Aggressiven Prostatakrebs erkennen: 18. Symposium zieht über 100 Besucher ins „Haus der Siegerländer Wirtschaft“ an

(wS/dia) Siegen 21.06.2024 | Prostatakrebs ist nicht gleich Prostatakrebs. Es gibt wenig gefährliche Tumoren aber auch solche, die schnell fortschreiten und somit als „Raubtiere“ gelten. Wie Mediziner aggressive Tumoranteile diagnostizieren, das erfuhren mehr als 100 Besucher beim 18. Prostata-Symposium in Siegen. Im „Haus der Siegerländer Wirtschaft“ lauschten die Gäste Vorträgen und stellten sechs medizinischen Experten Fragen zum Prostatakrebs.

Veranstalter waren Dr. Peter Weib, Chefarzt der Urologie, und Dr. Mahmoud Farzat, Chefarzt der Robotischen Urologie, die beide im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen tätig sind. Es moderierte Lothar Stock, Vorsitzender der Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe Siegen, der die Tätigkeiten der Gruppe vorstellte. Zu den Kooperationspartnern zählten das Kompetenznetz Prostata-Niere-Harnblase, der Verband urologischer Kompetenzzentren URO-Cert, das Ärztenetz Lahn-Dill, die Kreisärzteschaft Altenkirchen sowie die Ärztevereine Olpe und Siegen.

In Deutschland wird pro Jahr bei etwa 65 000 Männern ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Gemeint ist ein bösartiger Tumor in der Vorsteherdrüse (Prostata), die im Zusammenspiel mit Samenbläschen und Hoden die Samenflüssigkeit bildet. Experten empfehlen Männern ab 45 Jahren, regelmäßig zur Vorsorge-Untersuchung zu gehen, bei genetischer Vorbelastung auch früher. Denn die Erkrankung ist tückisch. Im Anfangsstadium haben Betroffene meist keine Symptome.

Teil der Früherkennung von Prostatakrebs ist eine Tastuntersuchung über den Enddarm. Zudem kann ein transrektaler Ultraschall (TRUS) bei der Diagnostik helfen. Der PSA-Test ist eine weitere Methode. Dabei wird der Wert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Blut gemessen. Dr. Weib machte in seinem Vortrag deutlich: „Der PSA-Wert ist zurzeit der beste Marker, den wir als Mediziner haben. Wichtig ist dabei zu wissen, dass er störanfällig ist.“ Weib nannte Faktoren, die den PSA-Wert verfälschen können: „Radfahren, Reiten und Geschlechtsverkehr üben Druck auf die Prostata aus. Ratsam ist, diese Aktivitäten 24 Stunden vor der Blutentnahme zu meiden.“ Bei verdächtigem Tast- oder Ultraschallbefund oder einem PSA-Wert von mehr als vier Nanogramm pro Milliliter sollte eine feingewebliche Untersuchung (Biopsie) erfolgen.

Wird ein Prostatakrebs festgestellt, ist es für eine individuelle Therapieplanung wichtig zu wissen, wie die Tumorausbreitung zum Zeitpunkt der Erstdiagnose war und wie aggressiv der Tumor ist. Letzteres wird mit dem sogenannten Gleason-Score bestimmt. Dafür untersucht ein Pathologe mehrere entnommene Zellen unter dem Mikroskop. Sichtbar wird dabei, inwiefern die Tumorzellen verändert sind. Der niedrigste Wert für den Gleason-Score liegt bei zwei, der höchste bei zehn. Weib: „Je höher die Zahl, desto aggressiver ist der Krebs.“ Zusammenfassend führte der Chefarzt aus: „Kombiniert man alle drei Faktoren – Stadium, PSA-Wert und Gleason-Score – lässt sich ein Prostatakrebs in einen niedrig-, mittel- oder hoch-aggressiven Tumor einordnen.“

Zu den Therapie-Möglichkeiten zählen je nach Patientensituation ein operativer Eingriff, eine Bestrahlungs-, Hormon- oder Chemotherapie. Auch eine Kombination der Therapien ist möglich. Die Behandlungen zielen darauf ab, den Tumor möglichst zu entfernen oder zu verkleinern. Außerdem wird beabsichtigt, mögliche Fernabsiedelungen (Metastasen) zu vermeiden und, wenn vorhanden, diese im gleichen Zuge zu therapieren.

Abschließend nutzten zahlreiche Gäste die Chance, den medizinischen Experten Fragen zu stellen. Neben den Chefärzten des Diakonie Klinikums Jung-Stilling standen Dr. Martina Weil (Fachärztin für Urologie in Siegen und Kreuztal), Thomas List (Facharzt für Urologie in Siegen-Geisweid), PD Dr. Deniz Kahraman (Facharzt für Nuklearmedizin in Siegen und Kreuztal) und Ulrich Wacker (Facharzt für Strahlentherapie Marien Kliniken in Siegen) Rede und Antwort. Ein Besucher fragte beispielsweise, inwiefern eine Hormontherapie bei Metastasen in den Knochen und im Dünndarm Sinn macht. Thomas List antwortete: „Die Hormontherapie wirkt zunächst auf alle Prostatakrebszellen, auch auf die, dich sich außerhalb des Organs im Körper angesiedelt haben.“ Ein weiterer Besucher wollte wissen, wie groß die Gefahr für eine Inkontinenz nach einem operativen Eingriff ist.

Dr. Mahmoud Farzat verwies auf die Vorteile modernster OP-Verfahren: „Mithilfe der roboterassistierten Chirurgie und dem Know-how erfahrener Chirurgen sind 92 bis 96 Prozent der operierten Patienten auch nach der OP kontinent.“ Sie können also sowohl Stuhlgang als auch Harnentleerung willkürlich kontrollieren. Lothar Stock, Vorsitzender der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs, die seit 22 Jahren besteht, stand ebenfalls für Fragen der Besucher bereit und machte deutlich: „Wir reden in der Gruppe ohne Tabus und haben regelmäßig medizinische Experten zu Gast, die uns über Prostataerkrankungen informieren.“ Mehr Wissenswertes zur Selbsthilfegruppe und wann und wo sie sich trifft, gibt es im Internet unter www.prostatakrebs-siegen.de oder unter Telefon 02735/5260 zu erfahren.


Standen beim 18. Siegener Prostata-Symposium Rede und Antwort (von links): Chefarzt Dr. Mahmoud Farzat, Strahlentherapeut Ulrich Wacker, Lothar Stock von der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs, die Urologen Martina Weil und Thomas List, Chefarzt Dr. Peter Weib sowie Nuklearmediziner PD Dr. Deniz Kahraman.

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