(wS/dia) Siegen 11.09.2025 | Seit 50 Jahren steht die Suchtberatung der Diakonie in Südwestfalen an der Seite von Menschen, die mit Abhängigkeit und deren Folgen zu kämpfen haben. Aus diesem Anlass hatte die Siegener Beratungsstelle zur Feierstunde und einem Tag der offenen Tür in die Räumlichkeiten der Diakonie Soziale Dienste am Sieghütter Hauptweg eingeladen. Rund 150 Gäste – jetzige und frühere Mitarbeiter und Klienten, Wegbegleiter sowie Vertreter der Netzwerk- und Kooperationspartner – würdigten das langjährige Wirken der Suchtberatung, die, so wurde an diesem Nachmittag deutlich, heute mehr gebraucht wird denn je.
„Es ist nicht wichtig, wie langsam du gehst, solange du nicht stehen bleibst.“ Mit diesem Konfuzius-Zitat eröffnete Dr. Christian Stoffers, Geschäftsführer der Diakonie Soziale Dienste, die Veranstaltung. Genau dies beschreibe treffend die Arbeit der Suchtberatung – „eine Arbeit, die nicht stehen bleibt, sondern Schritt für Schritt Menschen begleitet, Hoffnung schenkt und Wege eröffnet“, eine Arbeit, „die fachlich fundiert und zugleich tief menschlich ist“. Er erinnerte an die Ursprünge der Beratungsstelle, die 1975 in der Oranienstraße gegründet wurde, seinerzeit von der Inneren Mission Siegerland, aus der später die Diakonie in Südwestfalen hervorging: „50 Jahre – das sind fast 27.000 Hilfesuchende, die hier Unterstützung, Begleitung und Beratung erfahren haben.“ Lag der Schwerpunkt anfangs bei stoffgebundenen Abhängigkeiten von Alkohol, Medikamenten oder Drogen, kamen mit der Zeit andere Suchtproblematiken wie Essstörungen, Glücksspiel oder PC- und Internetsucht hinzu, so Stoffers. „Bis heute ist Alkohol jedoch das Hauptthema der Ratsuchenden.“
Gleichwohl verzeichnet man in Siegen seit Jahren auch einen extremen Anstieg beim Konsum illegaler Drogen. „Die Zahl und Vielfalt der Anfragen wächst stetig“, betonte in ihrer Ansprache Linda Altgeld für das Team der Suchtberatung. Dabei machte sie deutlich, dass Sucht ein vielschichtiges Thema ist. So hätten die Betroffenen fast immer mit komplexen Begleiterscheinungen ihrer Abhängigkeit zu kämpfen: mit gesundheitlichen, privaten, beruflichen und finanziellen Problemen oder auch mit Wohnungslosigkeit. Umso wichtiger sei es, in Kooperation mit anderen Beratungsstellen ein qualitativ hochwertiges und für die Klienten verlässliches und gut erreichbares Netzwerk zu haben. Die Suchtberatung selbst bietet neben Einzel-, Paar- und Gruppenberatung unter anderem psychosoziale Begleitung in der Drogenersatztherapie. Ein wichtiger Eckpfeiler schon seit Mitte der 1980er-Jahre ist zudem die familienorientiere Suchthilfe, die auch die Ehe- oder Lebenspartner, Kinder und Angehörige der Betroffenen in den Blick nimmt. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind oft verzweifelt, haben Ängste, Schuld- und Schamgefühle sowie das Gefühl ihrem Problem ausgeliefert zu sein“, so Linda Altgeld. „Wir möchten uns ihnen zuwenden, zuhören, einen geschützten Raum bieten und ihnen dabei empathisch auf Augenhöhe begegnen.“
Dass genau dies der richtige Ansatz ist, verdeutlichte Dr. Bernd Hündersen. Der ehemalige Geschäftsführer des Suchthilfezentrums Gießen erinnerte in seinem Gastvortrag daran, dass Alkoholismus noch bis in die frühe Nachkriegszeit als ein Ausdruck von Charakterschwäche gesehen und in Deutschland erst 1968 offiziell als Krankheit anerkannt wurde. Ungefähr zur gleichen Zeit wuchs das Problem illegaler Drogen, und so entstanden ab Anfang der 1970er-Jahre erste ehrenamtlich organisierte Suchthilfestellen und Selbsthilfegruppen. Erst nach und nach, so Hündersen, sei die Suchtproblematik als Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Veränderungen und somit öffentliche Aufgabe (an)erkannt worden, die es entsprechend finanziell zu stützen gilt. Heute erfülle die kommunale Suchtberatung eine ganze Bandbreite wichtiger Aufgaben, die weit über die psychosoziale Begleitung der Klienten hinausgeht und beispielsweise neben der Suchtprävention auch ordnungs-, sozial- und gesundheitspolitische Aspekte umfasst. Abschließend griff Hündersen das Zitat einer Mitarbeiterin der Jugendhilfe auf, wonach jede Lebenskrise ein potenzielles Einfallstor in die Sucht biete. „Wer aber dann erkennt, dass er Hilfe braucht, hat schon die größte Hürde genommen.“
Nach dem Vortrag wurde das Thema in einer Podiumsrunde mit Dr. Hündersen, der Suchtkoordinatorin des Kreises Siegen-Wittgenstein, Nina Flaig, sowie Linda Altgeld und Vera Königsfeld von der Suchtberatungsstelle der Diakonie noch weiter vertieft. Im Anschluss an den offiziellen Teil der Veranstaltung hatten die Gäste dann Gelegenheit, sich bei einem kleinen Imbiss auszutauschen und sich in den Räumlichkeiten der Suchtberatungsstelle umzuschauen.

In der Feierstunde zum 50-jährigen Bestehen der Suchtberatung der Diakonie in Südwestfalen moderierte (von links) Dr. Christian Stoffers, Geschäftsführer der Diakonie Soziale Dienste, eine Gesprächsrunde mit Dr. Bernd Hündersen (ehemaliger Geschäftsführer des Suchthilfezentrums Gießen), Nina Flaig (Suchtkoordinatorin Kreis Siegen-Wittgenstein) sowie Linda Altgeld und Vera Königsfeld vom Team der Suchtberatungsstelle. Foto: Diakonie in Südwestfalen