(wS/dia) Siegen 01.03.2023 | Die Möglichkeiten, Prostatakrebs zu behandeln, verbessern sich stetig. Robotergestützte Operationsverfahren und Strahlentherapien sind schonend und verkürzen die Behandlungsdauer betroffener Patienten. Diese und weitere Themen haben rund 200 Besucher zum 17. Prostata-Symposium ins „Haus der Siegerländer Wirtschaft“ gelockt, wo sie Vorträgen lauschen und im Anschluss sechs medizinischen Experten Fragen rund um das Thema Prostatakrebs stellen konnten. Veranstalter waren Dr. Peter Weib, Chefarzt der Urologie im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen, und Lothar Stock, Vorsitzender der Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe Siegen. Zu den Kooperationspartnern zählten das Kompetenznetz Prostata-Niere-Harnblase, das Ärztenetz Lahn-Dill, der Ärzteverein Olpe, der Ärzteverein Siegen und die Kreisärzteschaft Altenkirchen.
Bei etwa 65 000 Männern in Deutschland wird jährlich ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Knapp 13 000 Betroffene sterben an dem Krebs. Gemeint ist ein bösartiger Tumor in der Vorsteherdrüse (Prostata). Diese umschließt die männliche Harnröhre unterhalb des Blasenausganges. Gemeinsam mit Samenbläschen und Hoden bildet das Organ die Samenflüssigkeit. Das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, steigt mit dem Alter an. Experten empfehlen Männern ab 45 Jahren, regelmäßig zur Vorsorge-Untersuchung zu gehen. Denn früh erkannt, ist die Krankheit besser heilbar.
Die Therapien bei Prostatakrebs entwickeln sich rasant. So ermöglichen hochmoderne Roboter präzise chirurgische Eingriffe an der Prostata sowie die gezielte Bestrahlung einzelner Krebsherde, ohne den ganzen Körper zu belasten.
Einen Einblick in die robotische Chirurgie bei Prostatakrebs gab Mahmoud Farzat, Chefarzt der Robotischen Chirurgie am Diakonie Klinikum. Hier wurden in den vergangenen vier Jahren mithilfe des Da-Vinci-Roboters mehr als 1000 OPs durchgeführt, davon jede zweite OP an der Prostata. In etwa der Hälfte der Fälle habe es sich dabei um lokal bereits fortgeschrittene Karzinome gehandelt, das heißt um Tumore, die auch außerhalb der Prostata wachsen. „Früher mussten Patienten bei einer offenen Prostata-OP vier Wochen im Krankenhaus verbleiben und brauchten sogar Blutkonserven. Heute ermöglicht der vierarmige OP-Roboter es den Ärzten, besonders präzise zu operieren“, erklärte Farzat. Von einer Konsole aus können Chirurgen über eine dreidimensionale Kamera die Instrumente millimetergenau steuern und mithilfe einer nur acht Millimeter großen Hand auch filigranste Schnitte sicher, präzise und zitterfrei setzen. Ob bei Eingriffen an Prostata, Nieren, Harnwegen oder Blase: Für die Patienten ergeben sich dadurch etliche Vorteile: weniger Komplikationen, weniger Blutverlust, weniger Schmerzen, eine schnellere Heilung. „Auch Kontinenz und Erektionsfähigkeit bleiben in der Regel erhalten“, erläuterte Farzat. Dank des schonenden Verfahrens reduziere sich für die Patienten zudem die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus. Die meisten Patienten könnten bereits nach einigen Tagen entlassen werden.
Wie sich die Strahlentherapie bei Prostatakrebs weiterentwickelt, stellte Dr. René Baumann, Chefarzt der Strahlentherapie im St. Marien-Krankenhaus Siegen, vor. Ziel ist es, den Tumor mit einer hochenergetischen Röntgenstrahlung präzise zu treffen. Dies schont das umliegende gesunde Gewebe und lässt den Tumor im Verlauf geordnet absterben. Baumann stellte neue Verfahren aus dem Bereich der Radiochirurgie vor, die für den Patienten diverse Vorteile. insbesondere Kontinenz und Potenz. Dabei werden Technologien wie ein Linearbeschleuniger, ein Bildortungssystem und ein Präzisionsroboter miteinander kombiniert. „Einige ausgewählte Patienten mit einem besonders langsam wachsenden Prostatakrebs können mit dieser Methode noch gezielter, mit ein paar harten Treffern behandelt werden“, so der Chefarzt. Während bei einer derzeit als Leitlinien-Standard indizierenden externen Bestrahlung mit Linearbeschleunigern viele Therapiesitzungen nötig seien, könnte mit der robotergestützten Bestrahlung innerhalb von Studien die Anzahl der Sitzungen minimiert werden. „So stehen 39 herkömmliche Bestrahlungen, fünf Bestrahlungen mit dem Roboter gegenüber.“ Bei einer gezielten Bestrahlung ist, so Baumann, im Vergleich zur älteren Brachytherapie (Bestrahlung von innen) auch keine Narkose nötig und Blase und Enddarm werden deutlich geringer mitbestrahlt. Der Mediziner betonte, dass für eine bestmögliche Therapie bei jedem Patienten ein individueller Therapieplan in einer Tumorkonferenz von allen Fachdisziplinen (Urologie und Strahlentherapie) gemeinsam ausgewählt wird.
Neben den immer fortschrittlicher werdenden Therapiemöglichkeiten erhielten die Besucher auch wertvolle Informationen, wie sie mit unerwünschten Begleiterscheinungen nach einer Prostatatherapie umgehen können. Dr. Peter Weib, Chefarzt der Urologie am Diakonie Klinikum, widmete sich in seinem Vortrag typischen Begleiterscheinungen und Folgen im Rahmen einer Prostatakrebs-Behandlung. Die Beschwerden, über die Patienten häufig klagen würden, seien Müdigkeit, einhergehend mit Motivationslosigkeit und Konzentrationsstörungen, Hitzewallungen und der Verlust von Knochensubstanz – allesamt häufige Nebenwirkungen der Hormontherapie. Diese wird meist begleitend oder auch nach einer Operation oder Strahlentherapie eingesetzt. Ziel ist es dabei, dem Körper das männliche Geschlechtshormon Testosteron zu entziehen oder seine Wirkung zu blockieren, denn dieses Sexualhormon beeinflusst das Wachstum von Prostatakrebs. Um dem Knochenschwund entgegen zu wirken, können Patienten ihren Körper mit calciumreicher Nahrung unterstützen und mithilfe von Sport die Muskelmasse halten „Am besten ist es natürlich der Krankheit vorzubeugen. Dafür ist ein gesunder Lebensstil mit der richtigen Ernährung und ausreichend Bewegung von großer Bedeutung“, betonte Weib. Hier gab der Experte den Zuhörern zahlreiche Tipps auf den Weg: „Mediterrane Kost mit Tomatensauce, Übergewicht vermeiden, etwa 150 Minuten moderater Sport in der Woche, wenig Alkohol und natürlich nicht rauchen.“ Und auch, wenn man bereits an Krebs behandelt wurde, lohnt sich die Ernährungsumstellung: Aktuelle Studien hätten gezeigt, dass durch Kost-Veränderung die späteren Verläufe nach Behandlung um mehr als die Hälfte besser sind, als ohne.
Im Anschluss an die Vorträge nutzten zahlreiche Zuhörer die Chance, den Experten Fragen zu stellen. Neben den Referenten standen Victoria Meyer, Oberärztin der Urologie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Dr. Martina Weil, Fachärztin für Urologie und Medikamentöse Tumortherapie, und Dr. Wolfram Wannack, Chefarzt der Strahlentherapie am Klinikum Wetzlar, auf dem Podium Rede und Antwort. Lothar Stock, Vorsitzender der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs, die bereits seit 20 Jahren besteht, moderierte die Podiumsdiskussion und stand ebenfalls für Fragen der Besucher bereit. Wissenswertes zur Selbsthilfegruppe gibt es unter www.prostatakrebs-siegen.de oder unter Telefon 02735/5260.
Die Referenten beim Siegener Prostata-Symposium (von links): Dr. Martina Weil, Fachärztin für Urologie und Medikamentöse Tumortherapie, Dr. René Baumann, Chefarzt der Strahlentherapie im St. Marien-Krankenhaus Siegen, Mahmoud Farzat, Chefarzt der Robotischen Chirurgie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Dr. Peter Weib, Chefarzt der Urologie im „Stilling“ sowie Victoria Meyer, Oberärztin der Urologie am „Stilling“.
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