Im Labor am essbaren Löffel tüfteln

Palästinensische Studierende arbeiten in Projektgruppen an der Uni Siegen im Austauschprogramm YALLAH – You all are hackers.

(wS/red) Siegen 29.08.2016 | Am Campus Unteres Schloss ist es ruhig. Semesterferien-Stimmung. Aber aus einem Raum ganz am Ende eines langen Flurs dringt lautes Stimmengewirr: Englisch, Arabisch, Deutsch. Im Fab Lab, der offenen (Kreativ-)Werkstatt der Uni, trifft sich eine Gruppe Studierender von der palästinensischen Universität Birzeit mit ihren Siegener Gastgeber*innen. Vier Wochen sind die 13 Palästinenser*innen an der Uni Siegen. Im Rahmen des Austauschprojekts YALLAH, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert wird, waren im April bereits zehn Siegener Studierende im Westjordanland und arbeiteten an Projekten zum Thema Social Innovation. Die Studierenden sollten lokale Problemstellungen erkennen und angehen. Deshalb der Titel des Austauschprogramms: YALLAH – You all are hackers. Dominik Hornung, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien (Fakultät III), der mit in Palästina war, erklärt: „Hacken hat in diesem Fall nichts mit Computern zu tun, sondern mit der Suche nach kreativen Lösungen eines Problems. Wir haben uns unter anderem mit der Müllproblematik beschäftigt, mit dem Umgang mit Menschen mit Behinderungen und haben uns um den Computer Club in einem der Flüchtlingslager in Ramallah gekümmert.“ Die Projektarbeit haben die internationalen Gruppen in Palästina begonnen und setzen sie nun in Siegen fort.

Renad Khatib (links) und May Abdel Rahim gehören zu der palästinensischen Studierendengruppe der Universität Birzeit, die ihm Rahmen des Austauschprojekts YALLAH vier Wochen an der Uni Siegen waren. (Fotos: Universität Siegen)

Renad Khatib (links) und May Abdel Rahim gehören zu der palästinensischen Studierendengruppe der Universität Birzeit, die ihm Rahmen des Austauschprojekts YALLAH vier Wochen an der Uni Siegen waren. (Fotos: Universität Siegen)

Die Studierenden kommen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen: Sprachen, Architektur, Informatik. May Abdel Rahim (22) und Renad Khatib (22) haben gerade ihren Bachelor in Informatik an der Universität Birzeit gemacht. Die beiden jungen Frauen sind zum ersten Mal in Deutschland. „Überhaupt zum ersten Mal in Europa.“ Was sie am meisten beeindruckt, ist die Natur. „Alles ist so grün. Die Wälder. Und das viele Wasser.“ Wasser? Die beiden jungen Palästinenserinnen meinen die Sieg und den Rhein. Aber auch die Selbstverständlichkeit jederzeit den Wasserhahn aufdrehen zu können. In Palästina ist Wasser knapp und kostbar.

Von der Uni Siegen ist die Gruppe etwas überrascht, da sie den Campus während der ruhigen Semesterferien kennen gelernt haben. „Es ist hier so leise“, meint Renad Khatib. „Und so weit verzweigt.“ Dass die Uni Siegen verschiedene Standorte hat, irritiert sie. Die Universität Birzeit hat einen großen Campus. „Dort begegnen sich alle Studierenden“, erzählt May Abdel Rahim. Sie arbeitet in der Projektgruppe „Umwelt/Müll“ mit. Schon in Palästina waren den deutschen Studierenden vor allem die vielen Plastiktüten ins Auge gestochen. „Die gibt es bei uns kostenlos“, so May. „Es macht sich kaum jemand Gedanken über den Müll.“ Bei ihren Einkäufen in Deutschland fiel ihr auf: „Für jede Tüte muss man zahlen, also bringen viele Kunden eigene Beutel mit. So einen Bewusstseinswandel müssen wir bei uns erst anstoßen.“ Das gilt auch für das Plastikbesteck in der Mensa der Uni Birzeit. Die Studierenden wollen eine Alternative entwickeln: einen essbaren Löffel. „In Indien gibt es das“, erzählt Ramsis Kilani, der in Siegen Englisch und Deutsch auf Lehramt studiert und im April in Palästina war. Der Prototyp des Löffels ist fertig. Im Fab Lab wurde jetzt eine Gussform entwickelt. „Wir haben sogar ein Gespräch mit einem Siegener Unternehmen, das an solchen Löffeln interessiert ist“, berichtet Kilani.

Den Prototyp eines essbaren Löffels entwickelte eine der YALLAH-Projektgruppen. Studierende der Uni Siegen und der Uni Birzeit hatten mit der Arbeit in Palästina begonnen und konnten sie nun im Fab Lab, der Siegener Uni-Werkstatt, weiterführen. Im Bild (von links): Der Siegener Student Ramsis Kilani und die Studentinnen aus Birzeit: Sondos Dahbour, May Abdel Rahim und Dina Haddad.

Den Prototyp eines essbaren Löffels entwickelte eine der YALLAH-Projektgruppen. Studierende der Uni Siegen und der Uni Birzeit hatten mit der Arbeit in Palästina begonnen und konnten sie nun im Fab Lab, der Siegener Uni-Werkstatt, weiterführen. Im Bild (von links): Der Siegener Student Ramsis Kilani und die Studentinnen aus Birzeit: Sondos Dahbour, May Abdel Rahim und Dina Haddad.

Renad Khatib gehört zur Projektgruppe, die sich um die Betreuung von Kindern in einem der Flüchtlingslager in Ramallah kümmert. Der Computer Club gehört zu den ersten YALLAH-Projekten, die von der Uni Siegen angestoßen wurden. Auch wenn sie bald ihren ersten Job antreten wird, will Renad weiter im Computer Club helfen. „Die Kinder freuen sich so sehr und sind dankbar für das Angebot“, betont die 22-Jährige. „Ich will dort weitermachen, weil es mir viel gibt. Hier…“, sagt sie und klopft auf ihr Herz. „Ich nehme viel Neues mit nach Palästina“, sagt Renad Khatib. „Vor allem habe ich bisher immer gedacht, ich lebe in Sicherheit. Trotz der schwierigen Lage in unserem Land, weil ich es nicht anders kannte. Jetzt weiß ich erst, was es heißt in Sicherheit und frei zu leben. Ihr habt hier solches Glück.“

Zur Info: Die Universität Birzeit liegt nördlich von Ramallah im Westjordanland. Sie wurde 1975 gegründet, hat acht Fakultäten und rund 12.000 Studierende.

Mehr Informationen zu YALLAH unter http://yallah.exchange/

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