„So stark durcheinandergerüttelt wurde das Verbrauchverhalten in den vergangenen Jahrzehnten nie“

(wS/uni) Siegen 07.06.2022 | Lebensmittel, Energiepreise und viele weitere Bereiche: Die Inflation bewegt sich auf Rekordniveau, das Leben ist in vielen Bereichen teurer geworden. Doch wie gehen die Verbraucher damit um und wie werden sich die Preise entwickeln? Diese Fragen beantwortet unsere Expertin der Woche, Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, Mitinitiatorin des Zentrums für Verbraucherschutz und verletzliche Verbraucher an der Universität Siegen. Prof. Hanna Schramm-Klein zu den Auswirkungen der Preissteigerungen in vielen Bereichen auf die Verbraucher: Wir haben durch die Coronapandemie bedingt schon lange eine schlechte Konsumstimmung.

Zwischenzeitlich hatte sich die Situation zwar verbessert, das war aber spätestens mit Kriegsbeginn in der Ukraine vorbei. Mit der Pandemiesituation und dem Krieg verbunden ist das Thema Engpässe. Und zwar Engpässe, bei denen es nicht nur um Luxusartikel geht, sondern bei denen auch bestimmte Lebensmittel betroffen sind. Wenn es kein Mehl mehr gibt, löst das Ängste bei den Verbrauchern aus. Dadurch haben wir es mit einer generellen Verunsicherung zu tun.  Prof. Hanna Schramm-Klein zu Reaktionen im Einkaufsverhalten: Wir haben eine Pandemie, wir haben Knappheit, wir haben einen Krieg, der ganz nah ist. So stark durcheinandergerüttelt wurde das Verbraucherverhalten in den vergangenen Jahrzehnten nie. Es wurden viele Gewohnheiten abgelegt oder verändert und neue Gewohnheiten entwickelt.

Was man beobachten kann, ist, dass viele Menschen ihren Konsum eingeschränkt haben oder dass sie vorhaben, den Konsum einzuschränken. Verbraucher kaufen viel stärker Produkte aus Aktionsangeboten und versuchen, Preisvorteile zu erreichen. Aber man kann der Inflation kaum aus dem Weg gehen. Deshalb gibt es vor allem eine Zurückhaltung bei größeren Anschaffungen oder langlebigen Konsumgütern wie Bekleidung, Schuhen, Unterhaltungselektronik. Es gibt zudem auch immer mehr Verbraucher, die an ihr Erspartes ranmüssen, deren normales Haushaltseinkommen nicht mehr ausreicht. Was man oft unterschätzt: Das betrifft besonders stark die Durchschnittsfamilie.  Sie muss sich nun viel stärker einschränken als zuvor, weil das Einkommen nicht mehr ausreicht, um den gewohnten Konsum abzudecken. Prof. Hanna Schramm-Klein zu der weiteren Preisentwicklung: Ich glaube, dass wir noch über einige Monate oder sogar Jahre mit Preissteigerungen rechnen müssen.

Wir haben Lieferketten und Abhängigkeiten, die über Jahrzehnte aufgebaut worden sind. Jetzt gibt es erste Länder, die Waren zurückhalten. Es entstehen Logistikprobleme, Kapazitätsengpässe, es fehlen bestimmte Produkte für die industrielle Produktion. Es ist schade, dass bei den ganzen Betrachtungen zu wenig auf die globalen Wertschöpfungsketten geguckt wird. Das Verständnis dafür würde helfen, Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Bei vielen Maßnahmen handelt es sich eher um Aktionismus: Wo können wir jetzt schnell Geld reinschießen? Aber das wird langfristig nicht helfen.

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