(wS/dia) Siegen 14.08.2024 | Diakonie Klinikum Jung-Stilling kooperiert mit Universität Bonn – Sportliche Referenten und persönliche Geschichten
Die Tür der Notaufnahme geht auf. Eingeliefert wird ein Kind. Vier Jahre alt. Es wurde von einem Auto angefahren. Die Ärzte kämpfen, tun alles, um das Kind zu retten. Doch vergeblich. Nach eineinhalb Stunden müssen die Mediziner aufgeben. Das Kind ist tot. „Tage wie diese bringen auch erfahrene Mediziner an unsere Grenzen“, sagt Prof. Dr. Veit Braun, Chefarzt der Neurochirurgie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling Siegen. Der Mediziner- oder auch Zahnmediziner-Nachwuchs wird indes auf solche Ereignisse im Studium nicht vorbereitet. Um dies zu ändern, bot die Universität Bonn nun erstmalig das Wahlpflichtfach „Umgang mit Extremsituationen an“ – und fand in der Diakonie in Südwestfalen einen starken Partner. Dazu wurden namhafte Referenten zu Gast, wie etwa der Musiker und Extremsportler Joey Kelly oder Bergsteigerin Julia Schultz.
Wie es gelingen kann, sich selbst in einer Extremsituation nicht zu verlieren, davon weiß Marc Wallert zu berichten. Im Frühjahr 2000 wurde er auf einer Urlaubsreise in Malaysia entführt. 20 Touristen – darunter auch Wallerts Eltern – nahmen Mitglieder der Terrororganisation AbuSayyaf 140 Tage lang gefangen. Doch abgeschnitten von der Welt waren die Geiseln nicht: Die Terroristen gewährten Kamerateams auf der ganzen Welt Zugang zu ihrem Camp. „Nur heraus ließ uns keiner“, so Wallert. Zuerst surreal, fand er von Tag zu Tag einen anderen Zugang zur Situation, lernte zu akzeptieren und eine gewisse Art von Optimismus. „Was ich immer vor Augen hatte war, dass ich bald wieder mit meinem Bruder zusammensitze und wir ein Bier trinken“, so der Mental-Trainer. Er habe es geschafft, seiner Mutter indes hinge die Geiselnahme bis heute nach. „Sie hat es nicht geschafft, das, was geschehen ist, als gegeben hinzunehmen. Das ist schade. Aber jeder Mensch ist anders.“
Am gleichen Tag gab es noch Bewegung für die Studierenden: Das Team von „Detac!“ Siegen vermittelte mit Krav Maga spezielle Selbstverteidigungstechniken, welche ungleiche Kraftverhältnisse kompensieren können. Zudem wurde die Stressresistenz geschult.
„Nur wer mit Leidenschaft für seinen Job brennt, erreicht auch seine Ziele“. Dieses Credo gemein hatten die Referenten aus dem Bereich Extremsport. Zu Gast waren die deutsche Ironman-Weltmeistern Julia Ertmer sowie Julia Schultz, die erste deutsche Bergsteigerin, die nicht nur die „Seven Summits“ – also die jeweils höchsten Gipfel jedes Kontinents –, sondern auch den Nord- und Südpol und damit den „ExplorerS Grand Slam“ erreicht hat. Als Special Guest wurde sie von ihrer Freundin und Ultraradmarathonspezialistin Melina Borgmann begleitet, welche erst ein paar Tage zuvor das „Rad am Ring“, ein 24-Stunden-Radrennen am Nürburgring, gewonnen hatte. Beide gaben tiefe Einblicke in ihre Motivation zum Extremsport und ihren Umgang mit Niederlagen. Ebenso wie Extremsportler und Musiker Joey Kelly mit seinem interaktiven Vortrag „No Limits“.
Wie man durch Training und der damit einhergehenden physischen Stärke zu mentaler Kraft kommt, wurde in Theorie und Praxis von Andreas Klose präsentiert, einem ehemaligen Profileichathleten, der seine aktive Laufbahn 2017 mit einem zweiten Platz bei der Seniorenweltmeisterschaft im Hochsprung beendete und nun eine Physiotherapiepraxis nicht nur für Spitzensportler in Münster betreibt.
Wie die Studierenden Resilienz lernen, also die Fähigkeit, sich an extreme Situationen anzupassen, zeigte von wissenschaftlicher Seite Prof. Dr. Franziska Geiser von der Universität Bonn auf. Selbst ausprobieren: Damit wurde das Wahlfach abgerundet. Maik Schöler und Margrit Völzing vom ARZ Siegerland zeigten den Studierenden, wie sie mit Yoga und Faszientriggerpunkten körperlich und seelisch Entspannung finden können. Zudem konnten die Nachwuchs-Mediziner lernen, wie man mit Kinesiotapes arbeitet. Deren praktische Anwendung präsentierte Privatdozentin Dr. Anne Carolus von der „Stilling“-Neurochirurgie. Schlusspunkt des Kurses setzte ein veganer Kochkurs, organisiert vom Studierendenwerk der Uni Siegen. Auch hier durfte natürlich der wissenschaftliche Hintergrund nicht fehlen. Prof. Dr. Sabine Ellinger ist Lehrstuhlinhaberin für Humanernährung der Landwirtschaftlichen Fakultät und präsentierte Kakao als Superfood in der Prävention kardiometabolischer Erkrankungen. Dazu erläuterte Julia Gmeiner vom Referat Ernährungsbildung in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn, wie man gesunde und richtige Ernährungsmittel findet. Dass auch sanfte Medizin nicht nur kritisch hinterfragt werden darf, sondern ebenso wie die klassische Schulmedizin evidenzbasiert sein sollte, zeigte Lehrstuhlinhaberin für Hausarztmedizin Prof. Dr. Birgitta Weltermann.
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