wS/dsw Siegen Wittgenstein – 26.12.2012. – Die Weihnachtszeit endet und für viele bedeutet das, eine ausgewogene Ernährung wieder in den Blick zu nehmen. Doch nicht nur Festtagsverlockungen erschweren gesundes Essen. Zusätzlich wird Ernährung schwierig, wenn Faktoren wie Alter, eine Suchterkrankung und belastende Therapien hinzukommen – oder man noch nicht selbst entscheiden kann, was gesund ist.
Gerade bei alten Menschen sei die Ernährung oft besorgniserregend, erklärt Oliver Stellwag, Pflegedienstleiter der Diakonie-Station Weidenau. „Die meisten von uns betreuten Senioren haben Probleme, ausgewogen zu essen und vor allem ausreichend zu trinken.“ Gründe dafür sieht Stellwag vor allem darin, dass Lebensmittel oft nicht mehr eingekauft oder zubereitet werden können. Immer häufiger würden alte Menschen deshalb zu Fertigprodukten greifen, sich einseitig ernähren und zu wenig Nährstoffe und Vitamine zu sich nehmen. „Entscheidend zur Ernährung beitragen können vor allem die Angehörigen“, sagt der Pflegedienstleiter. Beispielsweise indem sie Lebensmittel kontrollieren, einkaufen oder gegebenenfalls beim Kochen helfen. Sind keine Angehörigen vor Ort, unterstützen die ambulanten Pflegedienstmitarbeiter der Diakonie in Südwestfalen.
Beschwerlich wird Essen und Trinken aber nicht nur, wenn man sich im Alter selbst versorgen muss. Krankheiten, schlecht sitzende Zahnprothesen oder ein reduziertes Geschmacksempfinden führen zusätzlich dazu, dass Senioren unregelmäßig essen. Das bestätigt Ernährungswissenschaftlerin Lena Reichmann. Sie ist bei der Diakonischen Altenhilfe Siegerland als hauswirtschaftliche Leiterin tätig und weiß: „Im Alter nehmen die meisten Menschen nicht zu, sondern eher ab.“ Deshalb sei es wichtig, das Gewicht regelmäßig zu kontrollieren, Senioren über ausgewogene Ernährung zu beraten und Essen beschwerdeorientiert zuzubereiten. Letzteres bedeute konkret, beispielsweise Gemüse weich zu kochen, damit es auch bei Zahnproblemen gekaut werden kann.
Ernährung ist aber keineswegs nur bei Senioren ein Thema. Bereits junge Menschen können mit ihrem Essverhalten etwas bewirken, Erkrankungen vorbeugen oder Behandlungen unterstützen. Denn: „Ernährung steht immer auch im Zusammenhang mit einer medizinischen Therapie“, attestiert Professor Dr. Joachim Labenz, Chefarzt der Inneren Medizin am Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus Siegen. Der Mediziner rät, gesund zu essen und sich ausreichend zu bewegen. Und das nicht erst, wenn bereits eine Krankheit festgestellt wurde. Viel Gemüse und Obst, Vollkorn- und Milchprodukte oder Hülsenfrüchte seien gut – vor allem für den Darm. Fisch enthalte sogenannte Omega-3-Fettsäuren, die bei Darmerkrankungen entzündungshemmend wirken. Generell sei es wichtig, mindestens zwei Liter pro Tag zu trinken.
Aus einem anderen Blickwinkel wird Ernährung im Suchtbehandlungszentrum des Ev. Krankenhauses Elsey in Hagen-Hohenlimburg betrachtet. Gesunde Mahlzeiten sind auch hier bedeutend. Insbesondere geht es jedoch darum, dass die suchtkranken Menschen wieder an Gewicht zunehmen und in einem festen Rhythmus essen. „Ernährung ist ein Grundproblem der Suchterkrankung“, schildert Guido Schüller, ergotherapeutischer Mitarbeiter im Elseyer Suchtbehandlungszentrum. Aufgrund ihrer Abhängigkeit seien die meisten Suchtkranken untergewichtig und hätten verlernt, regelmäßig zu essen.
Geldmangel und Antriebslosigkeit seien unmittelbar mit der Sucht verbunden. Schüller kocht mehrmals täglich mit den Patienten. Um diese wieder an geregeltes Essen zu gewöhnen, werden die Lebensmittel in kleinen Gruppen gemeinsam zubereitet. Bis zu fünf Mahlzeiten täglich stehen auf dem Speiseplan. „Wir möchten suchtkranken Menschen wichtige Grundwerte vermitteln“, verdeutlicht Schüller. Die Betroffenen lernen, dass man auch ohne viel Geld und Zeit lecker und ausgewogen essen kann. Darüber hinaus würden kollektive Vorbereitungen und Mahlzeiten das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Woran sich die suchtkranken Patienten im Ev. Krankenhaus Elsey erst wieder gewöhnen müssen, lernt der Mensch oft schon in jungen Jahren. Denn bereits im Kindesalter werden die Weichen für eine ausgewogene Ernährung gestellt: „Wer als Kind lernt, dass man Gummibärchen auch durch einen Apfel ersetzen kann, nimmt dieses Wissen mit bis ins Alter“, beschreibt Britt Kleine. Die Sozialarbeiterin der Diakonie Sozialdienste unterstützt Familien im Kreis Olpe bei der Erziehung und gibt Eltern dabei auch Tipps, wie sie ihre Kinder ausgewogen ernähren können. Oft stellt Kleine fest, dass Kinder übergewichtig sind oder schon im Kleinkindalter schlechte Zähne haben. Für die Sozialarbeiterin sind dies offensichtliche Punkte, an denen Ernährungsfehler zu erkennen sind. Süße Getränke tagsüber und selbst in der Nacht, Süßigkeiten, fetthaltiges Essen und vor allem zu viel Zeit vor Fernseher und Computer seien meistens die Auslöser. Laut Kleine hängt die Ernährung häufig auch mit der finanziellen Situation und dem sozialen Stand von Familien ab: „Je geringer das Budget ist, desto einseitiger und nährstoffarmer sind oft auch die Mahlzeiten.“ Dabei müssen gesunde Lebensmittel nicht immer teuer sein. „Gesunde Nahrung kann man auch günstig beim Discounter kaufen“, rät Kleine vielen ihrer Klienten. Bei Migrantenfamilien sei aber häufig auch eine Sprachbarriere die Ursache für falsche Ernährung. Vielen Eltern falle es schwer, Erklärungen von Ärzten, Hinweise auf Lebensmittelverpackungen oder Tipps beim Elternabend richtig zu verstehen.
Der Grund für falsche Ernährung ist meistens nicht bei den Kindern selbst zu suchen, denn: „Die meisten Kinder lehnen Gemüse und Obst nicht ab, sondern probieren erst einmal“, sagt Kleine. Das stellt auch Miriam Doikas immer wieder fest. Sie leitet die Siegener Kindertagesstätte der Diakonie in Südwestfalen und legt Wert auf Gesundes. Das Mittagessen nehmen die Kinder in der Tagesstätte ein und bekommen hier ausgewogene Mahlzeiten mit Gemüse oder Salat als Beilagen. „Natürlich mag nicht jedes Kind alles – generell sind die Kinder aber offen für Neues und testen auch ihnen unbekannte Nahrungsmittel“, erklärt die Erzieherin. Die Mahlzeiten in der Kita seien jedoch nur ein Baustein. Deshalb appelliert Doikas an die Erziehungsberechtigten: „Auch Zuhause sollten Eltern ihren Nachwuchs ausgewogen ernähren.“
Ernährung betrifft die verschiedensten Lebenssituationen und unterscheidet sich bei Kindern, im Alter, bei kranken und gesunden Menschen. Im kommenden Jahr können sich Interessierte bei einer Expertin persönlich über Ernährung informieren. Ernährungswissenschaftlerin Lena Reichmann erklärt während des Forums Gesundheit der Diakonie in Südwestfalen die Gründe für nahrungsmittelbedingte Unverträglichkeiten und beleuchtet verschiedene Arten von Allergien. Am 14. März um 19 Uhr referiert Reichmann in der Cafeteria des Ev. Jung-Stilling-Krankenhauses Siegen und gibt Tipps, wie Betroffene trotz Allergie wieder Spaß am Essen bekommen.
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