(wS/red) Siegen 22.05.2019 | Region ist Vorreiter bei der Entwicklung digitaler Lösungen für die Gesundheitsversorgung
„Hier in Siegen wird heute die digitale Medizin von morgen entwickelt – und das sehr erfolgreich und ganz nah an der Praxis und den Patienten.“ Das ist das Fazit von Landrat Andreas Müller nach einem Besuch im Forschungskolleg „Zukunft menschlich gestalten“ der Universität Siegen (FoKoS). Im Gepäck hatte der Landrat einen Stern. Den konnte er dem FoKoS nun ganz offiziell überreichen, weil das Forschungskolleg mit dem Projekt „Digitale Modellregion Gesundheit Südwestfalen“ die erste Qualifizierungshürde für die REGIONALE 2025 erfolgreich genommen hat. Dem Projektträger wird mit dem Stern eine herausragende konzeptionelle Idee für die Zukunft Südwestfalens bescheinigt.
„Mit diesem Stern machen wir deutlich, dass hier am FoKoS wichtige Pionierarbeit geleistet wird: Mit digitalen Werkzeugen wird Medizintechnik entwickelt, die sich zum Teil schon kurz vor der Praxisreife befindet und insbesondere den Menschen in ländlichen Regionen wie bei uns in Südwestfalen ganz entscheidend nutzen wird“, so der Landrat: „Wenn der Arzt zum Beispiel Heilungsprozesse oder Therapieverläufe online verfolgen kann, dann verbessert das nicht nur die Qualität der Behandlung, sondern erspart allen Beteiligten zeitaufwendige Besuche in der Praxis“, so ein Beispiel des Landrats für den praktischen Mehrwert dieser digitalen Entwicklungen.
Hinter dem REGIONALE-Projektantrag „Digitale Modellregion Gesundheit Südwestfalen“ stehen mehrere Einzelprojekte, die die Professoren Björn Niehaves und Rainer Brück gemeinsam mit weiteren Projektbeteiligten dem Landrat vorstellten: „Die ‚Digitale Modellregion Gesundheit Südwestfalen‘ soll Modellcharakter für ganz Deutschland haben und die Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen effektiv verändern“, machte Prof. Niehaves zur Einführung deutlich.
Sehr unterschiedliche Einzelprojekte
Die Einzelprojekte beschäftigen sich mit sehr unterschiedlichen Themen und digitalen Lösungsansätzen. ConsumAid ist eine Virtual Reality-Ernährungstherapie. Stark übergewichtige Patienten sollen in einer virtuellen Umgebung gesunde Lebensmittel zu sich heranziehen und hoch kalorienreiche von sich wegschieben – sie somit also eher vermeiden. Der Ansatz habe nachweislich schon mit analogen Karten auf einem Tisch oder einem Joystick am PC neurologische Effekte erzielt. In einem virtuellen Raum seien diese vermutlich noch viel stärker, weil die Erlebnistiefe steigt, erwarten die Wissenschaftler.
Bei Tomo2Go werden elektrische Widerstände mit einer Manschette gemessen und ähnlich wie eine Computertomographie (CT) ausgewertet. Dabei entsteht in Echtzeit eine Karte der Muskelspannung des entsprechenden Körperteils, z.B. des Beins. So kann man etwa sehen, ob bei einer neuen Prothese die Bewegungen des Beins insgesamt in Ordnung sind. Was früher nur aufwendig im künstlichen Umfeld eines Labors ermittelt werden konnte, wird künftig digital in echten ortsunabhängigen Alltagssituationen möglich sein. Neben dem Einsatz in der Reha, kann das Echtzeit-Bildgebungsverfahren auch im Sport- und Fitnessbereich und in der Prophylaxe hilfreich sein.
Bei Conflux geht es um die Behandlung von Reflux-Patienten. Das Reflux-Zentrum Siegerland ist Kooperationspartner des Projekts. Die Patienten stehen mit verschiedenen Ärzten und Einrichtungen in Verbindung. Damit diese über alle relevanten Patienteninformationen verfügen, möchte Conflux ein integriertes Datensystem mit einheitlichen Schnittstellen schaffen. Hierbei handelt es sich um ein REGIONALE-Projekt, das aus der Arbeit einer studentischen Projektgruppe entstanden ist, betonte Prof. Brück.
Remind möchte Demenzpatienten in ihrem häuslichen Umfeld unterstützen – und zwar mit Hilfe eines Sprachassistenzsystems. „Es handelt sich um ein ehrgeiziges Projekt mit regionalen und überregionalen Partnern, etwa der Diakonie Südwestfalen und dem Exzellenzcluster Kognitiver Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld“, erklärte Prof. Brück. Es geht darum, mit Hilfe von Assistenzsystemen die Kommunikation der Demenzpatienten auszuwerten, um auf diese Art z.B. automatisch Hilfe anzufordern, wenn es Auffälligkeiten in der Kommunikation gebe.
Dive ist schließlich ein Kooperationsprojekt mit der Immundefektambulanz des Marienkrankenhauses – der zweitgrößten Einrichtung dieser Art in Europa. Entsprechend kommen die Patienten aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Die örtlichen Hausärzte sind für die Versorgung dieser Patienten nicht die primären Spezialisten. Deshalb muss vieles zentral aus Siegen gesteuert werden. Hier kann Telemedizin einen erheblichen Beitrag leisten, indem die Patienten den Ärzten im Marienkrankenhaus Fotos und Videos zur Diagnostizierung in einer digitalen Patientenakte zur Verfügung stellen. Auch die zwingend vorgeschriebene Dokumentation der Medikation kann per App in die digitale Patientenakte einfließen, was zu einer erheblichen Entlastung führt.
„Für mich hat der Besuch gezeigt, wie weit das FoKoS schon bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Instrumente für die Gesundheitsversorgung ist. Siegen-Wittgenstein und Südwestfalen nehmen hier ganz offensichtlich eine Vorreiterrolle ein“, so Landrat Andreas Müller. „Ich bin überzeugt, dass die Menschen gerade auch in Südwestfalen von diesen Forschungsarbeiten in nicht allzu ferner Zukunft ganz konkret profitieren werden. Es wäre schön, wenn wir dem im Rahmen der REGIONALE einen richtigen Schub geben könnten.“
Anzeige/Werbung –