(wS/dia) Siegen 18.04.2024 | Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse sind besonders gefürchtet: Sie werden meist spät entdeckt, und die Sterblichkeit ist hoch. Mehr Betroffenen helfen zu können, ist das Ziel führender Mediziner auf diesem Gebiet. Zu ihnen zählen mit Prof. Dr. Mohammad Golriz und Privatdozent Dr. Hamidreza Fonouni zwei leitende Ärzte des Diakonie Klinikums in Siegen.
Golriz ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, der auch Fonouni als Chefarzt der Sektion Hepatopankreatobiliäre Chirurgie angehört. Beim Pankreas-Forum im Hörsaal des Ev. Jung-Stilling-Krankenhauses gaben sie und weitere Experten einen Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten am Diakonie Klinikum. Schon jetzt könne man hier hochkomplexe Operationen durchführen wie sie deutschlandweit nur wenige Uni-Kliniken leisten, so Golriz. Ziel sei es, sich im Bereich der Pankreaschirurgie fortwährend zu verbessern. Entsprechend lautete das Thema seines Vortrags: „Pushing the limits“, was ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie die Grenzen des Machbaren auszuweiten.
Wenn Patienten die niederschmetternde Aussage erhalten, ihr Tumor sei nicht operabel, hätten sie in der Regel nur noch wenige Monate zu leben. Dabei gebe es für Betroffene durchaus Hoffnung, betont Golriz: „Statt die Patienten in einer palliativen Situation sterben zu lassen, können wir ihnen echte Lebenszeit schenken – Zeit, die sie mit ihren Kindern und Enkeln verbringen können.“ Dies sei „chirurgisch möglich wie auch onkologisch sinnvoll“. Mit seinem Team bietet Golriz am „Stilling“ hochmoderne chirurgische Therapiemöglichkeiten an, die in Kombination mit einer Chemotherapie die Patienten vom Tumor befreien. Dabei setzt man zunehmend auch auf den OP-Roboter „Da Vinci“, der minimal-invasive Eingriffe ohne große Bauchschnitte ermöglicht.
Warum Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse so kompliziert sind, erläuterte PD Dr. Fonouni in seinem Vortrag. Das für den Stoffwechsel und die Verdauung unverzichtbare, jedoch vergleichbar kleine Organ ist nicht nur umgeben von vielen Lymphknoten und -bahnen, es besteht auch eine direkte Verbindung zu Magen, Zwölffingerdarm, Milz, Leber und den großen Blutgefäßen des Bauchraums. Dies lässt – je nach Lage und Größe des Tumors – für chirurgische Schnitte kaum Spielraum. Dennoch kann eine OP unausweichlich sein, nicht nur bei bösartigen Tumoren, sondern unter Umständen auch bei chronisch-entzündlichen Veränderungen der Bauchspeicheldrüse (chronische Pankreatitis). Fonouni ging in seinem Beitrag auf unterschiedliche OP-Verfahren ein.
Klar ist aber auch: Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse sind äußerst komplex und bergen einerseits ein Risiko für potenziell lebensbedrohliche Komplikationen wie Blutungen oder die Ausbildung einer Pankreasfistel. Andererseits besteht eben die Chance, durch eine OP die Patienten vom Tumor zu befreien. Dafür braucht es freilich zunächst eine gesicherte Diagnose. Das Problem: Weil die Symptome meist unspezifisch sind, es zudem bis dato keine effektive Früherkennung gibt, werden Pankreaskarzinome oft spät entdeckt, erläuterte Dr. Michael El-Sheik, Chefarzt der Radiologie. Immerhin: In neun von zehn Fällen lassen sie sich dann über bildgebende Verfahren (MRT, CT, Ultraschall) gut darstellen – größere deutlich besser als kleinere, „ein Dilemma, weil doch gerade die kleineren diejenigen sind, die potenziell gut zu entfernen wären“. Neben der Ausdehnung eines Karzinoms sind für einen Behandlungserfolg weitere Angaben hilfreich: Besteht die Chance, das Tumorgewebe teilweise oder komplett zu entfernen? Haben sich bereits Metastasen gebildet? Auch hier, so El-Sheik, sind die radiologischen Ergebnisse von Fall zu Fall recht unterschiedlich.
Und so bleibt trotz hoher Genauigkeit in der Diagnostik eine gewisse Lücke, die im Klinikalltag aber lebensentscheidend sein kann, wie Dr. Martin Klump, Chefarzt der Hämatologie und Internistischen Onkologie, ausführte: „Selbst, wenn wir Krebs diagnostisch zu 90 Prozent ausschließen können, wollen wir natürlich keinen Patienten verlieren, nur, weil uns 10 Prozent fehlen.“ Dabei spiele auch der Zeitfaktor eine Rolle, da sich bei Bauchspeicheldrüsenkrebs der Zustand der Betroffenen binnen weniger Wochen dramatisch verschlechtern kann. Letztlich bleibe die Kombination aus chirurgischem Eingriff und medikamentöser Chemotherapie „das einzige, was den Patienten heilen kann“.
Abschließend referierte Gehad Alraee, leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik I am „Stilling“ über die endoskopische Diagnostik und Therapie der Bauchspeicheldrüse. Damit können Erkrankungen wie die chronische Pankreatitis, Stenosen, Zysten oder auch Nekrosen nicht nur erkannt, sondern vielfach auch minimalinvasiv behandelt werden.
Fazit von Prof. Dr. Golriz: „Wir haben heute multiple Möglichkeiten, eine Diagnose zu sichern und Patienten mit Pankreaskarzinomen zu helfen.“ Lag die 5-Jahres-Überlebensrate vor nicht allzu langer Zeit bei nur etwa 10 bis 20 Prozent, zeige sich eine Tendenz, dass der Anteil derer, bei denen der Krebs auch nach fünf Jahren nicht wiederkehrt, sich durch moderne Kombi-Therapien verdoppeln könnte. Ziel sei es, das Diakonie Klinikum im interdisziplinären Zusammenspiel von Fachmedizinern zu einem der bundesweit wichtigsten chirurgisch-onkologischen Zentren auszubauen.
Auf Einladung von Prof. Dr. Mohammad Golriz und PD Dr. Hamidreza Fonouni (2. und 1. von rechts) gaben Mediziner des Siegener Diakonie Klinikum Jung-Stilling einen Überblick über moderne Diagnostik und Therapien bei Bauchspeicheldrüsenkrebs (von links): Dr. Michael El-Sheik (Chefarzt Radiologie), Dr. Martin Klump, Prof. Dr. Ralph Naumann (Chefärzte Medizinische Klinik III) sowie Dr. Gehad Alraee (Leiter Endoskopie). Foto: Diakonie in Südwestfalen
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