(wS/hgm) Hilchenbach 02.11.2023 | Also die berühmte „Kurve“ hat das Akkordeon-Orchester Siegerland (AOS), unter seinem Dirigenten Philippe Mascot gekriegt. Und das in jeder Hinsicht! Insbesondere nach dem Dirigentenwechsel Anfang 2020 und während der Corona-Pandemie gab es viele Schwierigkeiten zu bewältigen, zudem hatte sich die Anzahl der Spielerinnen und Spieler erheblich reduziert. Doch letztlich bewährte sich das neu aufgestellte Vereinskonzept; u. a. auch in der Organisation des traditionsreichen Orchesters beging man neue Wege, was manche nicht für möglich gehalten hatten.
Zudem verfügt das AOS wieder über 20 aktiv Mitwirkende. Und wie das jetzt klingt, davon konnte man sich am vergangenen Sonntagnachmittag in der St. Augustinus-Kirche, Dahlbruch überzeugen. Das neue Konzept ist – wie Philippe Mascot es trefflich ausdrückt – „Musik mit Gefühl“ zu machen. Weitere Möglichkeiten sind durch das Auflegen neuer Kompositionen sowie den Literatur-Workshop, der mit fünf Spielern besucht wird, entstanden.
Wer nun glaubte, dass das Orchester nur die typische „Schifferklaviermusik“ machte oder nur Polkas, Märsche und Walzer spielte, wurde eines Besseren belehrt. Natürlich hat das AOS derartiges für bestimmte Anlässe, wie z. B. Kurkonzerte, volkstümliche Feste, Ständchen, Zugaben usw. mit in seinem Repertoire, doch zum Konzert wurden ausschließlich moderne Kompositionen aus dem Rock-, Pop und klassischen Genre sowie der Filmmusik präsentiert.
Wuchtig und dynamisch begann das AOS seine Vorträge mit der Komposition „Spirit, dass aus der Feder des Harmonika-Virtuosen Günter Kölz stammt. Das AOS spielt vierstimmig, davon übernehmen drei anteilig Melodie-Parts, während die vierte den Begleitrhythmus spielt, hinzu kommen ein Elektronium, Bass und Perkussion. Die Moderation des Konzertes, in dem das AOS die Zuhörerschaft mit auf eine 90-minütige Reise nahm, oblag Hans Jörg Zeig.
Der Start dieser Reise erfolgte gewissermaßen mit „Iris Castle“, definitiv also im Irland des 17. Jahrhundert – hervorstechend waren zahlreiche filigrane Parts, die sich wie Mosaiksteine ins Klangbild einfügten. Mit „Antonin ’s New World“ geschah der Sprung hinüber in die neue Welt. Die einzelnen Vorkommnisse und Geschehnisse dieser vertonten Geschichten wurden eindrucksvoll umgesetzt.
Ganz im Gegensatz dazu nun der Ohrwurm „Morgens um Sieben (ist die Welt noch in Ordnung)‘“. Ein Klassiker von James Last, der Ende der 60er Jahre sehr populär war und durch seinen eher ruhigen Rhythmus Wärme und Behaglichkeit ausstrahlt. Eine besondere Leistung danach wieder der Vortrag von „II Colosseo“, das Original für Blasorchester geschrieben wurde und in dem während der Proben gewissermaßen „geatmet“ wurde, um den Charakter der Stücke auf dem Akkordeon widerspiegeln zu können. Großartige solistische Leistungen erbrachte Kerstin Hoffert bei der Interpretation von „Tristeza“, und bei der „Caribbean-Fantasy“ atmete das Publikum, herb-frische Meeresbrise ein
Nahtlos ging es über zum 2. Teil des Konzertes, der mit der „Morgenstimmung“ aus der „Peer-Gynt-Suite“ begann – ein eher besinnliches Werk, das regelrecht zum Träumen offerierte. Voluminöser und lebendig danach „Tango pour Claude“, in der wiederum Kerstin Hoffert als Solistin (und Stimmführerin brillierte). Eine besonders tolle Leistung war nun der Vortrag der „West Side Story“, die von einem amerikanischen Bandenkrieg handelt und mit ihren offenen Jazz-Melodien auf dem Akkordeon nicht einfach zu interpretieren ist. Musikalisch spannend umgesetzt, da verspürte man regelrecht ein gewisses Kribbeln!
Moderator und Mitspieler Hans Jörg Zeig kündete übrigens nicht nur seinen Sohn Max an, sondern in einer Umbauphase auch die jungen neuen Mitspieler Kerstin Dausacker und Simon Wanner.
Eine ganz besondere Einlage gab es nun von dem jungen Mitspieler und Solisten Max Zeig. Er führte die so genannte „Hand-Pan“ vor – ein relativ junges Blech-Klanginstrument, das Anfang der 2000er Jahre entstand. Die Form ähnelt etwas einem Unterseetauchboot mit Bullaugen. Die Zuhörer lauschten den ungewöhnlichen Trommelklängen mit geschlossenen Augen!
Traumhaft und melodisch der Vortrag „Eloise“. Das ist der Titel eines britischen Pop-Songs aus dem Jahre 1968, der sauber und mit viel Gefühl umgesetzt wurde. Voll ins Zeug legte sich das AOS als Abschluss des Konzertes mit dem Titel „Klezmer Festival“, wobei noch einmal die volle Bandbreite und Dynamik eines Akkordeon-Orchesters voll zum Tragen kam. Das Publikum applaudierte minutenlang! Mit einer Zugabe von „Hallelujah“ von Leonard Cohen verabschiedet sich das AOS von seinem Publikum, das gerne noch mehr gehört hätte …
Text und Fotos: Hans-Gerhard Maiwald.
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