(wS/red) Siegen 09.12.2019 | Prüfen, rufen, drücken – bis der Arzt kommt
Kardiologen des Diakonie Klinikums Jung-Stilling informierten 150 Besucher im Siegener Lÿz
Prüfen, rufen, drücken – so geht Leben retten. Den genauen Ablauf haben sich rund 150 Besucher von Herz-Experten des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen zeigen lassen. Und noch mehr: Die Gäste lauschten den Erlebnissen eines Herren, der vor zwei Jahren selbst einen Herzinfarkt erlitten hatte. Sein Überleben verdankt er einer aufmerksamen Autofahrerin. Neben praktischen Einheiten informierte das Kardiologen-Team in Vorträgen über Ursachen und Vorerkrankungen rund um den plötzlichen Herztod sowie über Therapieformen, um ihm vorzubeugen.
„Die Zahnärztin war mein Schutzengel“, – Worte eines 42-Jährigen, der vor zwei Jahren an einem Nachmittag ein wohl mulmiges Gefühl im Auto hatte, rechts ran fuhr, aussteigen wollte und dabei ein Stück aus seinem Fahrzeug fiel. „Daran erinnere ich mich jedoch nicht. Was ich noch weiß ist, dass ich mittags um zwölf Uhr bei meiner Mutter Kaffee getrunken habe.“ Der Mann erlitt einen Herzinfarkt. Zufällig war es seine Zahnärztin, die den Bewusstlosen beim Vorbeifahren sah, stehen blieb, ausstieg, ihn aus dem Auto zog und gleich den Notruf rief. Die Herzdruckmassage führte sie so lange durch, bis der Rettungsdienst eintraf. „Das ist das richtige Vorgehen. Wird in Fällen wie diesen nicht gleich gehandelt, können wir als Ärzte oft gar nichts mehr für Betroffene tun“, machte Prof. Dr. Dursun Gündüz, Chefarzt der Sektion Kardiologie im Diakonie Klinikum Jung-Stilling, die Wichtigkeit der Herz-Lungen-Wiederbelebung deutlich. Im Krankenhaus angekommen führte das Team rund um Prof. Dr. Gündüz dem Patienten eine Gefäßstütze (Stent) während ständiger Herzdruckmassage ein. So konnte das verengte Blutgefäß eröffnet werden und das Blut wieder ungehindert fließen. Der ehemalige Patient merkte an, dass er etwa drei Monate vor dem Vorfall Brustschmerzen bemerkte, jedoch nicht zum Arzt ging. Heute geht es ihm wieder gut. Er hat das Rauchen eingestellt, isst mehr Fisch, Obst und Gemüse.
Neben Herzinfarkt und Krebs zählt der plötzliche Herztod zu den häufigsten Todesursachen in Westeuropa. Das Leistungsspektrum in der Herzmedizin entwickelt sich ständig weiter. Dennoch fällt die Überlebensrate nach einem Herzstillstand immer noch gering aus. „Der plötzliche Herztod ist ein Sekundentod, der oft unerwartet eintritt“, sagte Dr. Korkut Sözener, Oberarzt der Rhythmologie. Im Vergleich zum Herzinfarkt, bei dem sich die Herzkranzgefäße plötzlich verschließen und es zu einer Sauerstoffunterversorgung des Herzens kommt, ist der plötzliche Herztod gegeben, wenn das Herz das Blut aufgrund von Herzstillstand oder Kammerflimmern nicht mehr weiter befördern kann. Letzteres meint eine lebensgefährliche Herzrhythmusstörung. Und die ist der häufigste Auslöser für den plötzlichen Herztod. Früh erkannt, lassen sich mit Rhythmusstörungen einhergehende Beschwerden behandeln. Bemerkbar macht sich Kammerflimmern unter anderem durch unregelmäßige Herzschläge, Herzstolpern oder -rasen, Unruhe und Übelkeit. Ob Medikamente, Implantate oder andere chirurgische Eingriffe: „Die Therapiemaßnahmen sind vielfältig und werden individuell an die entsprechende Patientensituation angepasst“, erklärte Privatdozent Dr. Damir Erkapic, Leiter der Rhythmologie im Diakonie Klinikum Jung-Stilling. Ist eine Operation nötig, so wird diese in der Regel minimalinvasiv durchgeführt. Ein Schrittmacher kann helfen, wenn das Herz zu langsam schlägt. Etwa so groß wie eine Streichholzschachtel wird das batteriebetriebene Implantat im Bereich des Schlüsselbeins unter der Haut eingesetzt. Erkapic: „Das Gerät überwacht den Herzrhythmus und beschleunigt ihn bei Bedarf.“ Ebenso kann ein unter der Haut eingepflanzter Defibrillator zum Einsatz kommen. Dies ist eine oft angewandte Therapieform bei zu schnell schlagendem Herz. Beschleunigt sich die Herzfrequenz zu stark, so gibt der „Defi“ einen oder mehrere Stromstöße an das Herz ab und die Rhythmusstörung wird beendet.
Wer sich noch vor einem plötzlichen Herztod schützen muss, erklärte Dr. Johannes Rixe, Oberarzt der Sektion Kardiologie und Leiter der kardialen Bildgebung. Gefährdet sind auch Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK). Dabei sind die Herzkranzgefäße, die das Herz mit Blut versorgen, verengt. Mit der passenden Therapiemethode können Betroffene jedoch oft gut leben. Um zu diagnostizieren, ist die Herzultraschalluntersuchung das Standardverfahren. Die zuverlässigste Maßnahme ist die Computertomographie (CT) des Herzens. „Mit dem bildgebenden Verfahren können Kalkablagerungen und Engstellen in den Herzkranzgefäßen nachgewiesen oder ausgeschlossen werden“, sagte Rixe. Mittels Röntgenstrahlen werden hochauflösende Schnittbilder durch den Körper erstellt. Um eine KHK zu behandeln, müssen unter anderem ein erhöhter Blutdruck und hohe Blutfettwerte medikamentös gesenkt werden. Sind die Herzkranzgefäße schwerwiegend verengt oder verschlossen, kann ein Stent helfen. Um vorzubeugen, empfiehlt sich Ausdauersport sowie überwiegend Gemüse, Früchte und Fisch zu essen. Nicht zu rauchen ist das A und O.
Passiert es, dass wie im Fall des 42-Jährigen eine Person ohnmächtig zusammenbricht, ist Leben retten angesagt. „Jeder Mensch kann tätig werden. Alles, was nötig ist, sind zwei Hände“, machte Dr. Werner Meyners, Oberarzt Sektion Kardiologie und Leiter der Intensivmedizin, deutlich. Prüfen, rufen, drücken lautet dabei das Motto – und dann: drücken, drücken, drücken. Prüfen heißt, den Menschen anzusprechen, ihn zu schütteln, das eigene Ohr über Mund und Nase zu legen. Reagiert oder atmet der Betroffene nicht, ist rufen der nächste Schritt: 112 lautet die Nummer für den Notruf. Als nächstes folgt drücken. Helfer machen den Oberkörper der bewusstlosen Person vorne frei, knien sich daneben, legen die Hände mit ausgestreckten Armen übereinander. Der untere Handballen wird auf das Brustbein zwischen die Brustwarzen gelegt, dann wird gedrückt – fünf bis sechs Zentimeter tief, 100 bis 120 Mal pro Minute. Das Lied „Staying Alive“ von den Bee Gees ist ein Takt zur Orientierung. Ina Souretis, zertifizierte Ausbilderin für Herz-Lungen-Wiederbelebung und Medizinische Fachangestellte in der Zentralen Notaufnahme im Diakonie Klinikum Jung-Stilling, lud nach den ärztlichen Vorträgen ein, an einer Puppe zu üben. „Bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde. Sie können nichts falsch machen, außer nichts zu tun“, legte sie den Gästen nahe. Aufgrund der kraftzehrenden Prozedur riet die Expertin, in jedem Fall nach Hilfe zu rufen. Mit mindestens einer weiteren Person sollte sich bei der Herzdruckmassage abgewechselt werden. Und: Nicht aufhören, bis der Rettungsdienst kommt.
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