dann läuft es zwar auch nicht wie geschmiert, aber deutlich besser. Daher rührt auc der Begriff „Schmiermittel“ Auch ist das fliegende Personal gut beraten, in solchen Ländern der Ditten Welt ein weißes Pilotenhemd mit entsprechenden goldenden Streifen zu tragen. Nicht, um anzugeben oder der eigenen Eitelkeit zu huldigen, sondern, weil die, die drinstecken, dann für die Einheimischen und ihre Behörden auf den ersten Blick als Piloten erkennbar sind. Andernfalls nimmt man sie nicht ernst oder für voll.
Da die „Caravan“ über keine Druckkabine verfügt, war bei 3000 Metern Reiseflughöhe über Grund Ende der Fahnenstange. Das machte die Tour aber auch wesentlich wetterabhängiger, weil sich, wenn überhaupt, Winde, Sturm, Boen, Regen und Hagel ja meist in diesen Bereichen zu tummeln pflegen. Aber das deutsch-niederländische Joint-Venture hatte dahingehend das Glück auf seiner Seite.
Den majestätischen Kilimandscharo links liegend lassend, hatte die Besatzung als erstes Etappenziel den gottverlassene Flughafen von Lokichoggio im Nordwesten Kenias gelegen angesteuert. Nairobi direkt unter sich lassend, markierte das 1329 Kilometer entfernte Khartum, die Hauptstadt des Nordsudan, den ersten Stopp des Folgetages, das erste Ziel des Folgetages. Aber nur zum Spritfassen. Luxor in Ägypten, Blick auf die Pyramiden inklusive, stand als eigentliche finale Destination auf dem Programm. Das waren noch mal 1147 Kilometer, oder, anders ausgedrückt, knapp 713 Meilen „on Air“.
Heimkehr mit dem letzten „Büchsenlicht“
Dagegen waren die 1386 Kilometer über Alexandria bis nach Kreta am nächsten Tag fast ein Katzensprung. Und die verbleibende Restdistanz von Heraklion über Split mit Tankstopp daselbst nach Schacksdorf hätten die Heimkehrer am nächsten Tag auch auf (fast) auf einer Backe abgerissen, wäre da nicht der heftigen Gegenwind über der Adria gewesen, der das Flugzeug doch arg ausbremste und den Groundspeed-Zeiger ziemlich nach unten drückte. So wurde der Heimathafen gerade noch mit dem allerletzten Büchsenlicht erreicht. Ende gut, alles gut.
Für die Reise über den Teich hatte man, so ist es Vorschrift, Schlauchboote und Schwimmwesten an Bord, für den Fall, dass das Triebwerk unterwegs stottern bzw. ausfallen würde. Doch die 675-PS-Turbine lief zuverlässig und wie geschmiert. Bewährungsprobe bestanden. Trotzdem wird sie ausgetauscht und durch eine noch stärkere ersetzt. 900 Pferdchen wiehern dann unter der Haube. In Kombination mit einem neu entwickelten 5-Blatt-Propeller dürfte die „Caravan“ dann die leiseste ihrer Art weltweit sein. Die Flugplatz-Anrainer wird es freuen. Ein weiterer entscheidender Vorteil: Das Fluggerät fasst mit 20 Springern doppelt so viele als die bisher genutzte Maschine, eine Pilatus Porter – bei gleichem Spritverbrauch. Das rechnet sich auf Dauer schon. Und ein Wunschkennzeichen haben haben sich die Skydiver beim Luftfahrtbundesamt auch schon mal reservieren lassen: D-FSWW. Das Kürzel steht für Fallschirmsprung Westerwald. Blue Skies!
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