Bei der 1. Siegener Fußballtagung diskutierten ExpertInnen zum Thema „Fußball in der Migrationsgesellschaft“.
(wS/red) Siegen 25.02.2017 | Wie prägt Migration den Profi- und Amateurfußball in Deutschland? Und wie viel Heuchelei steckt in der milliardenschweren Fußballbranche? Mit Fragen wie diesen beschäftigen sich knapp 80 ExpertInnen auf der 1. Siegener Fußballtagung. Das Forschungskolleg „Zukunft menschlich gestalten“ (FoKoS) der Uni Siegen und das Siegener Zentrum für sozialwissenschaftliche Erziehungs- und Bildungsforschung (SiZe) hatten die Tagung ins Leben gerufen. Hintergrund: Das Stadion gilt als Ort, an dem sich Zugehörigkeiten und Hierarchien abbilden. Die gesellschaftlichen Phänomene dahinter gilt es zu erforschen.
Stefan Metzger, Postdoc des FoKoS, vertrat in seinem Vortrag die These, dass Migration im Amateurfußball kein neues Phänomen ist. „Migration im Fußball ist aus historischer Perspektive der Normalfall“, sagt Metzger. Das zeigte er am Beispiel seiner Forschung zu Fußballvereinen, die von in Deutschland lebenden Migranten gegründet wurden: „Auf und neben dem Fußballplatz werden seit jeher Fragen der Zugehörigkeit von Menschen und Gruppen unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft ausgehandelt. Damit ist der Fußball nicht nur eine zentrale Kontaktarena, sondern auch ein wichtiger Aushandlungsort der Migrationsgesellschaft.“
Sportjournalist Ronny Blaschke beschäftigte sich in seinem Vortrag mit „Gesellschaftsspielchen – Fußball zwischen Hilfsbereitschaft und Heuchelei“. Viele Vereine, Verbände, Spieler oder Stiftungen engagierten sich zwar für das Gemeinwohl, allerdings oft nur halbherzig. Vom Gesamtumsatz der Bundesliga in Höhe von 3,24 Milliarden Euro brächten die Vereine nur 20 Millionen Euro für gemeinnützige Aktionen auf, zum Beispiel für Senioren- und Kinderprojekte oder Initiativen für den Umweltschutz. Obwohl es in Vereinen wie Werder Bremen und FSV Mainz 05 gute Ansätze für Hilfsbereitschaft gäbe, stecke oftmals eine große Portion Heuchelei in den Aktionen. Blaschke zeigte, wie widersprüchlich es von manchen Vereinen sei, auf der einen Seite Projekte für Geflüchtete zu unterstützen, und auf der anderen Seite ins Trainingslager nach Katar und Saudi-Arabien zu fahren. Damit forciere man die Fluchtursachen indirekt. Auch den großen Sportartikelherstellern warf er vor, zu wenig auf Menschenrechte und faire Entlohnung zu achten. Adidas‘ Jahresumsatz habe mit etwa 17 Milliarden Euro etwa den selben Wert wie das Bruttoinlandsprodukt des gesamten Landes Kambodscha, in dem viele der Textilien hergestellt werden.
An Ständen und auf Postern konnten sich die Tagungsbesucher unter anderem über rassistische Gewalt im Stadion und über das Refugees-Team FC Lampedusa St. Pauli informieren. Die Tagung wurde organisiert von Dr. Carsten Blecher vom FoKoS und fand in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW e.V. statt.
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