(wS/red) Siegen/Ysselsteyn 10.07.2019 | Es ist heutzutage nicht leicht, die Geschehnisse und das Ausmaß des Zweiten Weltkrieges zu verstehen. Für viele und gerade junge Menschen sind es oft nur noch Zahlen und Fakten aus dem Geschichtsbuch. Um sich jedoch das Ausmaß und die Schrecken dieses Weltkrieges bewusst zu machen, lädt Landrat Andreas Müller, der auch Kreisvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist, regelmäßig junge Menschen zu Studienfahrten ein. So fand im Juni eine Studienfahrt zur Kriegsgräberstätte nach Ysselsteyn in den Niederlanden statt. Dort wurden auf einem parkähnlichen Gelände mehr als 31.000 deutsche Kriegstote des Zweiten Weltkrieges bestattet. Unzählige Grabkreuze zeugen bis heute davon.
Rund 30 Berufsschüler des Ausbildungsberufes Verwaltungsfachangestellter am Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung hatten sich zusammen mit ihren Lehrern Antje Schneyer und Dr. Marco Rehm sowie dem Geschäftsführer des Kreisverbandes Ingolf Jost aufgemacht, diesen Ort des Gedenkens zu besuchen.
Ysselsteyn liegt etwa drei Autostunden von Siegen entfernt, direkt hinter der deutsch-niederländischen Grenze. Wenige Kilometer südwestlich von Venray, einer Gemeinde mit rund 40.000 Einwohnern in der Provinz Limburg, wurde die mit 30 Hektar flächenmäßig größte Kriegsgräberstätte der Welt nach dem Krieg errichtet. Auf ihr ruhen alle im Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden gefallenen deutschen Kriegstoten.
Dass jeder von ihnen ein Mensch mit Biographie, Familie, Träumen oder Berufswünschen war, das wurde den Teilnehmern in einem Workshop deutlich, der von der Jugendbildungsstätte des Volksbundes angeboten wurde. Sie liegt direkt neben der Gedenkstätte.
Hier konnten die Teilnehmer anhand von historischen Dokumenten, Briefen, Tagebüchern und Bildern das Schicksal von neun der mehr als 31.000 Kriegstoten kennen lernen. Nachdem diese von kleinen Arbeitsgruppen zu Kurzbiographien zusammengefasst worden waren, begaben sich die Schüler auf den Friedhof, um die einzelnen Gräber dieser Menschen aufzusuchen. Hilfreich war hier ein Lageplan, der die Suche unter den vielen Grabkreuzen vereinfachte. Dort angekommen, stellten die Gruppen dann die einzelnen Biographien vor.
Besonders bewegend war für viele beispielsweise das Schicksal von Anneliese Lehmann. Sie war als Zivilangestellte während des Zweiten Weltkrieges auf dem Flugplatz Stendal angestellt. Ihr Verlobter war als Soldat eingezogen worden.
Bei einer Zugfahrt in den Heimaturlaub nach Deutschland wurde sie Opfer eines Bombenangriffs am 8. April 1945, also kurz vor Ende des Krieges. Sie verlor mit 25 Jahren ihr Leben. Ihr Verlobter erfuhr nie vom Tod seiner Liebsten. Er galt kurz danach als vermisst.
Den Abschluss des Studientages bildete eine Austauschrunde, in der Eindrücke und Erkenntnisse gesammelt wurden. Viele Schüler berichteten davon, dass der Zweite Weltkrieg für sie nunmehr ein „Gesicht“ bekommen habe. Andere waren auf Grabkreuze von Menschen aufmerksam geworden, die kaum älter oder sogar noch jünger waren, als sie selbst und deren Leben aufgrund eines sinnlosen Krieges gewaltsam beendet wurde. Manch einer hatte sogar Kindergräber entdeckt.
Auch Ingolf Jost, Geschäftsführer des Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein zeigte sich erneut tief bewegt von dem mahnenden Charakter der Kriegsgräberstätte. Aber er freue sich auch, so Jost weiter, dass mit diesem Studientag junge Menschen entdeckt hätten, wo ein solch sinnloser Krieg endet. Und er ermutigte die Teilnehmer abschließend, sich für das kostbare Gut von Frieden und Demokratie einzusetzen.
Fotos: Kreis Siegen Wittgenstein