wS/si – Diakonie in Südwestfalen – 18.04.2012 – Hilfe zur Selbsthilfe leisten, das ist die Aufgabe von Heike Tönnes und Gabi Gaumann. Denn die beiden Beraterinnen arbeiten für die Selbsthilfekontaktstellen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe. Heike Tönnes ist für die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen in der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle des Evangelischen Kirchenkreises Siegen zuständig.
Gabi Gaumann koordiniert die Selbsthilfegruppen für körperliche Erkrankungen in der Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen. Beide Frauen haben einen Überblick über die rund 350 aktiven Selbsthilfegruppen in der Region. Sie helfen, eine bestehende Gruppe zu finden oder eine neue aufzubauen. Dabei ist gerade der erste Kontakt wichtig. „Wir geben nicht einfach die Kontaktdaten von Selbsthilfegruppen heraus“, erklärt Tönnes. Vielmehr gehe es darum, bei einem Erstkontakt die persönliche Situation der Ratsuchenden zu klären. „Wir nehmen uns viel Zeit für die Betroffenen und ihre Probleme, um gemeinsam die passende Unterstützungsmöglichkeit zu finden“, sagt Tönnes.
Dies könne die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe sein oder aber der Hinweis auf professionelle Versorgungsangebote. Knapp 2000 eingehende Kontakte verbuchten die Mitarbeiterinnen allein im letzten Jahr – telefonisch, persönlich oder schriftlich. „Vor allem die E-Mail Anfragen nehmen zu“, so Tönnes. Auch hier gilt die Devise „Klären statt Verweisen“: „Wir nehmen trotzdem telefonisch oder persönlich Kontakt auf, um richtig weiterhelfen zu können“. Ein weiteres Phänomen bei den eingehenden Kontakten ist die Verteilung: Rund zwei drittel waren Frauen, ein drittel Männer. „Frauen reden offener über ihre Probleme und finden den Austausch mit anderen hilfreich“, erläutert Gaumann diese Tendenz.
Dabei hätten Betroffene häufig eine Hemmschwelle, die es zu überwinden gilt. „Meistens muss der Leidensdruck erst groß sein, damit Betroffene die Initiative ergreifen“, weiß Gaumann. Trotzdem dürfe eine Selbsthilfegruppe nicht als Therapie-Ersatz verstanden werden. „Selbsthilfegruppen haben eine ergänzende Funktion zur medizinischen oder therapeutischen Behandlung und können auch als Nachsorgeangebot genutzt werden“, sagt Tönnes. Viele Ärzte schätzen die Arbeit der Selbsthilfegruppen: Sie freuen sich über gut aufgeklärte Patienten, die sich aktiv an ihrer Genesung beteiligen. „Vor allem in Gesundheitsgruppen gibt es neben dem Erfahrungsaustausch auch selbst organisierte Angebote, um die Erkrankung besser zu bewältigen“, erklärt Gaumann. Dazu zählen sportliche Aktivitäten wie Gymnastik. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Selbsthilfekontaktstellen ist die Öffentlichkeitsarbeit.
Die beiden Frauen organisieren regelmäßig das Siegener Forum Gesundheit. Dabei handelt es sich um eine monatliche Informationsveranstaltung mit anschließender Diskussion zu aktuellen gesundheitlichen Themen. Die Veranstaltungen werden stets gut besucht: „Beim Thema schmerzende Schulter hatten wir etwa 170 Besucher, das war ein Teilnehmerrekord“, freut sich Gaumann.
Generell verstehen sich die Beraterinnen als Botschafter des Themas Selbsthilfe. Denn sie möchten über ihre Arbeit berichten und damit möglichst viele Menschen erreichen. Deshalb bieten sie spezielle Schulungsangebote, beispielsweise für medizinische Fachangestellte, an. Bereits 60 Teilnehmerinnen haben im vergangenen Jahr in bislang drei Veranstaltungen grundlegende Einblicke in die Kontaktstellen-Arbeit erhalten. Darüber hinaus lernten sie auch die konkrete Arbeitsweise von Selbsthilfegruppen kennen. Diese Informationen geben sie nun in den Arztpraxen an Patienten weiter. Die Beraterinnen kooperieren darüber hinaus mit schulischen Einrichtungen wie Krankenpflegeschulen oder der Universität Siegen. Dort gestalten die Beraterinnen regelmäßig Unterrichtseinheiten. „Zusammen mit Teilnehmern aus Selbsthilfegruppen informieren wir über Möglichkeiten und Grenzen der Selbsthilfe“, erklärt Tönnes. Außerdem berichten sie im Rahmen von Gesundheitstagen, beispielsweise in regionalen Unternehmen, über die hiesige Selbsthilfe. Diese Vernetzungsarbeit sei laut Tönnes ein wichtiger Bestandteil im vielfältigen Aufgabenspektrum der Kontaktstellen.
Mit Neugründungen von Selbsthilfegruppen reagieren die Beraterinnen auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen: Vor allem die neu gegründete Burnout-Gruppe erfährt großen Zulauf. Auch Gruppen bei Schlafstörungen und für Menschen nach psychotischen Episoden wurden in letzter Zeit gegründet. Gruppen bei postoperativen Hüft- und Kniegelenken, für krebskranke Männer sowie bei Kinderwunsch sind bereits in Planung.
Ein besonderer Wunsch der beiden Frauen für das nächste Jahr ist der Zuwachs jüngerer Selbsthilfe-Teilnehmer: „Selbsthilfe ist nicht nur ein Angebot für ältere Menschen. Auch junge Betroffene sind eingeladen, sich über ihre Probleme auszutauschen“, sagt Tönnes. Viele junge Menschen würden sich im Internet informieren und an Foren teilnehmen – ein Trend, den beide kritisch betrachten. „Junge Menschen erhalten ungefilterte, zum Teil falsche Informationen“, so Gaumann. Auch wenn man im Internet anonym bliebe, solle man sich nicht mit seinen Problemen isolieren. „Der persönliche Austausch ist immer noch qualitativ hochwertiger“, ist sich Tönnes sicher. Zu erreichen sind Heike Tönnes unter Tel. 0271/ 2502850 und Gabi Gaumann unter Tel. 0271/ 3336422.
Foto: Leisten Hilfe zur Selbsthilfe: Heike Tönnes (links) und Gabi Gaumann (rechts) helfen Betroffenen, die richtige Selbsthilfegruppe zu finden.
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