(wS/red) Netphen 22.08.2024 | Vorstellung des Buches „Unter Wasser“: Ein bewegendes Zeugnis der verlorenen Dörfer Brauersdorf, Nauholz und Obernau
Heute wurde in Netphen das lang erwartete Buch „Unter Wasser“ des renommierten Historikers Dr. Peter Vitt der Öffentlichkeit präsentiert. Dieses beeindruckende Werk, das in Zusammenarbeit mit der Stadt Netphen und der Sparkasse Siegen entstand, widmet sich auf 270 Seiten der bewegten Geschichte der drei Dörfer Brauersdorf, Nauholz und Obernau, die einst in der Idylle des Netpherlandes lagen und heute unter den Wassern der Obernautalsperre verschwunden sind.
Das Buch bietet eine umfassende und tiefgründige Chronik der Dörfer, deren Geschichte durch den Bau der Obernautalsperre abrupt beendet wurde. Dr. Peter Vitt, der für seine akribische Arbeit bekannt ist, hat wertvolle historische Quellen zusammengetragen, darunter Schul- und Dorfchroniken sowie alte Karten des Urkatasters, um das Leben in den Dörfern vor ihrer Zerstörung detailreich nachzuzeichnen. Diese historischen Zeugnisse ermöglichen es dem Leser, in den Alltag der damaligen Bewohner einzutauchen, ihre Sorgen, Nöte, aber auch freudigen Momente nachzuvollziehen.
Besonders eindrucksvoll ist die Würdigung der sogenannten „Wasserflüchtlinge“. Diese Menschen, die ihre Heimat für immer verloren, finden in diesem Buch ein Stück ihrer Vergangenheit wieder. Die zahlreichen Karten und Fotos im Buch wecken Erinnerungen und lassen die Dörfer in gewisser Weise wieder aufleben. Viele der ehemaligen Bewohner oder ihre Nachfahren werden die alten Häuser auf den Karten wiedererkennen, und die Bilder der jüngeren Zeit bieten einen Blick auf das, was für immer verloren ging.
Die Obernautalsperre – Ein Monument der Ambivalenz
Die Obernautalsperre selbst, die heute das Landschaftsbild prägt und für die Trinkwasserversorgung im Siegerland von unschätzbarem Wert ist, wird im Buch als „Meilenstein mit Schattenseiten“ beschrieben. Der Bau dieses gigantischen Bauwerks war eine technische Meisterleistung, aber er forderte seinen Tribut. Nauholz und Obernau verschwanden vollständig von der Landkarte, während Brauersdorf teilweise dem Wasser zum Opfer fiel. Ganze Gemeinschaften wurden entwurzelt und mussten in fremder Umgebung neu beginnen.
Dr. Vitt beleuchtet in seinem Buch die tragischen Konsequenzen, die diese Umsiedlungen für die betroffenen Menschen hatten. Der Verlust der Heimat war für viele ein einschneidendes und traumatisches Erlebnis. Soziale Netzwerke wurden zerstört, und das vertraute Umfeld, in dem viele Generationen gelebt hatten, ging unwiderruflich verloren.
Ein Mahnmal gegen das Vergessen
„Unter Wasser“ ist mehr als nur eine Chronik; es ist ein Mahnmal gegen das Vergessen. Es erinnert an die Menschen, deren Leben durch den Bau der Obernautalsperre unwiderruflich verändert wurde. Gleichzeitig lädt es die Leser ein, sich mit der Geschichte der Region auseinanderzusetzen und die Bedeutung von Heimat und Gemeinschaft neu zu überdenken.
Das Buch ist zu einem Preis von 20€ erhältlich in Netphener Buchhandlungen sowie der Buchhandlung Hugendubel in der City-Galerie Siegen. Die Auflage beträgt 600 Bücher. Bürgermeister Netphen, Paul Wagener, erklärte bei der Buchvorstellung: „Dieses Buch erfreut uns nun und enthält die Geschichte der drei Dörfer für nachfolgende Generationen.“ Dr. Peter Vitt ergänzte: „Ein gutes Erinnerungsstück an die Vergangenheit.“
Bei der Buchvorstellung waren einige Bürger dabei, die damals in den besagten Dörfern lebten. Sie erzählten, dass nicht jeder der Bewohner damals mit den Veränderungen einverstanden war. Im Buch kommt zwar nichts über den Bau der Obernautalsperre vor, jedoch vieles über die damalige Planung. Die Informationen stammen aus den handschriftlichen Aufzeichnungen der damaligen Lehrer, die noch im Archiv der Stadt Netphen aufbewahrt werden. Sehr schön wird in dem Buch auch beschrieben, wie die Menschen in den Dörfern vor über 100 Jahren zusammenlebten. Die Informationen reichen dabei einige hundert Jahre zurück. So konnte beispielsweise recherchiert werden, dass der Name „Brauersdorf“ vom Brauen stammt und dass es bis zum Jahr 1680 in dem Dorf Brauersdorf eine Brauerei gab.
Die heutige Buchvorstellung, unter der Leitung von Netphens Bürgermeister Paul Wagener, die auch von einigen ehemaligen Bewohnern der untergegangenen Dörfer besucht wurde, war daher nicht nur eine literarische Veranstaltung, sondern auch ein emotionaler Moment des Gedenkens. Die Stadt Netphen und die Sparkasse Siegen haben mit der Herausgabe dieses Buches einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes der Region geleistet. „Unter Wasser“ wird sicherlich seinen festen Platz in den Bücherregalen der Region und darüber hinaus finden – als Erinnerung an das, was verloren ging, und als Dokument dessen, was nicht vergessen werden darf.
Fotos: Andreas Trojak / wirSiegen.de