(wS/dia) Siegen – Freudenberg 05.09.2025 | Gerade einmal 580 Gramm wiegen die Zwillinge Greta und Leo. Sie kommen in der 23. Schwangerschaftswoche zur Welt. Sie liegen in einem Brutkasten (Inkubator) – warm und geschützt. Kabel und Geräte erleichtern ihnen das Atmen. Immer an ihrer Seite sitzen Mama Diana und Papa Thorsten. Nach Wochen voller Hoffen und Bangen dürfen Greta und Leo schließlich nach Hause. Sie sind zwei von knapp 10.000 Kindern, die in den vergangenen 30 Jahren in der Früh- und Neugeborenen-Intensivstation im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen versorgt wurden. Die Einrichtung mit sechs Beatmungsbetten, einem Notfallbeatmungsbett und fünf Intermediate-Care-Betten ist Bestandteil des Perinatalzentrums Level 1 (PNZ), das die DRK-Kinderklinik Siegen in Kooperation mit dem Diakonie Klinikum Jung-Stilling in den Räumen des Krankenhauses an der Wichernstraße betreibt. Stolz blickt das multiprofessionelle Team auf drei Jahrzehnte zurück, in denen es sich engagiert um das Wohl von Frühgeborenen, erkrankten Neugeborenen und ihren Familien eingesetzt hat.
Als Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe (Level 1) werden in der Einrichtung kleinste Frühgeborene bereits ab der 23. Schwangerschaftswoche und unter 500 Gramm Geburtsgewicht versorgt. Auch Neugeborene mit angeborenen Fehlbildungen oder Erkrankungen und Kinder, die unter der Geburt gesundheitliche Probleme bekommen betreut das spezialisierte Team des PNZ rund um die Uhr. Damit erfüllt die Einrichtung die nach strengen Richtlinien geforderten Voraussetzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Im Jahr 1995 wurde das PNZ gebildet und die von der DRK-Kinderklinik betriebene Neugeborenen-Intensivstation im Diakonie Klinikum Jung-Stilling eröffnet. Die Leitung hatten Prof. Dr. Hans-Jürgen Künzig vom Jung-Stilling-Krankenhaus und Dr. Bernhard Lange von der DRK-Kinderklinik inne. Gemeinsam konzipierten sie die Strukturen der neuen Station. Medizinische Geräte wie Inkubatoren und Beatmungsgeräte wurden angeschafft und die Teams erweitert, geschult und ausgebildet. Sinn und Zweck des Zentrums, das unter dem damaligen NRW-Gesundheitsminister Hermann Heinemann eröffnet und vom Land finanziert wurde, war es, Risikogeburten sicherer ablaufen zu lassen. Weil die Geburtensterblichkeit in der Bundesrepublik immer noch höher war als in vergleichbaren Ländern, sollte mit der Einrichtung des Siegener Zentrums und weiterer in Nordrhein-Westfalen ein flächendeckendes Netz geschaffen werden. Prof. Künzig erinnert sich: „Das PNZ wurde im Anbau nach Norden untergebracht und lag mit sechs Beatmungsplätzen nun Tür an Tür mit den Kreissälen und dem gynäkologischen Operationssaal. Kinder und Mütter waren nun unmittelbar nach der Entbindung intensivmedizinisch optimal betreut und mussten nicht mehr in anderen Kliniken verlegt werden.“ Seitdem bietet das PNZ in Kooperation mit der Abteilung Geburtshilfe tausenden Müttern und Kindern 24 Stunden medizinische Sicherheit, wenn rund um die Geburt kritische Situationen entstehen. Im Jahr 1995 wurden im Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus 1.270 Kinder geboren. Seitdem steigen die Geburtenzahlen stetig an. Heute verzeichnet die Klinik für Geburtshilfe- und Pränatalmedizin Rekordzahlen, denn 2024 erblickten hier 2.068 Neugeborene das Licht der Welt – so viele wie noch nie im Diakonie Klinikum.
Dr. Flutura Dede, Chefärztin der Geburtshilfe- und Pränatalmedizin am Diakonie Klinikum Jung-Stilling, und Markus Pingel, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin an der DRK-Kinderklinik, führen heute die vor drei Jahrzehnten begonnene Arbeit in enger Zusammenarbeit engagiert fort. Etwas mehr als 1000 Kinder wogen in den vergangenen 30 Jahren Kinder bei ihrer Geburt weniger als 1250 Gramm und wurden vom PNZ-Team beim Start ins Leben unterstützt. „Die Sicherheit und das Wohl der Kinder und ihrer Familien steht für uns an erster Stelle. Wir erkennen die Anzeichen einer drohenden Frühgeburt sehr gut und bereiten Mütter und Kinder entsprechend darauf vor“, erzählt Dr. Dede. Die Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin betreut das gesamte Spektrum der Geburtshilfe und ist auf Mehrlingsgeburten, Frühgeburten und Risikoschwangerschaften spezialisiert. „Als Perinatalzentrum Level 1 verfügen wir über modernste medizinische Geräte und das Spezialwissen, um Risikoschwangerschaften engmaschig zu überwachen und zu früh oder krank geborene Kinder gemeinsam mit den Kinderärzten optimal zu versorgen.“
1995 gehörte Siegen mit der Gründung des PNZ in Deutschland zu den Trendsettern. Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Frühgeborenen der 24. Schwangerschaftswoche habe sich seit 1990 mehr als verdoppelt, erklärt Pingel. „Ein Kind mit einem Geburtsgewicht unter 300 Gramm hätte vor 50 Jahren kaum eine Überlebenschance gehabt. Ein Frühchen, das heute bei uns zur Welt kommt, hat nicht nur gute Überlebenschancen, sondern auch gute Aussichten auf ein weitgehend normales Leben.“ Laut Pingel gibt es bei Kindern, die sehr früh und mit einem geringen Geburtsgewicht auf die Welt kommen, Komplikationen an potentiell jedem Organsystem. Diese sind noch nicht ausgereift und für das Leben außerhalb des Mutterleibes ausreichend angepasst. „Häufige Probleme betreffen zum Beispiel die Atmung, die Nahrungsaufnahme und Verdauung sowie die Hirnentwicklung“, erklärt der Mediziner. „Die Versorgung von sehr kleinen Frühgeborenen und schwerkranken Neugeborenen gelingt nur mit einem erfahrenen Team, das Hand in Hand arbeitet“, betont er weiter. „Mehr als früher, liegt heute ein besonderer Fokus auf den Bedürfnissen der Familie“, ergänzt Dr. Dede. „Das Einbinden der Familie in die Versorgung und den Heilungsprozess ist für das PNZ-Team von großer Bedeutung.“ Durchgehende Besuchszeiten, die räumliche Nähe von Station und PNZ und Therapieformen wie das „Känguruhen“, bei dem Eltern und Kind Hautkontakt haben, sollen die Trennung so gering wie möglich halten.
Das Team des PNZ ist hochspezialisiert und besteht aus Pflegekräften, Ärzten, Hebammen und Physiotherapeuten. Weil ein langer Klinikaufenthalt des Kindes für die gesamte Familie eine große Belastung darstellt, unterstützen eine Psychologin sowie die Krankenhausseelsorge und eine Sozialarbeiterin Familien dabei, die Situation zu meistern. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen spezialisierter Geburtshilfe und spezialisierter Neonatolgie bietet Kompetenz und Sicherheit zu jedem Zeitpunkt der Geburt im Diakonie Klinikum Jung-Stilling. Wir sind stolz darauf, dass so viele Eltern uns ihr Vertrauen schenken“, so Dr. Flutura Dede. Pingel: „Von der geburtshilflichen Seite der Hebammen und Gynäkologen bis hin zu den Kollegen der DRK-Kinderklinik haben alle in erster Linie das Wohl der kleinen Patienten und ihrer Familie im Blick. Das ist unser Anspruch und gelebt ist es unser Erfolgsrezept.

Greta und Leo haben den Start ins Leben gemeistert. Heute – 13 Jahre später –
führen sie ein gesundes und glückliches Leben.

Bei ihrer Geburt wiegen die Zwillinge Leo (Foto) und Greta nur 580 Gramm und werden in Inkubatoren auf der Früh- und Neugeborenen-Intensivstation im Diakonie Klinikum Jung-Stilling versorgt.

Knapp 10.000 Kinder wurden in den vergangenen 30 Jahren im Perinatalzentrum am Diakonie Klinikum Jung-Stilling versorgt. (Von links) Dr. Flutura Dede, Chefärztin der Geburtshilfe- und Pränatalmedizin am „Stilling“, und Markus Pingel, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin an der DRK-Kinderklinik, leiten die Früh- und Neugeborenen-Intensivstation in enger Zusammenarbeit.