Einblicke in die nachhaltige Trinkwasserversorgung: Kommunale Klimabeauftragte erfahren bei der Besichtigung der Obernautalsperre mehr über zukunftsorientierte Projekte des WVS

(wS/wvs)  Siegen 05.09.2024 | Die Welt ist im Klimastress, und das spüren wir selbst vor der eigenen Haustür. Wenngleich Siegen-Wittgenstein noch nicht so stark betroffen ist wie andere Regionen der Erde, nehmen auch bei uns die Extremwetterlagen immer mehr zu. Die Jahre 2018, 2019 und 2020 haben dies durch ihre Hitzeperioden eindrucksvoll gezeigt, und auch die überdurchschnittlich nassen Sommer 2023 und 2024 sind Signale dafür.

Die Region bestmöglich auf die Folgen dieser Entwicklung vorzubereiten und die Vereinbarungen zum Klimaschutz auf lokaler Ebene umzusetzen – das sind die Aufgaben der Klimafolgenanpassungsmanagerinnen und Klimaschutzmanagerinnen der Siegen-Wittgensteiner Kommunen. Im Rahmen eines Arbeitstreffens, bei dem sie sich regelmäßig über Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze austauschen, besichtigten sie kürzlich die Obernautalsperre. Denn auch die ausreichende Versorgung mit erstklassigem Trinkwasser jetzt und in Zukunft ist ein zentrales Thema des Klimaschutzes und der Klimafolgenanpassung.

Lars Rossmanith, Stauanlagenmeister des Wasserverbandes Siegen-Wittgenstein (WVS), nahm sich rund zwei Stunden Zeit, um der zwölfköpfigen Gruppe allerlei Wissenswertes über die Historie des Bauwerks, seine Funktionsweise, die Trinkwasseraufbereitung und den WVS mit auf den Weg zu geben. Dabei gewährte er den Klimabeauftragten auch Einblicke ins Innere der Talsperre, die im Normalfall nur den Mitarbeitenden des WVS vorbehalten sind. So konnten die Besucher*innen nicht nur die lange Treppe im Kontrollgang in der Herdmauer bestaunen, sondern stiegen im Entnahmeturm auch 50 Meter unter den Grund des Wasserkörpers hinab, um anschließend durch den 280 Meter langen Grundablasskanal auf die andere Seite des Staudamms ins Schieberhaus zu gelangen. Dort öffnete Lars Rossmanith zur Demonstration noch kurz den Grundablass, und die Gruppe beobachtete, wie 20.000 Liter Wasser pro Minute gegen die frisch sanierte Prallwand des Tosbeckens peitschten.

Dass den Menschen in Siegen-Wittgenstein um die hinreichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser nicht bange werden muss, wurde an diesem Morgen deutlich. Aufgrund der hohen Niederschlagsmengen in der ersten Jahreshälfte sind die Obernau- und die Breitenbachtalsperre aktuell mit etwa 91 bzw. 75 Prozent so gut gefüllt wie selten zum Ende des Sommers. Dennoch bleiben die Planungen für den Bau einer dritten Talsperre im Verbandsgebiet von hoher Aktualität. Denn auch wenn es in diesem und im letzten Jahr überdurchschnittlich feucht war, haben besonders die Trockenjahre 2018 bis 2020 gezeigt, was Klimaforscher seit Langem prognostizieren: Die Temperaturen werden steigen, und mit ihnen auch der Wasserbedarf. Einerseits, weil die Bevölkerung bei höheren Temperaturen mehr Wasser verbraucht. Im Jahr 2020 beispielsweise gab der WVS mehr als 17 Mio. m³ Trinkwasser an seine Mitglieder – die Kommunen des Kreises Siegen-Wittgenstein sowie die Stadt Biedenkopf – ab. Normalerweise liegt die jährliche Abgabemenge zwischen 16 und 16,5 Mio. m³. Andererseits, weil die Verdunstung und die Pflichtabgaben zur Regulierung der Pegelstände der unterhalb liegenden Gewässer höher sind als in feuchten, kühleren Jahren. Der Kreis Siegen-Wittgenstein war also gut beraten, dass er bereits vor einiger Zeit die entsprechenden Weichen gestellt hat, um die Versorgung mit Trinkwasser auch für künftige Generationen sicherzustellen. Wie die Klimabeauftragten bei der Führung erfuhren, arbeitet der WVS nach Abschluss der Machbarkeitsstudie derzeit verschiedene Projektierungsschritte in Abstimmung mit der Bezirksregierung Arnsberg ab. Derzeit läuft eine weiterführende Untersuchung, die u.a. klären soll, ob neben dem bislang favorisierten Truftetal bei Bad Berleburg noch andere Areale im Kreisgebiet als Talsperrenstandorte infrage kommen bzw. ob der künftig zu erwartende Mehrbedarf an Trinkwasser auch über andere Bezugsquellen – etwa durch Wasserlieferungen von umliegenden Wasserversorgern – gedeckt werden könnte. „Wir müssen natürlich erst die Untersuchung abwarten, noch liegen uns keine endgültigen Ergebnisse vor. Allerdings deutet derzeit alles darauf hin, dass die dritte Talsperre im Truftetal alternativlos sein wird“, gab Ann Kathrin Müsse, Presse- und Öffentlichkeitsreferentin des WVS, den Besucher*innen aus den Kommunen Einblicke in den aktuellen Sachstand.

Doch dies ist nicht das einzige Projekt, das der Wasserverband vor dem Hintergrund des Klimawandels und der notwendigen Klimafolgenanpassung unter der Ägide des Verbandsvorstehers, Landrat Andreas Müller, bearbeitet. Er beschäftigt sich zurzeit auch intensiv mit alternativen Energiequellen, insbesondere mit Agri-PV-Anlagen, die eine Stromerzeugung sowie eine landwirtschaftliche Nutzung auf derselben Fläche erlauben, und mit schwimmenden Photovoltaik-Anlagen, sogenannter Floating-PV. Während letztere auf den Talsperren entstehen könnten, wäre die Installation einer Agri-PV-Anlage neben einem Pumpwerk denkbar. Auch die Errichtung herkömmlicher PV-Dachanlagen ist ein Thema. Der WVS hat in diesem Jahr fünf Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten einer Realisierung dieser Ideen zu untersuchen. „Die Ergebnisse dieser Studien erwarten wir noch in diesem Jahr. Abhängig davon, wie sie ausfallen, würden weitere Prozessschritte eingeleitet. Doch noch stehen wir mit den Projekten ganz am Anfang und wissen nicht, ob die Installation solcher Module bei uns möglich oder sinnvoll wäre. Eines ist klar: Alles, was künftig vielleicht in dieser Richtung unternommen wird, muss trinkwasserverträglich sein, denn wir sind in erster Linie Trinkwasserversorger und kein Energielieferant. Das gilt grundsätzlich für alle Projekte, besonders aber für die Floating-PV-Anlagen, deren Bauteile direkt mit dem Wasser in Berührung kämen. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser darf zu keinem Zeitpunkt gefährdet sein“, betonte Ann Kathrin Müsse.

Die Klimabeauftragten bedankten sich bei Lars Rossmanith und ihr schließlich für die interessanten Einblicke in die tägliche Arbeit und zukunftsorientierten Projekte des WVS. „Die gewonnenen Informationen können wir für die erfolgreiche Erledigung unserer Aufgaben gut nutzen, da beispielsweise auch bei uns Fragen aus der Bevölkerung auflaufen“, waren sie sich einig.

Im anschließenden Austausch im Netphener Rathaus wurden die aktuellen Themen im Klimaschutz auf kommunaler Ebene vertieft, allen voran die derzeit herausfordernde Kommunale Wärmeplanung, aber auch der Ausbau der Photovoltaik, die Verfügbarkeit von Fördermitteln, aktuelle Entwicklungen im Bereich der Starkregenfrühwarnung und der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für E-Autos und E-LKW. „Wir tauschen uns zwar alle zwei Monate online aus, aber ein einmal im Jahr stattfindendes Treffen im echten Leben ist eine willkommene Abwechslung“, findet Sebastian Gürke, der beim Kreis für die Klimafolgenanpassung verantwortlich ist.

Die Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsbeauftragten der Siegen-Wittgensteiner Kommunen besichtigten kürzlich im Rahmen eines Arbeitstreffens die Obernautalsperre. Stauanlagenmeister Lars Rossmanith (rechts) führte sie durch die Anlage und gab ihnen viele Informationen über das Bauwerk sowie die Arbeit des Wasserverbandes.

(Foto: Wasserverband Siegen-Wittgenstein)

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