Ungleichheitsforscher Dr. Alexander Lenger zu Gast bei „Forum Siegen“
(wS/red) Siegen 23.01.2017 | Der Freiburger Ungleichheitsforscher und Wissenschaftssoziologe Dr. Alexander Lenger erklärte im „Forum Siegen“, warum das Thema Muße hochaktuell ist – obwohl doch Muße selbst in einer auf Wachstum ausgerichteten Gesellschaft eigentlich gar nicht existieren kann. Unter dem Begriff Muße versteht der Soziologe den selbstbestimmten, zweckfreien Umgang mit frei verfügbarer Zeit, ein Zeitvergehen ohne Leistungsdruck und Tätigkeitsnachweis. Das Freisein von zentralen Rollenzwängen oder die prinzipielle Entlastung von Praxisdruck. Durch die strukturell bedingte Ökonomisierung aller Lebensbereiche sowie die fortschreitende Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen verschwindet Muße jedoch systematisch.
Die Suche nach Muße, nach Mußeräumen, nach „Entschleunigungsoasen“ (Hartmut Rosa) ist stärker denn je, denn Muße fehlt. Zweckfreie Zeitgestaltung finde kaum mehr statt, so die Analyse. Freizeit diene in der kapitalistischen Logik der Reproduktion der Arbeitskraft und sei dadurch selbst hochgradig ökonomisiert und funktionalisiert, diagnostizierte Lenger. In seinem Vortrag belegte Lenger diese Thesen mittels anschaulicher Beispiele und eines Blicks in das System des akademischen Kapitalismus an deutschen Hochschulen. Eine Lösung ist für Alexander Lenger derzeit nicht in Sicht, denn solange eine Vermischung von Arbeit und Freizeit geschehe und durch neue Medien sowie Arbeitszeitflexibilisierungen noch weiter verstärkt werde, entgrenzen wir uns immer weiter.
„Wann arbeiten wir denn mal nicht?“ fragte der Soziologe im Siegener Lyz provokativ. „Bleibt der Zwang zur äußeren Produktivität ungebrochen, mündet die Organisation des Tages im Sinne einer Selbsttechnologie, tendenziell in einer maximierten Form der Selbstausbeutung.“ Eine Arbeit in Muße wäre nur ohne Zwang zur Arbeit realisierbar. Als mögliche Lösung und einen Ausweg, um dieser Zwangslogik zu entkommen, führte Lenger das bedingungslose Grundeinkommen als Instrument gegen die Ökonomisierung der Gesellschaft an. Arbeit wäre nicht länger strukturell zum Erhalt der Gesellschaft notwendig und Muße möglich. Mit diesem Ausblick mündete der Vortrag erneut in eine tiefgehende rege Diskussion mit den interessierten Bürgern.
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