„Kann ich das mal eben googlen? – Gedächtnistraining für Senioren

(wS/nk) Netphen | „Jeder der aufhört zu lernen, ist alt, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen. Jeder, der weiterlernt, ist jung, mag er zwanzig oder achtzig Jahre alt sein.“ (Henry Ford).

Gerade im Alter ist es besonders wichtig, neben der körperlichen Leistungsfähigkeit auch den Kopf fit zu halten und seine Neugierde zu bewahren. Organisiert von der Senioren-Service-Stelle der Stadt Netphen in Kooperation mit der Gedächtnistrainerin Anja Freundt, fand auch im Herbst diesen Jahres wieder das „ganzheitliche Gedächtnistraining“ an sechs Vormittagen statt.

In einer kleinen, gemütlichen Runde aus jeweils ungefähr 10 Teilnehmern wurde auf spielerische Art das Konzentrationsvermögen und die Gedächtnisleistung trainiert und auch nachhaltig etwas für die geistige Fitness getan. Aufgrund der hohen Anmeldezahlen wurden jeweils zwei Kurse hintereinander angeboten. Die Übungen stellen eine spannende Herausforderung dar und sind auf die persönlichen Stärken und den Gesundheitszustand der Teilnehmer abgestimmt. Jede Kursstunde wird abwechslungsreich gestaltet und die Trainerin geht flexibel auf die Bedürfnisse der Senioren ein.

Die Stunde beginnt mit einer Entspannungsübung, bei der das Vorstellungsvermögen der Teilnehmer gefordert und Phantasie sowie Konzentration geübt wird. Alle sitzen ruhig und mit geschlossenen Augen da, lauschen der Musik und der Erzählstimme, lassen ihre Gedanken fliegen. Nach diesem autogenen Training ist es wichtig, die Gedanken in positive Energie für den Tag zu verwandeln. Diese Übung können die Teilnehmer jedoch auch vor dem Zu-Bett-gehen Zuhause ausüben, um gelöst einschlafen zu können. Danach trainieren die Senioren in einer Übung ihr Koordinationsvermögen und lernen, eine Verbindung zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte zu schaffen. Hierbei achtet die Kursleiterin vor allem darauf, dass sich alle an das Tempo halten und jeder im Team mitkommt.

Konzentrationsübung: „Ein Stein muss überkreuzt an den Nachbarn weitergereicht werden“, hört sich leicht an, war es aber nicht!

Konzentrationsübung: „Ein Stein muss überkreuzt an den Nachbarn weitergereicht werden“…

Viele haben das Vorurteil, dass Gedächtnistraining für Senioren viel zu einfach und anspruchslos sei, die nun folgende Übung ist allerdings gar nicht so leicht, denn es muss auf Wissen zurückgegriffen werden, das nicht alltäglich gebraucht wird. Auch für mich war die Übung eine Herausforderung, obwohl die Schulzeit bei mir nicht allzu weit zurück liegt. Die Teilnehmer sollen Bundesländer an ihren Umrissen erkennen, die zuvor gedreht oder gespiegelt wurden. Ein Kursteilnehmer zieht ein Smartphone aus seiner Hosentasche und fragt scherzhaft: „Kann ich das mal eben googlen?“. Alle lachen lauthals und ich spüre, wie vertraut, harmonisch und losgelöst die Kursatmosphäre ist. Es muss auch niemand Angst haben, denn die Aufgaben werden stets gemeinsam in Teamarbeit gelöst. Nun stellen die Senioren assoziativ Verbindungen her. Dabei gehen sie über ihren Horizont hinaus und kommen vom Aufzählen von Ländernamen zur Landwirtschaft und dem Siegerländer Hauberg.

Konzentrationsübung: „Ein Stein muss überkreuzt an den Nachbarn weitergereicht werden“, hört sich leicht an, war es aber nicht!

…hört sich leicht an, war es aber nicht! (Fotos: Eva Vitt)

Als nächste Übung versammeln sich die Teilnehmer um eine große Karte von Deutschland. Jeder erhält die Zeit, auf sein Langzeitgedächtnis zurückzugreifen und über seine biografische Reise von Geburtstort bis zum jetzigen Wohnort in der Region Netphen zu erzählen. Ich merke den Senioren an, dass es ihnen sichtlich gut tut, ihren vergangenen Lebensweg zu teilen, über Orte zu sprechen, die sie gerne besucht haben und auch zu berichten, wo sie gerne noch hinreisen möchten. Einer der Teilnehmer wollte nie ins Siegerland ziehen, ist jedoch der Frau zu Liebe in Beienbach sesshaft geworden. Heute sagt er: „Ich habe die ganze Welt bereist, aber ich freue mich immer nach Beienbach zurückzukehren, denn das ist einfach der schönste Ort auf der Welt.“

Die Teilnehmer erinnern sich auch an intensive, emotionale Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kriegszeit zurück und drücken ihre Geschichten mit Worten aus. Auch mich haben die Erzählungen tief berührt und die Senioren haben, wenn sie möchten, verständnisvolle Menschen, die ihnen zuhören. Gleichzeitig erfordert die Übung Respekt, Geduld und Toleranz.
Zum Abschluss kommt noch einmal Bewegung in die Gruppe. Mit der Nachahmung von Bewegungen der Trainerin wird Koordination und Rhythmusgefühl gefördert. Die Musik ist allen Senioren bekannt und es wird heiter mitgesungen. Dann lässt es sich ein Teilnehmer nicht nehmen, sein Repertoire an Witzen vorzutragen. Trainerin Anja Freundt betont, dass sogar das Erzählen von Witzen die Merkfähigkeit steigert und das Gehirn verkümmert, wenn es nicht gefordert wird.

Das Ziel des Gedächtnistrainings ist es, dass Interesse geweckt wird, sich auch Zuhause nicht alles aufzuschreiben und man sich über Themen informiert, die man bislang außer Acht gelassen hat. Die Teilnehmer können einige der Übungen auch später leicht in ihren Alltag integrieren. Fakten und Details kann man sich schon durch ein paar Minuten Anstrengung am Tag besser merken – Einkaufszettel sind beispielsweise von nun an im Gedächtnis gespeichert, anstatt auf Papier. Aber auch Kopfrechenkünste und Logisches Denken werden gefordert und die Senioren entdecken die Freude am Knobeln. Einige Senioren haben beispielsweise nach dem Kurs die Motivation gefasst, bei Geografie-Fragen von Quiz-Sendungen nicht mehr raten zu müssen.
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