(wS/er) Kreuztal 08.10.2024 | Wie passt das zusammen? Eine Frau erbt und beantragt trotzdem beim Jobcenter Bürgergeld für sich und ihre Tochter. Begründung: Es sei nicht klar, wann die Erbschaft unter den Geschwistern aufgeteilt wird. Doch das Jobcenter wollte ihr das Bürgergeld wegen der zu erwartenden Erbschaft nur als Darlehen gewähren. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg kassierte den Bescheid ein und gab der Erbin jetzt Recht.
Eine 53-jährige Frau erhielt für sich und ihre Tochter laufend rund 1.000 Euro Bürgergeld. Sie und die beiden Brüder erbten 2019 zu je einem Drittel, nachdem der Vater verstorben war. Die Erbmasse bestand vornehmlich aus einer Immobilie mit drei Wohnungen im Wert von rund 800.000 Euro, sowie zwei Bankkonten mit einem Gesamtbestand in Höhe von 104.190 Euro. In einer der drei Wohnungen mit einer Größe von 65 qm lebte die Bürgergeldempfängerin mit ihrer Tochter, die einen Wert von 280.000 Euro hatte. Zum finanziellen Ausgleich ihrer Brüder nahm die Frau noch ein Darlehen in Höhe von 15.000 Euro auf, damit ihr die Wohnung als Wohneigentum überschrieben wurde.
Streit um Reichweite des Schonvermögens
In den rund zwei Jahren seit dem Tod des Vaters nahm sie immer wieder Bürgergeld in Anspruch, das ihr das Jobcenter jedoch mit Blick auf die zu erwartende Erbschaft nur als Darlehen bewilligte. Dagegen klagte sie vor dem Sozialgericht Reutlingen. Begründung: Es sei nicht absehbar, wann sich die Erbengemeinschaft auf die Aufteilung des Erbes einige. Im Übrigen handele es sich bei der zu erwartenden Erbschaft um Schonvermögen, das an ihrer ansonsten desolaten finanziellen Situation nichts ändere. Das Sozialgericht Reutlingen meinte dagegen, die Klägerin sei auch schon vor Auflösung der Erbengemeinschaft in der Lage gewesen, ihren Erbanteil zu verwerten. Das Bargeld der Erbengemeinschaft und die selbstbewohnte Wohnung unterfielen nicht dem Schonvermögen, weil die Erbin zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung noch nicht Eigentümerin gewesen sei.
Streit könnte vor dem Bundessozialgericht landen
Das sah das Landessozialgericht Baden-Württemberg anders (Aktenzeichen: L 7 AS 2471/23). Denn zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung seitens des Jobcenters sei die Bürgergeldempfängerin bereits als neue Wohnungseigentümerin legitimiert gewesen, so dass für sie die Regeln über das Schonvermögen anzuwenden seien. Danach darf der Bürgergeldempfänger 40.000 Euro Bargeld behalten und eine selbst genutzte Immobilie bis zu einer Größe von bis zu 140 Quadratmetern für ein Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern. Damit, so die Landessozialrichter, habe sich die Annahme des Vorhandenseins verwertbaren Vermögens und die Gewährung nur darlehensweiser Leistungen durch das Jobcenter und das Sozialgericht Reutlingen als falsch und damit rechtswidrig erwiesen. Das Gericht hat allerdings die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles zum Bundessozialgericht zugelassen.
Jobcenter müssen nicht in jedem Fall einspringen
In der Praxis gingen die Sozialbehörden bei Erbengemeinschaften bisher davon aus, dass bei fehlender Zustimmung eines Miterben zur Auflösung der Erbengemeinschaft nicht absehbar ist, wann der Leistungsberechtigte einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Erbe ziehen kann und erhielt deshalb Bürgergeld. Doch jetzt bietet die Fa. ErbTeilung aus Weilheim Bürgergeldempfängern an, deren Anteil unkompliziert in Geld zu wandeln, auch wenn die übrigen Miterben dies blockieren. „Grundsätzlich kann jeder Erbanteil immer versilbert werden. Am schnellsten geht es durch den Verkauf des Anteils, der im Durchschnitt rund zwei bis drei Monate dauert“, erläutert Manfred Gabler, Geschäftsführer von ErbTeilung. Neben dem Verkauf bietet ErbTeilung den Bürgergeldempfängern die wirtschatlichere Unterstützung einer Erbabwicklung mit oder auch ohne die übrigen Erben an, so dass das Geld für ihren Erbanteil früher ausgezahlt wird. Konsequenz: Der Erbe/die Erbin ist nicht mehr auf Bürgergeld angewiesen.
Bedürftige Erben warten lange auf ihr Geld
Ohne die Unterstützung von ErbTeilung müssen Erben mitunter lange warten, bis sie ihr Erbe ausgezahlt bekommen. Nach einer aktuellen Studie von ErbTeilung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Altersvorsorge, zu dessen Gesellschaftern u.a. die Deutsche Bank und BHW Bausparkasse gehören, dauert es in 35 Prozent aller Erbengemeinschaften zwei bis fünf Jahre, bis deren Auflösung eingeleitet wird, in 10 Prozent der Erbengemeinschaften sogar sechs bis 10 Jahre und acht Prozent aller Erbengemeinschaften brauchen dafür 11 bis 20 Jahre. Daraus wird deutlich, dass Erben mitunter extrem lange warten müssen, bis sie an ihr Geld aus der Erbschaft gelangen.
Symbolfoto wirSiegen.de
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