(wS/si) Siegen 05.10.2023 | Die Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober stieß in diesem Jahr auf ein besonders großes Interesse der Siegenerinnen und Siegener: Über hundert Gäste waren der Einladung der Stadt gefolgt, um sich nicht allein des historischen Ereignisses zu erinnern, sondern auch, um gemeinsam nachzudenken über das, was der Wiedervereinigung folgte, und das, was nötig ist, um gemeinsam den großen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Im festlich geschmückten Ratssaal begrüßte Bürgermeister Steffen Mues die Gäste und betonte, es sei Rat und Verwaltung der Universitätsstadt Siegen ein besonderes Anliegen, den Tag der Deutschen Einheit bewusst und in besonderer Weise zu begehen. Als deutscher Nationalfeiertag erinnere der 3. Oktober an die Deutsche Wiedervereinigung 1990, ein Ereignis, das – bereits 33 Jahre her – Geschichte sei, erlebt, dokumentiert, beschrieben und eingeschrieben in die Geschichtsbücher dieser Welt. „Aber es ist dennoch kein abgeschlossenes Kapitel“, so Mues weiter, „es wirkt fort in unserer Gegenwart und – so unser Wunsch – auch in unserer Zukunft“. Für die Zukunft habe er außerdem eine Bitte: „Lassen Sie uns (noch besser) hinhören, zuhören, verstehen und unsere Stereotypen über Bord werfen. Lassen Sie uns – zumindest beginnend mit dem heutigen Tag – ein ‚Ostbewusstsein‘ haben!“.
Damit spielte Mues auf die diesjährige „Festrednerin“ der Feierstunde an: Valerie Schönian, deren Lesung aus ihrem sehr persönlichen Buch „Ostbewusstsein – Warum Nachwendekinder für den Osten streiten und was das für die Deutsche Einheit bedeutet“ im Fokus der Siegener Veranstaltung stand.
Geboren 1990 in Sachsen-Anhalt und ohne „Ossi-Gefühle“ aufgewachsen, fühlt sich die Journalistin und heutige Autorin der Wochenzeitung DIE ZEIT heute zunehmend dem Osten verbunden: „Je länger die Mauer nicht mehr steht, desto ostdeutscher fühle ich mich“. Grund dafür seien vor allem Stereotypen, die ihr im Laufe ihrer Zeit im Westen deutlich wurden. „Jammer-Ossis“, „dass ihr euch immer noch beschwert“ und vieles mehr, das möchte Valerie Schönian nicht unwidersprochen lassen. „Es geht vor allem darum, die ostdeutsche Perspektive sichtbar zu machen, der ostdeutschen Erzählung ein Gesicht zu geben“, sagte Schönian, „Das Ostdeutsche ist immer noch irgendwie das erklärungsbedürftige ‚Andere‘ und wir müssen mehr darüber reden, damit sich das ändert“.
„Darüber reden“, das ist auch der Stadt Siegen ein Anliegen. Denn – darin waren sich Bürgermeister und Festrednerin einig – nur Probleme, die angesprochen werden, können gelöst werden. „Wir werden uns unserer Unterschiede nicht entledigen können“, sagte Mues, „und wir müssen es auch gar nicht, siehe Valerie Schönian, solange wir uns nur einig sind im Grundsätzlichen, im Hinblick auf die übergeordneten Ziele, wie beispielsweise die Förderung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts oder auch der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den einzelnen Regionen Deutschlands und der Welt.“
Stimmgewaltig musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde, die mit traditionell mit dem gemeinsamen Singen der Deutschen Nationalhymne endete, von dem gemischten Vocalensemble VoiceBox aus Siegen unter der Leitung von Marina Müller-Schneider.
Bürgermeister Steffen Mues mit Valerie Schönian, die bei der diesjährigen Feierstunde der Stadt Siegen zum Tag der Deutschen Einheit aus ihrem Buch „Ostbewusstsein –
Warum Nachwendekinder für den Osten streiten und was das für die Deutsche Einheit bedeutet“ las. (Foto: Stadt Siegen)