(wS/hgm) Siegen 08.11.2023 | Das Siegener Blasorchester (Dirigat: Daniel Ridder) ist bekanntlich ein symphonisches Orchester auf höchster Qualitätsstufe. Und wer das das bis dahin nicht wusste, weiß es jetzt – zumindest, wenn er am vergangenen Sonntag das jährliche Herbstkonzert dieser Blasmusik-Profis im Leonard-Gläser-Saal der Siegerlandhalle in Siegen besuchte.
Immerhin waren rund 400 Besucher gekommen, um sich „Fantastische Geschichten dieser Welt“ – so der Titel des diesjährigen Herbstkonzertes – anzuhören. Daniel Ridder begrüßte unter der Zuhörerschaft die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Siegen, Angela Jung, die auch eine kurze Laudatio hielt. Bürgermeister Steffen Mues selbst – offizieller Schirmherr der Veranstaltung – konnte leider nicht kommen.
Auch optisch hatte das Orchester einiges zu bieten, dass sich zu den einzelnen musikalischen Parts in durchaus straffer Hierarchie – hin und wieder im Saal verteilt – entsprechend gruppierte. Die Moderation des gesamten Repertoires nahm der Dirigent und Profi-Musiker Daniel Ridder übrigens selbst vor.
Mit dem „Nibelungenmarsch“, einer Sage um tapfere Helden, machte das Orchester den Auftakt. Ein Marsch, der die heroische Atmosphäre und die tiefen Emotionen dieser Geschichte meisterhaft einfing – besonders in solch einer perfekten Instrumentierung, mit der nahezu jeder Satz gut bestückt ist. Das nächste Werk hingegen „Aida“ entführte in das antike Ägypten und erzählte eine Liebesgeschichte zwischen der äthiopischen Prinzessin Aida und dem ägyptischen Feldherrn Radamès.
Beide Werke zeichneten sich durch ihre epische Tiefe, Leidenschaft und Dramatik aus – vom Orchester eindrucksvoll in hoher Akribie umgesetzt. Unterstützt wurden die Siegener an den Trompeten übrigens durch die Musikkameraden der Siegerländer Bergknappenkapelle.
Der dritte Vortrag „Glory of Love“ handelte von einer phantastischen Geschichte, die Liebe und Musik verbindet und zu besseren Menschen macht. Die Komponisten, Roland Heck und Gerd Köthe arbeiten seit 1970 zusammen. Ihr Lohn: Über 12 Millionen verkaufte Tonträger in Gold und Platin. Sehr beeindruckend, wie viele junge Musikantiinnen und Musikanten beim Orchester mitwirken und voll bei der Sache sind. Und sie wollen auch gefordert werden!
„Imagasy“ – das vierte Werk – handelte musikalisch von der Phantasie und ist in der heutigen Zeit bekannter Weltkonflikte von großer Bedeutung, da sie uns die Möglichkeitbietet, der Realität zu entfliehen. Diese Darbietung begann in einer eher dunklen und betrübten Stimmung. Nach und nach klang die Musik heller und versöhnlicher, ehe man wieder in klassischer Dur-Tonart (diese steht für Freundlichkeit) ankam mit der Hoffnung, dass die Welt bald wieder frei von Krieg ist (schön wär’s ja).
Fünfte, letzter und schwerster Vortrag (des 1. Blockes) vor der Pause war die Interpretation von „Symphony No. 1 – The Lord of the Rings“ mit dem 5. Satz „Hobbits“. Das Werk ist bei uns als „Der Herr der Ringe“ bekannt und hat seit seinem Erscheinen im Jahre 1955 Millionen von Lesern in seinen Bann gezogen. In Worte sind die Geschehnisse darin kaum zu fassen; auf jeden Fall eine prägnante Abenteuergeschichte, die von epischen Schlachten, gefährlichen Reisen und magischen Wesen durchzogen ist. Das Siegener Blasorchester setzte all dieses musikalisch hervorragend um, was eigentlich nur Kenner konstruktiv beurteilen zu vermögen.
Etwas leichtere Kost wurde dem Publikum im zweiten Teil des Konzertes geboten. Das Orchester startete mit dem „Margarethenmarsch“, ein schwungvoller Marsch von Gottfried Piefke aus der Oper „Margarethe“. In der Tat erneut fantastisch; hier verschmolzen Gesang, Musik und Schauspiel zu einer kraftvollen Erzählform, die sowohl unter den Musikern und dem Publikum menschliche Emotionen zu erwecken vermochte.
„In 80 Tagen um die Welt“ (Jules Verne) als nächster Vortrag war wieder eine sehr lange Geschichte, die zunächst simpel mit einer Zugfahrt begann. Fogg und sein treuer Diener Passepartout starteten in London, reisten durch verschiedene Länder bis zum Wilden Westen. Im Hafen am Broadway in New York wartete der große Dampfer (das Schiffshorn zur Rückreise war im Orchester deutlich zu hören!) und brachte die Abenteurer pünktlich zurück nach England, bevor der Big Ben ein letztes Mal schlug. Die Wette war gewonnen!
Hervorragend für die musikalische Interpretation eines Blasorchesters, bei dem die Siegener Musikanten alle Register ihres Könnens zogen! „O Magnum Mysterium“ (das große Geheimnis) handelt von der Geburt des neugeborenen Königs (Christus) inmitten der niederen Tiere und Hirten. Ein stilles Lied innerer Freude!
Auffallend war, dass in dem Werk insbesondere die Holzbläser (u. a. Klarinetten und Oboe) mit ihrer weichen Klangfarbe zur Geltung kamen. Zwar nahmen die Blechbläser im mittleren Part des Werkes kurz an der Musik teil, doch dann kehrte die warme Klangfarbe zurück. Eine Musik zum Träumen!
„Harry `s Wondrous World“ (aus „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“) ist der zweite Band der weltberühmten Buchreihe von Rowling aus der Welt der Zauberei. Die Verbindung zu diesem Werk und einem Blasorchester liegt in der eindrucksvollen musikalischen Gestaltung der Filme und der Filmmusik. Epische und emotionale Melodien, welche die Abenteuer von Harry und seinen Freunden musikalisch zum Leben erweckten und ein großartiges Klangerlebnis zauberten.
Als achten (und letzten) Titel des Konzertes präsentierte das Orchester „Beauty and the Beast“ (Die Schöne und das Biest). Ein zeitloses Werk der Unterhaltung, das einst von Walt Disney zum Leben erweckt wurde. Titel. Wie „Prologue“, „Belle“, „Something“ usw. verliehen dieser Geschichte die nötige Tiefe und Magie. Diese Transformation von Liebe und Mitgefühl eignet sich perfekt für so ein Blasorchester, wie die Siegener es sind. Eben ein reiches Klangbild, das sowohl die Zerbrechlichkeit als auch die Stärke der Charaktere einfängt.
Der Applaus aus dem Publikum, das sich von den Plätzen erhob, war tosend! Ein Dankeschön von Dirigent Daniel Ridder ging an das Orchester für die Zeit und die Geduld für die sicher knallharten Proben (ohne die geht sowas nicht), dem Vorstand für die Arbeit, das Team der Siegerlandhalle und last not least auch an das Publikum, das nicht gerade mit leichter Kost konfrontiert worden war.
Da musste noch eine Zugabe her, die mit der Komposition „Ich wollte nie erwachsen sein“, gerne gewährt wurde. „Wow“, kann man da nur noch sagen!
Wer diese Musik-Profis noch einmal erleben will, hat dazu am Sonntag, dem 3. Dezember 2023 (1. Advent) um 18 Uhr in der Siegener Nikolaikirche noch einmal Gelegenheit.
Mitwirkender ist der Kammerchor „Carpe Sonum“ unter der Leitung von Jens Schreiber. Der Eintritt ist frei, also nichts wie hin!
Text und Fotos: Hans-Gerhard Maiwald