Zum 9. November – Meine Krankheit heißt Auschwitz

(wS/Si) Siegen 07.11.2021 | „Meine Krankheit heißt Auschwitz“ – die jüdische Autorin Grete Weil

In diesem Jahr sind die Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht eingebettet in die Erinnerung an 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland und geprägt von den Beschränkungen der Corona-Maßnahmen.

Einen kleinen Ausschnitt jüdischen Lebens vermitteln Bernhard Nolz und Wolfgang Popp in ihrem Buch „Leben im Zeichen von Verfolgung und Hoffnung. Jüdische Autorinnen und Autoren in der neueren deutschen Literatur“ (Berlin/Münster 2013). Dort kommen 18 jüdische Zeitzeug:innen zu Wort, deren Lebensgeschichten und Texte nicht dem Vergessen anheim fallen sollten.

Bernhard Nolz: „In diesem Jahr möchten wir an die Schriftstellerin Grete Weil (1906 – 1999) erinnern. Das Buchkapitel über sie trägt die Überschrift „Meine Krankheit heißt Auschwitz“ und wurde von Wolfgang Popp verfasst.“

Grete Weil schreibt über ihre Krankheit:Meine Krankheit heißt Auschwitz, und die ist unheilbar. Ich habe Auschwitz, wie andere Tb oder Krebs haben. Bin genauso schwer zu ertragen wie alle Bresthaften [Kranken]. Die Krankheit verläuft in Schüben, die Schübe werden häufiger, nehmen an Schwere zu. Alkohol und Schlafmittel könnten lindern, ich mag beides nicht, will meinen klaren Kopf behalten. Ich kann von meiner Krankheit nicht davonlaufen, nur daran sterben.“ (Aus dem Roman Generationen)

Grete Weil hat eine Sehnsucht: „Ich trage auf meinem Mantel einen gelben Stern. Als Demütigung erdacht, macht er uns stolz; was die anderen flüstern, dürfen wir laut bekennen: daß wir nicht zu den Mördern gehören. Ich trage auf meinem Mantel einen gelben Stern. Gehöre zu den Auserwählten, die wir waren seit eh und je, im Guten wie im Schlechten. Aber ich habe die Sehnsucht, die wir hatten seit eh und je, zu den vielen zu gehören, den Gewöhnlichen, die keine Mörder sind und keine Opfer.“ (Aus dem Roman Meine Schwester Antigone)

In ihren Romanen setzt Grete Weil sich mit dem großen Verschweigen der Geschehnisse der Nazi-Diktatur bei den Nachfolgegenerationen auseinander und thematisiert die moralische Verpflichtung, sich in die Politik einzumischen und gegen Unrecht und Gewalt aufzustehen.

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