(wS/red) Siegen-Wittgenstein 26.10.2024 | „Sind Sie nur Pilot?“, diese Frage wurde Rainer Michely während seiner vierzigjährigen Dienstzeit am häufigsten gestellt. „Ja, ich bin nur Pilot. Aber aus vollster Überzeugung“, antwortete er den vielen Menschen, denen er bei seinen Einsätzen begegnete, mit gewohnt ruhiger Stimme und seiner sympathischen Art.
Rainer Michely ist bis zur letzten Minute Rettungspilot aus Leidenschaft. In seinen letzten 27 Dienstjahren flog er mit „Christoph 25“ den Notarzt ins Siegener Umland. Insgesamt absolvierte er über 36.000 Starts und Landungen und flog rund 8100 Stunden lang.
Eigentlich hatte er gar nicht vor, in der Fliegerei zu arbeiten, erzählt Rainer Michely mir bei einem Treffen kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Flugdienst. Am heutigen Samstag wird er zum letzten Mal mit „Christoph 25“ abheben und den Menschen Hilfe bringen. Danach beginnt der passive Teil seiner Altersteilzeit – einen Tag vor seinem 60. Geburtstag.
Den Weg zu „seinen“ Hubschraubern fand Rainer zunächst durch Zufall: „Da war eine Werbeveranstaltung vom Bundesgrenzschutz an unserer Schule. Und ich hatte von meinem Opa schon ein Luftgewehr geschenkt bekommen als Kind. Da dachte ich, das wäre was für mich“, lacht er. Doch nach einiger Zeit merkte er, dass der Polizeidienst im Bundesgrenzschutz doch nicht das Richtige für ihn war. Dennoch schloss er seine Ausbildung ab. „Ich hätte dann zum einen eine abgeschlossene Ausbildung und zum anderen mit einem weiteren Jahr Tätigkeit bei der Polizei nicht mehr zur Bundeswehr gemusst“, erklärt er seine damaligen Beweggründe, nicht aus der Ausbildung auszusteigen.
„Und dann gab es einige Kumpels bei der Polizei, die waren auf eine Ausschreibung zum Fliegerlehrgang aufmerksam geworden“, erinnert er sich weiter. Die sagten zu mir: „Komm, da bewerben wir uns und werden Piloten“. Eine Vorstellung, von der Rainer sich zu dieser Zeit keinen Erfolg versprach. „Aber wir haben uns dann beworben“, erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht. Nach wenigen Tagen wurden alle seine Kumpels zum Auswahlverfahren eingeladen, Rainer jedoch nicht. „Meine Noten im Einsatzrecht waren schlecht. Deshalb war für mich klar, dass man mich da aussortiert hatte und ich ging zur Einsatzhundertschaft“, beschreibt er seinen weiteren Werdegang.
Damals musste der gebürtige Hunsrücker als Streife die innerdeutsche Grenze bewachen. So eigentlich auch an jenem Freitagmorgen, als sie in der Grenzschutzkaserne antreten mussten. „Der Spieß kam raus und rief mich ab, ich solle mal sofort reinkommen“, erinnert er sich. Unbehagen machte sich bei Rainer breit. „Das gab es noch nie bisher, dass jemand beim Antreten reingerufen wurde.“ Am Telefon war ein Fluglehrer aus Hangelar, der Rainer fragte, ob er noch Interesse am Fliegerlehrgang habe. Nach einem kurzen Telefonat am Freitagmorgen war klar: Ab Montag beginnt das Auswahlverfahren. Eine Vorbereitung gab es dann nicht mehr.
„Ich musste meine Grenzstreife tauschen und bin dann von Bad Hersfeld in den Hunsrück gefahren, um Sachen zu packen und ab Montag am Auswahlverfahren teilzunehmen. Ich hatte ja gar keine Ahnung von der Fliegerei oder von dem, was mich da erwartet“, machte er sich nicht viel Hoffnung. Am Ende war Rainer von den Kumpels der einzige, der das Auswahlverfahren bestand und im Mai 1984 zum Fliegerlehrgang gehen durfte. Ein Glücksfall nicht nur für ihn selbst, sondern auch für viele andere Menschen, denen er später helfen oder auch einfach „nur“ eine Freude bereiten konnte.
Zunächst war er als junger Pilot auf einem Hubschrauber vom Typ „Alouette“ eingesetzt und machte in der Hauptsache Grenzüberwachungsflüge oder flog hochrangige Persönlichkeiten. „Die waren aber oft auch arrogant oder unverschämt, und es hat mir nicht viel Freude gemacht.“ Jeder, der Rainer persönlich kennt, weiß, dass solche Charaktere zu dem freundlichen und immer ausgeglichenen Piloten nicht passen. Da war es ein Segen für ihn, ein Rating für die BO 105 zu bekommen und damit dann fast nur noch Rettungsdiensteinsätze fliegen zu dürfen. Einen Großteil davon absolvierte er als Pilot des „Christoph 3“ vom Klinikum Köln Merheim aus.
Einen Einsatz in dieser Zeit, den er nie vergessen wird: „Wir wurden in Richtung Autobahn geschickt, und der Tower gab uns eine Richtung vor. Das gab es bis dahin noch nie“, erinnert er sich. Als er auf der Autobahn landete, boten sich ihm und seinem Team unglaubliche Bilder: „Spezialkräfte hatten Täter auf der Straße gefesselt und hatten ihre Waffen im Anschlag. Ein Auto, durchlöchert mit Einschüssen, stand dort“, erzählt Rainer. Beim damaligen Geiseldrama von Gladbeck, das um die Welt ging, war er das erste eintreffende Rettungsmittel nach dem Zugriff auf der Autobahn. „Wir haben die überlebende junge Frau in eine Klinik geflogen“, erinnert er sich. Anschließend musste er mit seinen Kollegen zum Untersuchungsausschuss, um dort zu seinen Beobachtungen befragt zu werden. Dabei begegnete er schon seinen künftigen Kollegen von „Christoph 25“, die damals auch im Einsatz waren.
„Nach langen Jahren beim Bundesgrenzschutz fuhr ich jeden Morgen mit Bauchweh durchs Kasernentor“, gesteht er mir. „Die Welt war nicht meine. Das Antreten, das zackige Auftreten und das Salutieren. Es war einfach nicht meine Welt“, sagt er. So hat er sich bei der ADAC Luftrettung beworben – und an seinem Geburtstag, am 27. Oktober 1997, dort seinen Arbeitsvertrag unterschrieben und dann ab Neujahr 1998 den Notarzt mit „Christoph 25“ geflogen.
Fotos: wirSiegen.de
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